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Seufzend ließ ich meine Schultern kreisen, wobei sich ein Knacken vernehmen ließ. Ich verzog das Gesicht. Das klang ja wirklich vertrauenerweckend. Am liebsten hätte ich mich nach einem Tag wie diesem einfach nur auf eine Bank gesetzt und meinen Kopf in die kalte Winterluft gehalten. Den halben Tag zwischen heißen Backöfen, dem Tresen und den Tischen hin – und herzurennen war eine wirklich schweißtreibende Angelegenheit und als Adelia mich vor zehn Minuten quasi aus dem Verkaufsraum herausgescheucht hatte, war ich erleichtert gewesen. Ein Gähnen unterdrückend tauschte ich meine Arbeitsuniform gegen meine Alltagskleidung aus und zog mir meinen Mantel auf, bevor ich – nicht ohne Adelia einen letzten Gruß zuzwerfen – die Bäckerei verließ. Ohne mich umzusehen steuerte ich mein Auto an, das auf einem extra für das Personal reservierten Parkplatz war, als mich eine Stimme innehalten ließ. „Überfleißig wie eh und je – laut deiner Arbeitskollegin wäre dein Schichtende schon vor einer halben Stunde gewesen“. Überrascht wandte ich mich um und entdeckte Ryan der an einer Wand lehnte, die Hände in den Taschen vergraben. „Na sieh mal einer an – dich gibt es ja auch ohne Aktentasche“, war die einzige Erwiderung, die mir einfiel. Ein lässiges Grinsen umspielte seine Mundwinkel und er stieß sich von der Wand ab, um auf mich zuzukommen. „Bin ja auch in meiner Freizeit hier und friere mir den Arsch ab, während ich darauf gewartet habe, dass du endlich aus dieser Tür spazierst, Zwerg“. Empört schnappte ich nach Luft, als ich den vertrauten Spitznamen aus seinem Mund hörte. Dieser Idiot! Und ich dachte ich wäre den Spitznamen mit meinem Verschwinden losgeworden. „So klein bin ich nicht", beschwerte ich mich, was Ryan damit kommentierte, dass er sich direkt vor mich stellte, über mich hinwegguckte und fragte: "Hat jemand etwas gesagt?“. So fest ich konnte schlug ich ihm gegen die Brust. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass diese ungefähr so nachgiebig war wie eine Ziegelsteinmauer und zu allem Überfluss jetzt auch noch meine Hand wehtat. „Au! Du verfluchter Mistkerl“, fluchte ich und warf ihm einen bitterbösen Blick zu, den er aber nur mit einem herzhaften, rauen Lachen kommentierte, das mir einen Schauer über den Rücken jagte und mich augenblicklich wieder wie ein kleines Schulmädchen fühlen ließ. Verstimmt schüttelte ich das Gefühl ab. Ich musste mich zusammenreißen – immerhin war ich 26 Jahre alt und nicht 13. „Was willst du, Jackson?“, fragte ich und merkte dabei gar nicht, wie ich ebenfalls wieder in die vertrauten Verhaltensweisen von damals zurückfiel. „Du und ich gehen jetzt Eislaufen“, verkündete er bestimmt und traf mich damit unvorbereitet. Perplex starrte ich ihn an, während ich versuchte erneut die Verbindung zu meinem Gehirn herzustellen. Ich hatte mit einem blöden Spruch gerechnete, aber das? Mit deutlicher Verspätung fand ich meine Sprache wieder und schüttelte den Kopf. „Wer sagt das? Du? Ich habe heute andere Dinge vor“, behauptete ich, doch ich schien nicht wirklich überzeugend zu sein, denn Ryan hob nur eine Augenbraue. „Ach ja, was denn?“, fragte er trocken und ich errötete. Ich tat selten etwas außer arbeiten oder Zeit mit meiner Tochter zu verbringen. Als jemand der nicht auf die Unterstützung meiner Eltern zählen konnte, war das meine einzige Möglichkeit meinen Tag zu füllen. Und auch wenn ich mich manchmal nach ein paar Minuten Ruhe oder Zeit für mich sehnte, abseits der Zeit in der Zoe bereits in ihrem Bettchen schlummerte, würde ich mit niemandem tauschen wollen. Ohne Zoe, würde ich jetzt in einem Job feststecken, den ich hasste und wahrscheinlich einen potentiellen Spießer nach dem anderen von meiner Mutter vorgestellt werden. Natürlich, es war alles andere als einfach und auch ich hatte mich schon einige Nächte in den Schlaf geweint, weil ich das Gefühl hatte Zoe keine gute Mutter zu sein. Aber ich wusste, dass ich es nicht schlimmer als meine Mutter machen konnte und an den guten Tagen reichte das. Zoe war auch einer der Gründe, warum ich nicht mit Ryan Eislaufen gehen konnte - aber das konnte ich ihm schlecht sagen. Also erwiderte ich schlicht: „Ich hab zuhause noch einige Dinge um die ich mich dringend kümmern muss... Vielleicht ein anderes Mal“. Ich hoffte dass Ryan dieses vage Versprechen reichen würde, um von mir abzulassen - aber es war schließlich Ryan, weshalb das natürlich nicht funktionierte. Er warf mir ein spitzbübisches Grinsen zu und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das habe ich schon mit deiner Kollegin geklärt und sie meinte, dass sie sich darum kümmern kann“. Das war es also was Adelia mit Ryan besprochen hatte... Aber sie hatte ihm doch nicht von Zoe erzählt... oder? Argwöhnisch musterte ich Ryan, konnte jedoch nichts Verdächtiges entdecken. Sein Grinsen vertiefte sich ein wenig und er beugte sich etwas zu mir runter und raunte: „Deine Kollegin war sehr viel gesprächiger als du - sie hat mir ein paar sehr interessante Dinge erzählt...“. Mir schoss die Röte ins Gesicht, denn ich kannte Adelias Redeseligkeit nur zu gut und hoffte dass sie nichts allzu Peinliches erzählt hatte - Zoe schien sie glücklicherweise nicht erwähnt zu haben, denn sonst hätte Ryan anders reagiert. Ich drückte Ryan weg und stieß die angehaltene Luft aus. „Meinetwegen, gehen wir Eislaufen. Lässt du mich danach in Ruhe?“, gab ich nach und ein siegesgewisses Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Vielleicht“, war die frustrierende Antwort, bevor er überraschend meine Hand ergriff und mich mit sich zog, was mir ein erschrockenes Quietschen entlockte. „Komm schon, Zwerg! Wollen wir doch mal testen, ob du auf dem Eis noch genauso schnell bist wie damals“.

