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Taeyong

Tatsächlich benahm sich Ten am nächsten Morgen ziemlich normal, wie Taemin es vorhergesagt hatte. Zum Frühstück hatte der Thailänder mir eine große Tasse Kaffee gemacht und sein Verhalten war derart rücksichtsvoll und tadellos, dass ich den Vorschlag, das Projekt abzublasen, fast schon selbst lächerlich fand. Dass Taemin mir gestern am Telefon genauestens erklärt hatte, was los war und was genau Ten von seinen Gedanken mit ihm geteilt hatte, hatte sich wie ein Verrat angefühlt.

Aber gleichzeitig war es eine riesengroße Erleichterung und Taemin hatte mir seine eigenen Beweggründe geschildert. Irgendwie hatte ich nun eine Art Pflichtgefühl Taemin gegenüber, gemeinsam mit Ten einen guten Song abzuliefern, mit allem drum und dran. Dazu war ich wieder voller Hoffnung, die Reaktion von Ten gestern war übertrieben gewesen, wie Taemin es vermutete, und ich hatte lange nachgedacht und vielleicht war es tatsächlich das Vernünftigste, das zwischen uns nicht jetzt zu klären.

"Tut mir leid, dass ich gestern so kalt war", sagte Ten aufrichtig. Ein sanftes, gutherziges Lächeln entstand auf meinem Gesicht. "Ach, schon okay." Er fügte nichts mehr hinzu und ich ging davon aus, dass er das ursprüngliche Thema nicht mehr ansprechen wollte. Wenn ich an Taemins Zukunft dachte, und an die von 'Baby don't stop', unserem Baby, dann fand ich diese Idee ganz gut. Aber wie sollte es weitergehen mit uns? Und würde der Andere das Thema wieder ausgraben, wenn das Projekt komplett abgehakt war?

Jaehyun hatte mir schon oft geraten, den Kontrollfreak in mir zu ignorieren und sich einfach mal zurückzulehnen. Und so schwer es mir auch fiel, ich schwieg und verbrachte die ganze nächste Woche mit Ten, bis alles außer die Debutstage fertig war. Wir lebten nebeneinander, miteinander, und obwohl wir noch kein wirkliches Gespräch geführt hatten, verwandelte sich unser Zusammenleben binnen weniger Tage wieder in das sehr guter Freunde.

Taemin informierte ich nur knapp, da er meinte, Ten würde ihm ohnehin alles berichten. Obwohl wir nicht so viel miteinander sprachen, er schien sich nicht nur seiner Zukunft wegen für uns zu freuen und ich war ihm unendlich dankbar, dass er anscheinend solch eine wichtige und verlässliche Stütze für Ten war. Für den Anderen schien er unersetzbar und ich rechnete es Taemin hoch an, dass er für uns alles riskiert hatte und jetzt noch viel opferte.





"Das Müsli kommt zuerst in die Schüssel, vor der Milch. Das hast du damals schon falsch gemacht!" Ich schnallte mich an, während Ten den Kopf schüttelte. "Falsch", wiederholte er verächtlich und verstummte schlagartig. Vermutlich war ihm in derselben Sekunde bewusst geworden, dass ich soeben unsere stille Abmachung, nämlich unsere Vergangenheit nicht zu erwähnen, einfach vergessen hatte.

Ein peinliches, unangenehmes Schweigen breitete sich aus und ich zupfte verlegen an meinen Fingern herum, während er sich verkrampft am Lenkrad festhielt. "Wir haben noch ein Interview nach der Debutstage, vergiss es nicht. Danach kommt Taemin noch mit und ich fahre uns drei nach Hause. Ja?", sagte er dann irgendwann. "Ja."

Wir fuhren vielleicht fünf Minuten, bis wir vor Taemins Apartment ankamen. Der Künstler trug einen schlichten Anzug, der ihn trotzdem irgendwie besonders aussehen ließ. "Na, seid ihr aufgeregt?", fragte er mit einem Lächeln in der Stimme und schnallte sich an. Ich sah zu ihm nach hinten. "Ein bisschen", gab ich leise zu. "Brauchst du nicht. Ihr seid so talentiert." Taemin warf mir ein leichtes Lächeln zu. Ich nickte knapp, denn obwohl der Tanz mit Ten wirklich schön und professionell aussah, wühlte er mich jedes Mal aufs Neue total auf. Den Rest der Fahrt fuhren wir schweigend.

Irgendwann fuhr Ten den Wagen elegant auf irgendeinen Parkplatz und drehte den Schlüssel um. "Ich geh schon mal rein und spreche mit den Verantwortlichen. Falls wir uns nicht mehr sehen - viel Glück euch beiden." Taemin entfernte seinen Gurt und öffnete seine Tür. Dann lehnte er sich nach vorne und steckte den Kopf zwischen den Sitzen hindurch. "Auch privat." Er lachte in sich hinein und stieg dann vergnügt aus.

Ten beobachtete ihn durch den Rückspiegel und atmete dann gepresst aus. Ich hörte, dass das eigentlich ein Seufzer werden sollte - schon früher hatte er die immer unterdrückt, um mir keine Sorgen zu bereiten. "Nervös?", fragte ich leise und er sah mich an. "Ja", entgegnete er dann.

"Ich weiß nicht, ob das hier so eine gute Idee ist."

baby don't stop [taeten]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt