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Kai

Völlig ausgepowert nach der letzten Einheit unseres Trainings, stieg ich in meinen Wagen und fuhr in Richtung der neuen Wohnung meiner Eltern. Erneut hatte ich mich umgesehen, ob irgendwelche Kameras zu sehen waren und fragte mich, ob ich jetzt wohl für längere Zeit ein solch komisches Gefühl hatte, wenn ich das Haus verließ.
Auf dem Rasen, in Stadien war mir das egal. Ich wusste zwar, dass mir viele Leute beim spielen zu sahen, doch da konnte ich mich auf das Fußballspielen konzentrieren, ich machte einfach meinen Job. Aber so, wehrlos, ohne jegliche Ablenkung fühlte ich mich den Kameras, die wahrscheinlich gar nicht da waren, ausgelifert. 
Ich war noch nicht oft in der neuen Wohnung meiner Eltern gewesen, doch ich fand den Weg ziemlich gut und parkte bereits nach wenigen Minuten auf ihrem Parkplatz.
Die ganze Fahrt war ich nicht nervös gewesen, doch jetzt begann mein Herz zu pochen und meine Hände begannen leicht schwitzig zu werden.
Ich drückte auf die Klingel und hörte direkt das laute Hundebellen ihres Hundes, Cookie. Die Tür öffnete sich und sofort rannte mir ein Schwarzer Goldador, ein Mischling aus einem Golden Retriever und einem Labrador, entgegen und huschte zwischen meinen Beinen umher. Ich lachte nur und begrüßte Cookie, indem ich mich zu ihm kniete und ihn streichelte. "Oh, na sie an." , hörte ich nur die Stimme meines Vaters, was mich auf sehen ließ. Er trug immer noch seine Polizei Uniform, offenbar musste er gerade erst heim gekommen sein. Ich stand auf, schickte Cookie rein und schloss die Tür hinter mir, bevor ich meinem Vater eine kurze Umarmung gab. Dann trat auch schon meine Mutter in den Eingangsbereich. "Oh, Kai. Endlich kommst du uns mal wieder besuchen." , sagte sie in ihrem alltäglich, fast schon wieder manenden Ton, als wollte sie mir ganz bewusst vermitteln, dass ich zu wenig kam.
Meine Mutter und ich ließen uns auf dem Sofa nieder, während mein Vater sich umzog. Sofort sprach sie mich auf das vergangene Fußballspiel an und sagte mir immer wieder, wie stolz sie auf mich war und, wie sehr sie es bedauerte, nicht live im Stadion dabei gewesen zu sein.
Schließlich nahm auch mein Vater in dem kleinen Wohnzimmer Platz und mir wurde klar, dass jetzt der Moment war, um es ihnen zu sagen. "Ähm, ich wollte euch noch etwas erzählen." , begann ich mit klopfendem Herzen, woraufhin meine Mutter nur ein "Ach?" von sich gab und mein Vater mich nur neugierig an sah. "Ich habe jemanden kennengelernt."
Meine Mutter sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, mein Vater blieb ruhig. "Du lernst doch andauernd jemanden kennen." , sagte sie skeptisch.
"So eine nicht." , sagte ich, ohne darüber nach zu denken und meinte es konplett ehrlich. Ich sah Srah vor mir, wie sie anfangs so unsicher und schüchtern war und mir dann immer mehr von sich gezeigt hat, immer mehr von sich erzählt. Nach einer Pause, in der meine Eltern mich gemustert haben, fügte ich hinzu: "Ich mag sie wirklich."
Jetzt lächelte meine Mutter, meines Vaters Emotionen konnte ich immer noch nicht deuten.
"Soso, und wie heißt die junge Dame denn? Kennen wir sie?" Jetzt hatte ich eindeutig die Neugier meiner Mutter geweckt. "Sarah Kimmich, heißt sie. Sie ist die Schwester von Joshua Kimmich, meinem Mannschaftskollegen." Es fühlte sich zu gleich gut, aber auch komisch an, so über Sarah zu reden, doch eigentlich war ich nur erleichtert und froh, dass ich es jetzt endlich gesagt hatte. Jetzt wussten alle Bescheid, von denen ich wollte, dass sie es wissen. Und was mich auch glücklich machte, ist die Tatsache, dass sie es von mir erfahren haben, nicht von irgendso einer Fernsehserie, die nichts besseres zu tun hatte, als über das Leben anderer zu reden.
"Soso." Meine Mutter wiederholte sich, lächelte mich aber immer noch mit diesem vielsagendem Lächeln an. Ich glaube, sie wollte mehr fragen, traute sich aber nicht wirklich. Sie wollte, dass ich es von alleine erzähle. Ich sah zu meinem Vater, der immer noch nichts gesagt hatte, was ich nicht wirklich schlimm fand. Er sprach nicht gerne über sowas, aber ich wusste, dass er sich freute, er zeigte seine Gefühle nur nicht so gerne.
Ich begann mich darauf zu konzentrieren, Cookie gleichmäßig über sein pechschwarzes Fell zu streicheln, während sich meine Mutter wahrscheinlich gerade fragte, was sie als nächstes sagen oder fragen könnte. "Ich freu mich für dich Kai." , begann sie und nach einem kurzen Blick zu meinem Vater, fügte sie hinzu: "Wir freuen uns für dich."
"Danke." , sagte ich und lächelte beide an. Ich sehe es nicht als selbstverständlich, zwei solch verständnisvolle Eltern zu haben und automatisch fragte ich mich, warum ich eigentlich so aufgeregt gewesen war.
"Jetzt sind alle meine Kinder vergeben." , sagte sie und blickte dabei ins nichts. Sie hatte recht, Jan hatte schon seit mehreren Jahren eine Freundin, Melanie, und ich glaubte auch, dass die beiden sich nicht mehr trennen würden und Lena hatte mittlerweile auch seit einem Jahr einen Freund, Mark. Wir verstanden uns alle super untereinander, wir waren ja auch alle im gleichem Altersbereich. Ich würde auch sagen, Mark, Jan und ich waren ein super Dreiergespann und auch Melanie und Lena verstanden sich super. Automatisch stellte ich mir vor, Sarah würde irgendwann mit ihnen ebenfalls ein Dreiergespann bilden. Diese Vorstellung gefiel mir, ich konnte es sogar kaum erwarten, Sarah endlich meiner Familie vorzustellen.
Nachdem wir Schlussendlich noch ein anderes Thema gehabt hatten, stand ich schließlich auf, um mich auf den Heimweg zu machen.
"Bring Sarah doch mal nächstes Wochenende zum Essen vorbei. Ich würde sie liebend gern kennenlernen. Vielleicht kommen deine Geschwister und der Rest ja auch."
"Ja, Mama. Ich kann sie ja mal fragen." , sagte ich und nahm sie nochmals in den Arm.
Nachdem ich den beiden versprochen hatte, ihnen Bescheid zu geben, wann wir flogen und landeten, da wir ja bereits Übermorgen Richtung Nordirland aufbrachen, verließ ich schließlich die kleine Wohnung. 

In meinem Auto sitzend, schrieb ich als Erstes Sarah. Ich hatte das Bedürfnis, ihre Stimme zu hören, auch wenn sie noch so klar in meinem Ohr war. Habe jetzt mit meinen Eltern geredet. Zeit zum telefonieren?
Angekommen in meinem Hotelzimmer, in dem ich wohnte, bis das Trainingslager in München vorbei war, hatte Sarah mir weder geantwortet, noch die Nachricht überhaupt gelesen.
Ich schrieb ihr noch eine: Alles gut bei dir? Mache mir Sorgen.
Ich wollte nicht zu aufdringlich sein, weshalb ich erstmal in Ruhe das Hotelzimmer aufräumte, überall lag Wäsche, die ich noch dem Dfb wiederbringen musste, damit jemand sie wusch und mir wieder gab. Doch auch nach einer weiteren halben Stunde hatte ich kein Lebenszeichen von Sarah. Was war da los?
Ich machte mir Sorgen, wartete aber trotzdem noch eine weitere halbe Stunde, bevor ich mir kurzerhand meine Autoschlüssel schnappte und mein Zimmer stürmisch verließ. Ich musste jetzt zu Sarah, musste sie sehen, ihre Stimme hören, ihre süßen Lippen spühren, ich musste sichergehen, dass alles gut bei ihr war.

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