Eine halbe Stunde später, standen wir vor einem kleinem, zugefrorenem Teich, der versteckt in einem Wald lag. Misstrauisch betrachtete ich die Eisfläche vor mir. „Das ist aber keine Eishalle“, stellte ich fest und bekam direkt die Retourkutsche für diese wenig intelligente Bemerkung. „No shit Sherlock“, bemerkte er trocken und reichte mir ein Paar Schlittschuhe, die er in einer Tasche mitgebracht hatte. Ich warf ein Blick auf die Schuhgröße und stellte erstaunt fest, dass es die Richtige war. Wie genau hatte er mich betrachtet, um das festzustellen? Ich blickte zu Ryan, der gerade eine Decke über einer Bank ausbreitete, die am Teich stand. Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er mir mich zu setzen und griff selbst nach seinem Paar Schlittschuhe um sie anzuziehen. Als wir beide unsere Schlittschuhe anhatte und zum Ufer gestakst waren, blieb ich unschlüssig stehen. „Meinst du wirklich, das Eis hält das aus?“, fragte ich zweifelnd und sah zu Ryan hinüber. Dieser setzte erste eine Kufe und dann die andere aufs Eis, bevor er sich zu mir umdrehte und mir mit einem Lächeln die Hand entgegenhielt. „Probieren geht über Studieren, I guess“.

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Wir haben schon fast Halbzeit 😱.

Hoffen wir mal das alles so hinhaut, wie ich es mir wünsche ❤️

Diese Geschichte bekommt übrigens bald ein Cover von der talentierten JSM1294. Sie hat mir einfach so ein Cover gestaltet und es ist richtig schön 😭❤️

Okay, das wars auch schon

Die Liebesbäckerei -  eine Adventskalendergeschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt