Cinq.

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„Wir gehen ins Studio." rief Juju durch die Tür, während ich an meinem Laptop saß und die Emails abarbeitete. Raf hatte seit dem Vorfall mit John nicht mehr mit mir geredet. Ich vermutete, dass er nicht sauer auf mich war, wenn dann nur enttäuscht, dass ich mich auf John eingelassen hatte. Ich war ja auch enttäuscht von mir selbst.
Genervt legte ich meinen Laptop beiseite und legte mein Gesicht in das Kissen.
Als ich wieder nach Luft schnappte, setzte ich mich dann auf und überlegte ob ich eine kleine Pause machen sollte. Ich müsste ja nun allein sein in dem Haus.

Ich tapste hinunter in die Küche und kramte dort dann eine Kaffeetasse aus dem Hängeschrank. Als ich plötzlich schritte hinter mir hörte, zuckte ich zusammen. „Ey du bist ja hier." hörte ich Hadis tiefe Stimme hinter mir und drehte mich um. „Auch einen Kaffee?" fragte ich ihn und zeigte dabei auf die Kaffeemaschine. „Espresso, bitte." sagte er mit einem Lächeln und setzte sich an die Küchentheke. Er packte sein Zeug aus um sich einen Joint zu drehen, während ich ihm den Espresso zubereitete.
„Du und Bonez also..." ich versteifte mich für einen Moment. „Woher...?" fragte ich verwirrt und musterte ihn dann. „Ich bin Hadi, natürlich weiß ich alles als erstes." sagte er mit einem amüsierten grinsen und nahm den Espresso zu sich, den ich ihm rüber schob. Ich senkte meinen Blick auf die Arbeitsplatte und fing an meinen Kaffee zu zubereiten. „Ach, ist doch nichts dabei. War doch vorherzusehen das ihr zwei im Bett landet." ungläubig schnellte mein Kopf in die Höhe, mein Gesicht lief knallrot an vor lauter Scham, aber auch ein wenig ärger machte sich in mir breit. „Willst du mir damit sagen, dass ich wie jede andere Schlampe bin die er bisher abgeschleppt hat?" warf ich ihm vor und fixierte seine Augen, welche groß wurden. „Nein, nein! Sorry so war das nicht gemeint, ehrlich." er atmete tief durch. „John hat einen gewissen Charm an sich, wo eigentlich keine widerstehen kann. Er weiß wie er Weiber um den Finger wickeln kann, auch wenn sie es Anfangs gar nicht wollen." erklärte er sich und sah mich mit entschuldigenden Augen an. Ich musste Hadi recht geben, John hatte mich schon immer zu irgendwas überreden können. Irgendwann musste ich wohl auch was dieses Thema betrifft schwach geworden sein. „Danke für den Espresso." Hadi stellte die kleine Tasse in die Spüle und verschwand mit seinem Joint zwischen den Lippen raus auf die Terrasse.

Die anderen waren noch immer unterwegs und so langsam wurde es auch Dunkel. Ich hatte meine Arbeit für heute erledigt und ging dann mit einem meiner Bücher die ich mitgenommen hatte nach draußen und legte mich, weit weg vom Pool entfernt, auf eine Liege und genoss den anfangenden Sonnenuntergang.
Irgendwann bemerkte ich im Hintergrund wie sich eine gackernde Schar an Frauen dem Grundstück näherte, sie kamen also endlich nachhause. Allerdings hörte ich den Wagen von Raf nicht, vermutlich machte er mal wieder eine extra Runde im Studio. Wie immer, dieser Mann kannte keine Pause. Manchmal machte ich mir doch ehrlich Sorgen um seine Gesundheit, denn obwohl er seine Karriere beendet hatte, arbeitete er mehr als davor schon. Und ihn wirklich aufhalten konnte ich nicht.
„Erina! Komm, wir haben essen besorgt!" rief Roxy, eine der besten Freundinnen von Judith, doch ich schüttelte nur den Kopf. Sie zuckte mit den Schultern und ging wieder rein, vermutlich um mit den anderen zu essen.

Mein Buch hatte mich total gefesselt, denn ich hatte nicht mal mitbekommen das Raphael neben mir  stand und mit mir redete. Er fuchtelte mit den Händen vor meinen Augen rum, was mich verwirrt blinzeln ließ. „Oh du bist schon wieder da?" ich sah mich um und bemerkte dass auch die Sonne nun fast vollständig unter gegangen war und eigentlich nur noch die Lichter auf dem Grundstück leuchteten. „Komm, du musst was essen." sagte er und hielt mir seine Hand hin. „Nein danke, ich hab keinen Hunger." antwortete ich mit einem lächeln und wollte grade weiter lesen, aber es wurde mir aus der Hand gerissen. „Du hast seit zwei Tagen nichts mehr gegessen, bitte iss was." verdutzt sah ich ihn an. Wie kam er denn bitte darauf, dass ich nichts gegessen hatte. „Natürlich, ich hab Brote gegessen als ihr unterwegs wart. Denkst du wirklich ich bin nicht imstande zu essen?" ich grinste vergnügt, doch er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht so genau ob ich dir das glauben mag. Du isst nämlich selten mit uns." machte er sich da wirklich Sorgen um mich? War das grade wirklich so, oder war ich eingeschlafen und träumte das nur? „Wirklich, ich habe gegessen. Ich lese noch das Kapitel fertig und komme dann auch rein, ja?" Versicherte ich ihm und schnappte mir wieder mein Buch. Er musterte mich für einen kurzen Moment und verschwand wieder in das Haus.
Nach einigen Minuten wurde eine Liege über den Boden gezogen. Neugierig linste ich über mein Buch hinweg und sah wie mein Chef die Liege hinter sich her zog und einen Teller voller Essen in der anderen Hand hielt. Er kam auf mich zu und stellte den Teller auf meinem Bauch ab, während er die Liege neben mir platzierte. „Chef, was wird das wenn ich fragen darf?" fragte ich verwirrt und sah ihm dabei zu wie er sich neben mich setzte. „Du gibst mir jetzt das Buch und isst." er nickte zum Teller auf meinem Bauch, doch ich hielt ihm den gleich wieder kopfschüttelnd entgegen. „Wirklich, ich habe keinen Appetit." versuchte ich ihm nochmal klar zu machen, aber er blieb stur. Er nahm mir mein Buch zum zweiten mal aus den Händen und hielt nun den Teller vor meine Nase. „Ich fütter dich." gab er ernst von sich, weshalb ich blöd grinsen musste. Raf atmete genervt aus, löffelte den Reis und hielt ihn mir vor den Mund. „Mach auf jetzt."
Ich wollte eigentlich protestieren, doch als ich den Mund geöffnet hatte schob er mir den Löffel schon in den Mund. „Gutes Mädchen." sagte er völlig unbewusst, weshalb ich mich an dem Reis verschluckte und anfing zu lachen und zu husten. „Ist ja gut, ich esse selber." ich nahm ihm den Teller aus der Hand und fing an zu Essen. Plötzlich grummelte es an meiner Seite und ich schielte zu meinem Chef. „Sag mal, hast du auch noch nichts gegessen?" fragte ich, aber er ignorierte es. „Raphael?" er sah mir in die Augen als ich seinen Namen vollständig aussprach und sah wie er anfing zu lächeln. „Ich wollte erst sicher gehen, dass du auch wirklich was gegessen hast."
Ich hatte mehr als genug auf meinem Teller, so rutschte ich ihm näher und tat das gleiche wie er vor einigen Minuten. Ich hielt ihm meinen Löffel vor die Nase. „Iss, ich will sichergehen, dass du auch was gegessen hast." wiederholte ich das was er sagte, er schmunzelte und öffnete den Mund. Das ging dann eine ganze Weile so weiter, bis dann auch endlich der Teller leer war. Wir hatten auch sehr viel zusammen gelacht, er hatte mir sogar zwischen drin aus meinem Buch vorgelesen, damit das Kapitel endlich abgeschlossen war.
Noch nie war ich meinem Chef so nahe. Also, zumindest bewusst. Bewusstlos galt nicht.
„Du hast da was." sagte Raf plötzlich und kam mir vorsichtig näher. Seine Hand hielt er an meine Wange und wischte mit dem Daumen an meinem Mundwinkel vorsichtig etwas weg. Mein Herz pumpte bei dieser Berührung im Sekundentakt, seine Augen die auf meine Lippen geheftet waren ließen meine Gedanken durchdrehen. Seine Lippen waren nicht besser, am liebsten hätte ich sie geküsst. Und sein verdammter Körper... ich wollte ihn so gern unter meinen Fingern spüren.

Ich blinzelte schnell und rückte ein Stück zurück. Ich musste professionell bleiben. Kay wäre sicher sehr enttäuscht, aber ich wusste Raphael wünschte Professionalität und würde auch nicht mehr wollen. Ich war ja nur sein Mädchen für alles.

Sensazioni. || Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt