I. A bunch of lilies 💐

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[Diese Kurzgeschichte erschien erstmals in meinem Werk 'Parallel Universe'.]

"All you need is love and flowers."

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Ich kann kaum glauben, dass ich es heute wirklich einmal pünktlich aus dem Büro geschafft habe. Als Auszubildender muss man wohl oder übel damit rechnen, kurz vor Feierabend noch einen Berg Arbeit aufgedrückt zu bekommen.

Alles Dinge, die höchste Priorität haben und vor dem Wochenende erledigt werden müssen. Jede Woche dasselbe Affentheater. Doch nicht mit mir. Nicht heute, am Geburtstag meiner kleinen Schwester Izzy.

Ich hatte ihr nämlich hoch und heilig versprochen, es dieses Jahr pünktlich zu ihrer Geburtstagsfeier zu schaffen und den schönsten Blumenstrauß zu besorgen, den sie je von mir bekommen hat.

Zugegeben, er war unverschämt teuer, aber ich dachte die ganze Zeit an das strahlende Gesicht meiner Schwester, wenn ich ihr diesen wunderbaren bunten Frühlingstrauß überreiche. Ein wahres Frühlingserwachen.

Den ganzen Tag schon konnte ich die Blumen auf meinem Bürotisch bestaunen und wurde ständig gefragt, ob man mir gratulieren könne. Vermutlich hätte ich auch einfach behaupten können Geburtstag zu haben, um mir dadurch einen noch früheren Feierabend zu sichern.

Ich wette, niemand wäre bei dieser Aussage stutzig geworden, obwohl ich bereits vergangenen Winter Geburtstag und für die ganze Belegschaft Kuchen gebacken hatte.
Allerdings backt in meinem Betrieb ständig jemand Kuchen und oftmals werden sich extra dafür  absurde Anlässe ausgedacht.

Letztlich sind meine Kollegen alle durch die Bank weg Zuckerjunkies, die verbittert und griesgrämig werden, sobald einmal ihr Zuckerhaushalt nicht aufgefüllt ist. Dasselbe gilt für Koffein. Die Zombies aus Resident Evil sind nichts gegen meine Arbeitskollegen, wenn Sie nicht morgens zum Dienstbeginn gleich ihren heißgeliebten Kaffee bekommen.

Gedankenversunken schlendere ich zu Bushaltestelle und genieße dabei die warmen Sonnenstrahlen der frühen Abendsonne auf meinem Gesicht. Obwohl ich tiefenentspannt bin, habe ich dennoch das Gefühl etwas Wichtiges vergessen zu haben. Doch ganz gleich wie sehr ich mich auch bemühe, ich bekomme den entscheidenden Gedanken nicht zu fassen. Vielleicht war es nichts Weltbewegendes.

Nur noch wenige Minuten, ehe die Buslinie 513 meine Haltestelle passiert und mich zu meinem Elternhaus bringt. Heute ist wahrlich das perfekte Wetter zum Grillen. Sicherlich steht mein Dad schon hibbelig in seiner knallroten Schürze am Grill und gönnt sich nebenher ein frisch gekühltes Bier, während meine Mutter die geladenen Partygäste mit ihrer lebensfrohen Art bezirzt.

Im Augenwinkel nehme ich ein älteres Ehepaar wahr, das gemeinsam mit mir auf den nahenden Bus zu warten scheint. Beide tragen ein seliges Lächeln auf den Lippen und halten sich liebevoll in den Armen. Sie wirken glücklich. Heutzutage ein Anblick, der meines Erachtens immer seltener wird.

Die Dame hält einen hübschen Strauß gelber Tulpen in ihrer linken Hand und ich frage mich unweigerlich, ob sie ein Geschenk ihres Mannes sind, der ihr zärtlich über den Rücken streichelt. Solche kleinen Gesten haben immer noch die größte Wirkung.

Beim Betrachten der Blumen fällt es mir schlagartig wie Schuppen von den Augen und ich bekomme endlich den entscheidenden Wink, zu meinem Leidwesen frontal und mit dem Vorschlaghammer.

Ich reagiere mit Schnappatmung und fasse mir krampfhaft an die Brust. Fassungslos schließe ich die Augen und unterdrücke nur mit Mühe meine aufkeimende Wut und Frustration über meine eigene Dummheit.

Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻‍♂️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt