II. The flower thief 💐🏃🏻‍♂️

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"Kann ich dir irgendwie behilflich sein?", erklingt eine männliche Stimme. Das Herz rutscht mir in die Hose und ich verfluche sogleich den Moment, in dem ich über diesen verdammten Gartenzaun gesprungen bin und dachte, ich könnte ungeschoren davonkommen.

Jetzt gehöre ich wohl auch zu den Irren, die sich in fremden Gärten herumtreiben. 'Was habe ich mir nur gedacht?'

Ich wünschte, ich hätte die beste Ausrede der Welt parat. Doch wohlmöglich könnte auch diese mich nicht vor einer Blamage und Anzeige retten.

Kurzweilig denke ich darüber nach fluchtartig zu türmen und darauf zu hoffen, dass dem Besitzer dieses Grundstücks später auf dem Polizeirevier deutliche Erinnerungslücken beim Erstellen einer Phantomzeichnung plagen.

"Bitte rufen Sie nicht die Polizei. Ich hatte keine schlechten Absichten", verteidige ich mich und drehe mich mit erhobenen Armen und den gestohlenen Blumen zu dem Mann hinter mir um.

Ich staune nicht schlecht, als ich in sein junges und exotisches Gesicht blicke. Er kann nur wenige Jahre älter sein als ich.

"Ist das so? Was könnte einen jungen Mann dazu bewegen, sich in fremde Gärten zu schleichen und zu einem Blumendieb zu mutieren?", erkundigt er sich mit gerunzelter Stirn und doch kann ich nur einen Hauch von Entrüstung in seiner Mimik ablesen.

"Die Blumen sind für meine Schwester. Sie hat heute Geburtstag und ich hatte ihr einen wunderschönen Blumenstrauß versprochen", gestehe ich reumütig und lasse meine Arme sinken.

"Aber du hast kein Geld dafür", ergänzt er meine Beichte mit einer Selbstverständlichkeit, dass es schon fast arrogant wirkt.
"Doch. Ich meine, ich habe nicht viel Geld. Als Auszubildender verdient man sich schließlich keine goldene Nase", verteidige ich mich. Mein Gegenüber macht nicht den Eindruck, als ob er meine Ausflüchte hören will. Abwehrend verschränkt er die Arme vor die Brust.

Seine Bizepse treten dabei deutlich hervor und locken mich förmlich, sie anerkennend zu bestaunen.
"Ich hatte einen wirklich prächtigen Frühlingsstrauß mit bunten Lilien besorgt. Die liebt sie besonders", erzähle ich ihm, ohne meinen Blick von seinen perfekt gebräunten Armen zu nehmen.

"Leider habe ich ihn im Büro vergessen und habe es erst bemerkt als ich in den Bus steigen wollte", fahre ich weiter fort. Skeptisch mustert mich der fremde Mann, wägt ab, ob er meinen Worten wirklich glauben schenken soll.
"Und es gab keine andere Möglichkeit einen neuen Strauß zu besorgen?", will er nun von mir wissen.

"Ich hätte es nie rechtzeitig geschafft. Die nächsten Blumenläden sind unsagbar weit weg. Und einen ranzigen Blumenstrauß von der Tankstelle wollte ich jetzt auch nicht kaufen." Betrübt senke ich den Blick. Er glaubt mir sicherlich kein Wort. 'Warum sollte er auch?' Ein Dieb würde vermutlich alles sagen, um mit einem blauen Auge davon zu kommen.

"Also dachtest du, du steigst über meinen Gartenzaun und bedienst dich an meinen schönen Lilien?" Ich höre die deutliche Verärgerung in seiner Stimme. Die ganze Situation ist mir auf höchste Weise unangenehm und peinlich.

"Ich weiß, wie das klingen mag...", murmle ich und halte ihm die gestohlenen Lilien hin. Dann gibt es dieses Jahr wohl keine Blumen für meine kleine Schwester. Und zu allem Übel werde ich mich wieder verspäten.

"Was soll ich jetzt damit? Du hast sie schließlich schon abgeschnitten!", entgegnet mein Gegenüber scharf. Ich überlege krampfhaft, wie ich der Situation wieder Herr werden kann und zücke siegessicher meine Geldbörse.
"Warten Sie, ich bezahle auch dafür", erkläre ich ihm.

Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻‍♂️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt