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„Hi“. Mit einem schiefen Grinsen lehnte sich Ryan gegen den Tresen und ich wappnete mich. In den letzten Tagen war er fast jeden Tag hier gewesen und schien fest entschlossen zu sein mich in den Wahnsinn zu treiben. Eins musste man ihm lassen – hartnäckig war er. Wenn er sich erstmal in einer Sache verbissen hatte, dann ließ er nicht locker. Wahrscheinlich war das auch einer der Gründe, warum er mittlerweile – wie ich erfahren hatte – in der Anwaltskanzlei arbeitete, die direkt gegenüberlag. Er hatte schon damals diesen unglaublichen Ehrgeiz gehabt – damals als ich selbst noch Jura studiert hatte. Der Traum irgendwann mal eine erfolgreiche Anwältin zu sein, war niemals wirklich meiner gewesen, aber ich hatte es trotzdem gemacht, um den Wünschen meiner Eltern zu sprechen. Doch die Karriere, die ich als Anwältin hätte haben können, lag nun schon eine Weile vergraben – zusammen mit der Illusion, meine Familie würde aus mehr bestehen, als aus perfekten Bildern. Doch dieser verfluchte Mistkerl vor meiner Nase, wirbelte alles wieder auf. „Hi“, schaffte ich es endlich zu antworten, wobei ich das Seufzen am Ende nicht unterdrücken konnte. „Was kann ich für dich tun?“. Auf seinem Gesicht erschien ein Grinsen, dass mich meine Formulierung sofort bereuen ließ. „Ich meine natürlich was du bestellen willst. Emely wird es dir dann gleich an den Tisch bringen“. Ich deutete auf meine Kollegin, die gerade einen der Tische abwischte. Ryan folgte meinem ausgestreckten Zeigefinger und setzte erneut ein Grinsen auf, das ihn leider wirklich gut aussehen ließ. Es war ein paar Jahre her, dass ich ihn zuvor gesehen hatte, aber das sah man ihm kaum an. Wenn möglich war er in den letzten Jahren nur noch attraktiver geworden. Sein Gesicht war kantig und hatte mittlerweile auch den letzten Rest Jungenhaftigkeit verloren. Das tiefe Blau seiner Augen, kam zu dieser Jahreszeit besonders gut zur Geltung. Seine dunklen Haare waren auf eine Art und Weise verstrubbelt, dass es beinahe so aussah, als wäre er gerade erst aus dem Bett gekommen und bildeten einen starken Kontrast zu dem Anzug den er trug. Eine Hand schnippste vor meiner Nase herum und versuchte meine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Fertig mit Starren oder soll ich noch ein bisschen hier stehen bleiben?“. Mit einem amüsierten Unterton in der Stimme sah mich Ryan herausfordernd an. Ich spürte eine Röte über meinen Hals hinaufwandern, doch ich versuchte nach außenhin cool zu bleiben und verdrehte die Augen. Anstatt mich in irgendeiner Weise zu rechtfertigen oder wie ein ertapptes Huhn beiseitezuschauen und damit sein Selbstbewusstsein noch weiter zu pushen überging ich seinen Kommentar einfach: „Was willst du nun haben?“. Ihm schien erneut ein blöder Spruch auf den Lippen zu liegen, doch als er meinen warnenden Blick sah, verkniff er ihn sich klugerweise und antwortete: „Ich hätte gerne ein belegtes Brötchen mit Käse und einen Kaffee“. Ich machte mich bereits daran, seine Bestellung zu bearbeiten, als er noch etwas hinzufügte: „Und ein paar Minuten deiner Zeit“. Die gleiche Bitte hatte er auch schon in den letzten Tagen an mich gerichtet, doch ich hatte ihn immer abgecancelt. Ryan der meinen Blick auffing hob abwehrend die Hand und schien sich dieses Mal nicht so leicht abwimmeln lassen zu wollen. „Oh, nein, dieses Mal nicht. Das letzte Mal hast du mich immer abgespeist mit der Begründung, dass zu viel los ist, aber bis auf das Paar in der Ecke und dem Mann dahinten ist im Moment niemand hier. Das kriegen deine Mitarbeiter ja wohl auch alleine hin“. Bevor ich wieder ablehnen konnte, mischte sich Adelia ein. „Er hat Recht. Geh Bella mia und mach ein paar Minuten Pause. Du arbeitest eh zu viel“. Sanft aber bestimmt drückte sie mich zur Seite und ließ mir gar keine Möglichkeit zu protestieren. Bevor ich überlegen konnte, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskam, hatte sich Ryan auch schon meine Hand geschnappt, als würde er meine Gedanken erahnen und zog mich zu dem Tisch, an dem er sich niedergelassen hatte. Missmutig ließ ich mich auf einen der Stühle fallen und Ryan räumte die Papiere auf dem Tisch zusammen ehe er sich ebenfalls setzte. Eine Weile sah er mich einfach nur an; einen nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht, bis es mir schließlich zu doof wurde und ich das Schweigen brach. „Also? Was gibt es jetzt so Wichtiges, dass du mich dafür unbedingt von der Arbeit abhalten musst?“. Mein Tonfall war schnippisch,  was hauptsächlich daran lag, dass sein intensiver Blick mir einen Schauder über den Rücken jagte. Sofort kehrte sein altbekanntes Grinsen zurück auf sein Gesicht und er zuckte mit den Schultern. „Ich bin einfach nur neugierig. Was verschlägt die ehemalige Spitzenstudentin ausgerechnet in eine Bäckerei?“. Ich spürte, wie mein Körper sich versteifte und ich automatisch eine defensive Haltung einnahm. Es war nicht so, dass ich mit dieser Frage nicht gerechnet hatte, aber endlose Diskussionen mit meinen Eltern über diese Frage, hatten dafür gesorgt, dass ich empfindlich auf diese Frage reagierte. „Das geht dich nichts an. Wieso willst du das überhaupt wissen?“. Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und sein Blick folgte meiner Bewegung. Ich wusste genau, dass er gerade meine Körpersprache analysierte und jede Mikroexpression registrierte. Das war etwas, dass er auch schon immer gemacht hatte - und es hatte mich damals schon genervt. Vor allem, weil er fast immer ins Schwarze traf. „Haben wir einen wunden Punkt entdeckt? Du weißt schon, dass ich jetzt erst recht wissen möchte, was dich hierher verschlagen hat, oder?“. Bevor ich antworten konnte, kam Emely an den Tisch und stellte jeweils eine dampfende Kaffeetasse vor unsere Nasen. Dabei warf sie Ryan ein kokettes Lächeln zu, dass er mit einem schiefen Grinsen erwiderte. Ich verdrehte die Augen - wie es schien, hatte sich an Ryan wirklich rein gar nichts geändert. Als Emely auch den Teller auf den Tisch gestellt hatte verschwand sie wieder - nicht ohne Ryan ein letztes flirtendes Lächeln zuzuwerfen. Ryan wandte sich wieder mir zu und sagte: „Also wo waren wir gerade stehengeblieben?“. Am liebsten hätte ich ihm sein Grinsen aus dem Gesicht gewischt. Stattdessen lehnte ich mich wieder zurück und antwortete: „Ernsthaft Ryan. Lass es einfach bleiben. Ich bin nicht Teil deines Lebens und du nicht Teil meines Lebens. Wofür alte Geschichten aufwärmen?“. Ryans Gesicht wurde mit einem Mal ernst. „Aber du warst einmal Bestandteil meines Lebens und ich will wissen, warum du damals so plötzlich einfach verschwunden bist! Es gab Leute, die sich Sorgen gemacht haben, als du ohne Begründung einfach weg bist. Und ob du es glaubst oder nicht - ich war einer dieser Menschen! “.

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Sorry für die Verspätung. Hab heute morgen verschlafen und hatte deshalb keine Zeit mehr das zu posten. Hoffe es gefällt euch und ich wünsche euch einen schönen Tag :)

Die Liebesbäckerei -  eine Adventskalendergeschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt