18. Dezember 18.32 Uhr

21 2 2
                                    

„Ich warte hier drin, du weißt ja was du tun musst, wenn es dir zu viel wird."
Mit diesen Worten war Herr Meyer in einem kleinen, unscheinbaren Raum verschwunden und hatte Ethan vor einer, aus dunklem Holz gefertigten, Tür stehengelassen. Ethan atmete tief durch, bevor er die Tür aufstieß. Dahinter lag ein dunkelgrün gestrichenes Zimmer. An den hohen Wänden hingen Ölgemälde auf denen entweder Tiere oder Pflanzen abgebildet waren. Der kleine Kronleuchter warf warmes Licht über den Raum, hieß den Eintretenden willkommen und machte die Atmosphäre des Raumes noch etwas gemütlicher, beinhärtester heimisch.
Dieses Büro war Ethan schon immer das Liebste gewesen, vielleicht auch, weil Dr. Meyer Berufliches und Privates nie ganz trennte. Nicht auf eine gruselige, unangenehme Art, es machte ihn stattdessen sympathischer, menschlicher und vor allem nahbarer.
In der Mitte des Raumes stand ein gewaltiger Schreibtisch, welcher aus dem gleichen Holz wie die Tür gefertigt war. Darauf lag ein leeres Notizbuch und daneben mehrere Kugelschreiber, sowie ein Füllfederhalter. Hinter dem Tisch an der Wand stand ein riesiges Bücherregel vollgestopft mit Büchern, die älter waren als Ethan. Die Lederrücken und Einbände der Bücher schienen eine magische Anziehungskraft zu besitzen, welcher Ethan nur mit Mühe widerstand.
Vor dem Schreibtisch stand ein bequemer Sessel und in diesem saß ein Mann. Sein schütteres, aschblondes Haar wirkte fehl am Platz, in einem so warmen, lebhaften Zimmer. Das musste Maurizius' Vater sein, und obgleich Ethan dessen Gesicht noch nicht gesehen hatte, so ließ sich dennoch eine gewisse Ähnlichkeit in der Haltung der beiden ausmachen. Beide waren schlank und nahmen wohl eine leicht gekrümmte, nach rechts gedrehte Sitzhaltung ein.
Ethan wollte nicht noch länger gruselig im Türrahmen stehen, beherzt trat er auf den Mann zu und räusperte sich. "Hallo? Herr Schröding? Ich bin Ethan."
Der Kopf des Mannes drehte sich in Richtung Ethan. Die Ähnlichkeit zu seinem Sohn wurde jetzt nur noch deutlicher. Die schmalen Lippen und das leichte Lächeln, welches sie immerzu umspielte.
"Freut mich Ethan."
Er streckte die Hand aus und Ethan erstarrte. Fremde Leute berühren war ihm immer schon schwergefallen. Bevor sich Ethan sein weiteres Vorgehen überlegen konnte, zog Herr Schröding seine Hand zurück.
"Verzeihung, ich habe nicht nachgedacht."
"Schon gut," stammelte Ethan. Nach kurzem Zögern umrundete der Junge den Tisch und ließ sich auf dem Schreibtischstuhl des Doktor Meyers nieder. Seine Füße berührten gerade so den Boden, er kam sich unglaublich winzig vor. Seine Finger suchten unauffällig den kleinen Knopf unter der Tischplatte, von welchem Herr Meyer gesprochen hatte. Als er ihn fand, atmete er erleichtert auf, ihm war nicht bewusst gewesen, dass er die Luft angehalten hatte. Ethan hob den Blick und sah den Herrn vor sich an. I'm ehrlich zu sein hatte er nicht den leisesten Schimmer wie er ein Gespräch starten sollte, doch sein Gegenüber nahm ihm diese Aufgabe ab.
"Also Ethan, wie du dir bestimmt schon denken kannst bin ich hier um über gestern Nacht und vor allem auch Maurizius zu sprechen."
Ein Nicken seitens Ethan, die ihm schon bekannte Aura des Zimmers beruhigte ihn, wie schon viele Male zuvor.
"Ach und übrigens, nenn mich doch bitte Paul."

Was darf ich hoffen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt