Dix.

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Ich saß mit Kay im Büro von Indipendenza und arbeitete eine kleine Liste ab, die Ronny mir im Büro hinterlassen hatte.
„Wir schlafen wirklich in der Wohnung von deinem Chef?" quiekte Kay, ich hielt ihm sofort den Mund zu und sah ihn mit einem warnenden Blick an. „Schrei doch nicht so! Das muss hier nicht gleich jeder erfahren." zischte ich und ließ langsam wieder von ihm ab. „Tschuldige... aber wirklich jetzt?" seine Augen glitzerten vor lauter Aufregung. „Ja, so hat er es zumindest mal gesagt." murmelte ich und erwischte mich dabei wie ich dämlich vor mich her grinste. „Du weißt aber das Judith auch da sein wird?" sagte ich und konnte im Augenwinkel sehen wie Kay theatralisch die Augen verdrehte. „Aber bitte nicht mit in seiner Wohnung!" ich schüttelte drauf hin den Kopf. „Nee, für sie hab ich schon ein Hotelzimmer gebucht." er atmete erleichtert aus und lehnte sich wieder zurück. „Lief denn noch was zwischen euch?" mein bester Freund war einfach unglaublich neugierig. Genervt schüttelte ich den Kopf und drückte auf Enter um eine Email abzuschicken. Kurz darauf erstellte ich einen Antrag für ein Meeting und danach dann, reservierte ich einen kompletten Club für den Releasetag vom neuen Album.
Irgendwann rauchte mir der Kopf, obwohl es nicht viel war, gabs viele Diskussionen am Telefon und Kay lenkte mich von der Arbeit ab. Irgendwann musste ich ihn wirklich noch nachhause schicken, da ich sonst nie fertig geworden wäre. Grade als ich mein Pc ausschaltete, klingelte mein Handy. Genervt ging ich ran. „Was willst du Noah?" brummte ich und packte meine Tasche. „Wow, im Urlaub gewesen und immer noch nicht erholt?" witzelte er, worauf ich gar nicht erst reagierte und abwartete.
„Du solltest mal her kommen. Am besten jetzt sofort." sagte er nun, was mich neugierig machte. „Wieso? Eigentlich muss ich in einer Stunde wieder zum Flughafen."
„Ja egal, Familie ist wichtiger oder?" damit hatte mein Bruder mich. Ich hatte keine Ahnung was schon wieder los war, aber mir kam ein ungutes Gefühl in der Magen Gegend auf. „Ja okay, aber was ist los?" ich packte mir schnell meine Schlüssel und schloss hinter mir die Tür. „Wirst du erfahren, wenn du da bist."
„Noah, ich schwöre dir, wenn das jetzt unnötig war, dann hau ich dich und nehme dir dein Auto weg!" mit diesen Worten legte ich auf und stürmte die Treppe runter, dann nahm ich den nächsten Bus um zur U-bahn zu kommen und von dort aus fuhr ich dann zu Noah und meinen Eltern.

„So was gibt es denn so dringendes?" ich setzte mich an meinen alten Platz am Tisch und nahm mein Glas Wasser entgegen, dass mir meine Mutter hin hielt. Ich ließ mein Blick über den Tisch schweifen und entdeckte einen Brief vom Krankenhaus. „Was ist das denn?" fragte ich neugierig und zeigte drauf. Da auf dem Brief der Name meines Vaters stand, sah ich ihn an und bemerkte, dass er anders als sonst aussah. „Erina, du solltest mit dem Arbeiten ein wenig zurück treten und mehr für deine Familie da sein." sagte meine Mutter nur, weshalb ich sie nun völlig verdattert ansah. „Wie, warum das denn? Ihr wolltet doch immer das ich erfolgreich werde." piepte ich völlig durcheinander und sah zu Noah, der nur die Tischdecke anstarrte. „Kind, deine Eltern sind alt geworden und irgendwann wird die Zeit uns einholen." betröppelt sah ich nun meinen Vater an. Was war nur los?
„Papa hat MS." mit runzelnder Stirn sah ich zu meinem Bruder. „Was soll das denn jetzt sein?" mein Vater nahm den Brief in die Hand, klopfte damit unsicher auf dem Tisch rum und überreichte ihn mir dann. Ich öffnete den Umschlag und sah alle nochmal an, bevor ich anfing zu lesen.

Multiple Sklerose (kurz MS) ist eine chronische entzündliche neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betrifft. Die Krankeitssymptome entstehen durch Schädigung der Nervenisolierschicht (Demyelinisierung) und Abbau von Nervenfasern und -zellen.

Die Erstsymptome der MS sind vielfältig. Spastische (= krampfartige) Lähmungen und Koordinationsstörungen sind meist ein frühes Symptom der Multiplen Sklerose. Ähnlich häufig bemerken MS-Patienten zu Beginn der Krankheit Gefühls­störungen (Taubheitsgefühl, „Ameisen­kribbeln"), die an Armen, Rumpf oder Beinen, auch fleckförmig auftreten können.

Bei ca. 30% der Patienten kommt es als erstes Anzeichen auch zu Sehstörungen. Hierbei entsteht entweder im Zentrum des Blickfeldes eines Auges ein Sehausfall, oder der Betroffene sieht nur getrübt, wie durch eine Milchglasscheibe. Gelegentlich werden auch Doppelbilder gesehen. Allgemeine Mattigkeit, rasche Ermüdbarkeit und Konzentrations­störungen zählen ebenfalls häufig zu den möglichen Frühsymptomen.

All diese Symptome müssen jedoch nicht Ausdruck einer Multiplen Sklerose sein. Deshalb ist die Diagnose „MS" eine Ausschlussdiagnose, d.h. es müssen zunächst zahlreiche andere Erkrankungen, die als Ursache für die genannten Symptome in Frage kommen, ausgeschlossen werden, bevor eine Multiple Sklerose festgestellt werden kann.

„Wie bitte?" nuschelte ich vor mich hin und blickte immer wieder zwischen dem Brief und meinem Vater hin und her. „Wie lange hast du diese Diagnose schon?" fragte ich ihn dann. „Ungefähr drei Tage nachdem du nach Dubai geflogen bist." mir klappte der Mund auf, das war doch nicht sein ernst. „Und ihr habt nicht einmal bescheid gegeben?" warf ich aufgebracht in den Raum und laß mir den Rest des Briefes durch. „Wir wollten dir den Aufenthalt nicht vermiesen. Auf den Bildern hast du so glücklich ausgesehen!" sagte meine Mutter mit Tränen in den Augen. „Ja wow, toll! Das macht es doch auch nicht besser." ich faltete den Brief wieder zusammen und packte ihn wieder in den Umschlag. „Ich bin an dem Tag auch wieder gestürzt. Die ganzen Symptome hab ich einfach ignoriert, da ich dachte, das würde einfach am alter liegen. Aber dem Arzt kam das komisch vor, so hat er mich untersucht und nach einigen Diagnosen und Untersuchungen, kam irgendwann das dabei raus." erklärte er und ich sah fassungslos in die Runde.
Wir führten noch lange ein Gespräch darüber, wie es nun mit Papa weiter gehen würde und wie ich sie unterstützen konnte. Aber das alles zu verkraften war leider nicht so einfach wie man dachte.
Zwischenzeitlich sah ich auf die Uhr und erschrak. Ich sollte längst auf dem Weg zum Flughafen sein, zwar hatte ich mich entschlossen zuhause zu bleiben, aber trotzdem musste ich Kay und Raf bescheid geben, dass es nichts werden würde.
„Ich muss kurz raus auf den Balkon." ich entschuldigte mich und verschwand mit meinem Handy am Ohr. Kay ging sofort ran, was mir klar war. „Wo bleibst du? Wir sollten längst auf dem weg sein!" ich atmete tief durch und entschuldigte mich bei ihm. „Ich erkläre dir das ein anderes mal okay? Ich wünsche dir viel Spaß in Wien!" mit Tränen in den Augen legte ich auf und rief sofort meinen Chef an, welcher sich ein wenig zeit genommen hatte um abzunehmen. „Chérie! Seid ihr schon da?" Raphael wirkte so fröhlich, ich wusste er freute sich darüber nach Wien zu fliegen und seine alten Freunde wieder zu treffen, aber ihn hinderte eigentlich ja auch nichts daran.
„Hör mal, es tut mir leid, aber ich kann nicht mit nach Wien." murmelte ich mit trauriger Stimme und konnte nur das Auto brummen hören. „Wieso?" fragte er irgendwann, weshalb ich Luft holte. „Wir haben hier grade ein familiäres Problem, das erst geklärt werden muss. Es ist doch in Ordnung wenn Kay trotzdem mit dir nach Wien fliegt, oder?"
Wieder nur Stille, beziehungsweise das brummen des Autos auf der anderen Leitung. „Ist was passiert?" ich konnte nicht so ganz einschätzen wie er grade drauf war, doch ich antwortete nur: „Ich erkläre dir das ein anderes mal. Das muss ich alles erst mal klären. Viel Spaß in Wien." murmelte ich traurig. „Okay, das ist jetzt nunmal so. Wir sehen uns die Tage. Bis dann." murmelte er nun und legte dann auf.

Wieder am Tisch redeten wir weiter, wie die Therapie nun vorgehen würde und was das für mich und Noah in Zukunft aussehen könnte.
Es war ein unbeschreiblich schreckliches Gefühl. Ich fühlte mich so ohnmächtig, da ich meinem Vater in der Situation grade nicht helfen konnte. Dabei wollte ich es so sehr.
„Musst du nicht längst am Flughafen sein?" fragte nun Noah, doch ich schüttelte den Kopf.
„Nein... Familie geht vor."

Sensazioni. || Raf CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt