Ich staune nicht schlecht als mich ein himmelblaues Cabrio erwartet. Am Steuer sitzt der äußerst attraktive junge Mann, der die Hauptrolle in meinen Sommernachtsfantasien spielen könnte.
Eilig steige ich in den Wagen und mache es mir auf dem schmiegsamen ledernen Beifahrersitz bequem. Ich genieße den frischen Fahrtwind und schließe genüsslich die Augen. Es ist das erste Mal, dass ich in einem Cabriolet sitze. Ich kann gut verstehen, weshalb sich viele eins kaufen.
"Du solltest die Blumen nicht allzu krampfhaft umklammern", rät mir mein Fahrer und lässt mich mit seiner Aussage abrupt die Augen aufschlagen.
"Entschuldige."
"Bei mir musst du dich nicht entschuldigen. Die Klageschreie der Lilien waren nicht zu überhören", lacht er fröhlich und braust mit mir über verlassene Straßen und Feldwege."Sehr witzig", tue ich seine Bemerkung ungläubig ab.
"Glaubst du nicht, dass Blumen kommunizieren?" Ehrlich gesagt habe ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht. Blumen sind Lebewesen, ebenso wie Tiere und Menschen."Sie sprechen, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Man muss nur lernen ihren Worten zu lauschen", verrät mir mein Blumenfreund. Er scheint wirklich ein feiner Kerl zu sein.
Verträumt betrachte ich sein liebliches Gesicht, welches neckend von der Sonne umspielt wird.
"Welche Blumen magst du besonders?", frage ich ihn frei heraus.Er wirkt überrascht über meine Neugier, fragt mich dann jedoch:
"Hast du nicht die vielen Hyazinthen in meinem Garten gesehen?"
"Da waren so viele Blumen, da habe ich leicht den Überblick verloren", gestehe ich ihm mit einem schiefen Lächeln.Nickend und verständnisvoll akzeptiert er meine mangelnden Botanikkenntnisse und erwidert:
"Ich freue mich jedes Jahr auf ihr Erwachen in den verschiedensten Farben. Lediglich weiße und bordeauxfarbene Hyazinthen fehlen mir noch", erzählt er mir euphorisch. Es muss schön sein, sich seiner Leidenschaft und seinem Hobby hingeben zu können."Wohnst du allein in dem riesigen Haus?", sprudelt es plötzlich aus mir heraus. Ich möchte mehr über den Fremden erfahren, der mir schon jetzt seltsam vertraut erscheint.
"Warum fragst du?"
"Nur so", antworte ich ihm und strecke meinen rechten Arm hinaus, der so gleich vom kühlen Fahrtwind geküsst wird. Als ich schon glaube, keine Antwort mehr auf meine Frage zu bekommen, höre ich die sanfte Stimme neben mir sagen:"Nein, ich wohne mit meinen Eltern dort. Sie wohnen im Erdgeschoss, ich im oberen Stockwerk. Die Miete ist günstig und ich habe meinen Freiraum. Ein eigenes Haus könnte ich mir nie leisten. Zumindest nicht derzeit. Außerdem liebe ich unseren Garten und die friedliche Stille. Darauf könnte ich nicht verzichten. Daher kommt eine Wohnung in der Innenstadt für mich nicht in Frage", gesteht er mir offen.
"Es tut mir leid, dass ich mich einfach an deinen Blumen bedient habe. Ich war verzweifelt und sah keine andere Möglichkeit." Das schlechte Gewissen spricht ganz deutlich zu mir und doch bin ich irgendwie froh, wie sich alles entwickelt hat.
"Das klingt beinahe so, als ob du dem Drogenrausch oder der Prostitution verfallen bist", kommentiert er giggelnd. Laut lachend reagiere ich auf seinen äußerst unpassenden Vergleich und lehne meinen Kopf entspannt zurück. Allmählich beruhige ich mich wieder, was bleibt ist ein breites Grinsen in meinem Gesicht.
"Ja okay. Ich liebe meine Blumen. Aber du hast sie glücklicherweise gut beschnitten. Sie werden neue Knospen und Blüten bilden. Mach dir keinen Kopf", beruhigt mich mein Sitznachbar.
"Ich glaube, wir sind da", verkündet er und geht sanft auf die Bremse. Überrascht richte ich mich auf und sehe mich um. Er hat recht. Ich entdecke meine Tante, die mit meiner Cousine geradewegs auf die Eingangstür zum Haus meiner Eltern laufen. Zwischen ihnen flattert ein goldener Luftballon mit einer großen Achtzehn drauf.
Die Auffahrt ist bereits durch dutzende Autos zugeparkt und ich bin mir sicher, dass noch längst nicht alle Gäste da sind. Meine Mutter faselte etwas von vierzig Gästen. Keine Ahnung, wo sie die alle in unserem Garten unterbringen wollen.
"Oha, hier ist ja bereits eine riesen Party im Gange", staunt mein Fahrer nicht schlecht. "Ach ja. Nochmal achtzehn sein", schwärmt er theatralisch. Verdutzt blicke ich zu ihm und spüre, wie meine linke Augenbraue sich intuitiv nach oben wölbt.
"Wie alt bist du?", frage ich ihn direkt.
"Zwanzig", antwortet er prompt. "Der Verfall hat bereits begonnen", ergänzt er tief seufzend.
Kopfschüttelnd löse ich meinen Gurt.
"Ich glaube zwanzig ist etwas früh, um sich Sorgen über den menschlichen Verfall zu machen", kichere ich und halte augenblicklich inne als ich erkenne, dass hier unsere gemeinsame Geschichte endet. Ich werde ihn nie wiedersehen.Betrübt blicke ich in seine tiefbraunen Augen, die Wärme und Vertrauen vermitteln.
"Geh schon", ermutigt er mich.
"Du könntest mitkommen. Zwischen den ganzen Partygästen fällst du sicherlich nicht auf", schlage ich ihm kurzerhand vor.
"Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment sehen soll", entgegnet er skeptisch.Nachdenklich betrachtet er mich und streicht mir eine ungezähmte Locke aus der Stirn. Instinktiv schließe ich die Augen und genieße den kurzen Augenblick, in dem seine Finger hauchzart auf meine Stirn treffen.
"Wie würdest du mich vorstellen, wenn man dich fragen würde?", will er wissen. "Unser Kennenlernen wäre sicherlich eine äußerst unterhaltsame Anekdote auf der Geburtstagsparty deiner Schwester", versichert er mir ohne meine Antwort abzuwarten.
"Du hast Recht. Vergiss, dass ich was gesagt habe. Danke für alles." Mit einem Hauch Enttäuschung öffne ich die Wagentür und will gerade das äußert bequeme Cabrio verlassen als ich am Arm zurückgehalten werde.
"Warte", höre ich seine sanfte Stimme bittend hinter mir. Die Schläge meines Herzens werden schneller und stimmen einen ganz neuen Rhythmus an. Zögerlich wende ich mich meinem Chauffeur zu, dessen Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt ist. Ich kann nicht verhindern, dass mein Blick auf seine zartrosanen Lippen fällt.
Es zieht mich zu ihnen und ich stelle mir vor, wie sie weich und mit prickelnder Leidenschaft auf meine treffen. Doch ich halte mich zurück, möchte meinen Gegenüber nicht verschrecken, obwohl er keine Berührungsängste zu haben scheint.
Seine warmen Finger streicheln sanft über meine Wange, hinterlassen eine glühende Hitze auf meiner Haut.
"Wenn du das nächste Mal einen Blumenstrauß benötigst, darfst du dich gern wieder in meinem Garten verirren", säuselt er mir lächelnd zu.Ein bittersüßer Abschied, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Ich sehe dem Fremden hinterher, auch dann noch als ich sein himmelblaues Cabrio nur noch erahnen kann. Was bleibt sind die Lilien in meiner Hand, die die Farbe der Sonne tragen.
Stumm sende ich ein Gebet zum Himmel und hoffe, dass sich unsere Wege eines Tages erneut kreuzen werden. Vielleicht bringe ich dann den Mut auf, ihn nicht wieder gehen zu lassen. Doch in diesem Augenblick scheint diese Chance verstrichen zu sein.
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻♂️
Fanfiction[Abgeschlossen] [etstmals veröffentlicht im April-Oktober 2021 in 'Parallel Universe'] [⚠️Achtung Erwachseneninhalt!⚠️] "... Kann ich dir irgendwie behilflich sein?", erklingt eine männliche Stimme hinter mir. Das Herz rutscht mir in die Hose und...