IV. The language of flowers 👄🌺

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"Alec! Du hast es doch noch geschafft! Ich kann es gar nicht fassen!", begrüßt mich meine kleine Schwester völlig verdattert. In einem blumigen Sommerkleid stürmt sie geradewegs über die grüne Gartenwiese, direkt auf mich zu.

Einzelne schwarze Strähnen fallen ihr dabei wellig ins Gesicht, während das restliche Haar zu einem verspielten Dutt zusammengesteckt ist. Izzy sieht wirklich bezaubernd aus.

Ich komme ihr auf halber Strecke entgegen und empfange sie herzlich in meinen Armen. Es sind fast drei Monate her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Umso mehr freue ich mich heute, gemeinsam mit ihr feiern zu können.

Liebevoll und lang währt unsere Umarmung. Als wir beide noch unter einem Dach gewohnt haben, gab es Tage an denen wir uns fast gegenseitig die Augen ausgekratzt haben. Schon seltsam was ein wenig Distanz zwischen Geschwistern bewirken kann.

Ruhend stütze ich mein Kinn auf Izzys Kopf ab und rieche den vertrauten Duft ihres Shampoos, welches stets fruchtige Frische verspricht.
"Ich dachte, du hattest deinen Bus verpasst?", nuschelt Izzy fragend gegen meine Brust und sieht mit ihren tiefbraunen Augen zu mir auf.

"Das war auch so", erwidere ich wahrheitsgemäß. "Ich wurde gefahren." Allein diese Worte sind bereits zu viel und ich weiß, dass ich den inneren Sherlock in Izzy geweckt habe.

"Oh. Von wem?", erkundigt sie sich zuckersüß und mit gespielter Unschuldsmiene. Da ist wieder dieser Ton in Izzys Stimme, der mit galanter Heimtücke versucht Informationen aus mir herauszukitzeln.

Selbst wenn ich wollte, könnte ich meiner Schwester nur wenig über meinen Retter in der Not erzählen, geschweige denn Details über unser äußerst fragwürdiges Kennenlernen. 'Was würde meine Schwester wohl von mir halten, wenn sie wüsste, dass ich versucht habe in einem fremden Garten für sie Blumen zu stehlen?'

"Alec?", versucht es Izzy erneut. Bewusst weiche ich ihrem provokanten Augenduell aus und sehe stattdessen Bilder von dem schönen Fremden vor mir auftauchen. Eine nagende Schwermut erfasst mich bei der Erinnerung an die ersten und zugleich letzten Augenblicke mit diesem ungewöhnlichen Mann.

Wie gern hätte ich mehr Zeit ihm erlebt. Ich war leider nicht hartnäckig genug und habe ihn wieder gehen lassen. 'Doch wer kann es mir verübeln?' Schließlich war ich derjenige, der sich als Einbrecher probiert hat und dabei kläglich gescheitert ist. Ich war froh, dass er nicht die Polizei gerufen hat.

'Weshalb hätte ich da offensiv sein und ihn nach seiner Nummer oder einem Date fragen sollen?'

"Wieso hast du ihn nicht mitgebracht?" Nach all den Jahren kann ich meiner Schwester noch immer nichts vormachen, geschweige denn ihr Dinge verheimlichen. Manches ändert sich wohl nie. Ich glaube, sie wusste noch vor mir, dass meine Liebe zu Männern eine andere ist als die zu einer Frau.

"Ich habe ihn gerade erst kennengelernt und weiß nicht, ob ich ihn überhaupt wiedersehen kann. Ich kenne noch nicht einmal seinen Namen", erkläre ich ihr mit offenkundiger Enttäuschung über diese Tatsache und löse unsere Umarmung.

Schmunzelnd betrachtet mich meine Schwester, ehe sie erwidert:
"So fangen die schönensten Liebesgeschichten an, Brüderchen."
"Ist das so?"
"Auf jeden Fall", beharrt sie trotzig und stemmt ihre Hände in die Hüften.
"Willst du mir endlich mal meinen Geburtstagsstrauß geben oder ihn lieber selbst behalten?"

Lauthals lache ich bei ihren Worten, die mir in diesem Augenblick das Herz etwas leichter werden lassen. Ich habe ganz vergessen, dass ich die Lilien noch immer in der Hand halte. Das einzige Erinnerungstück, welches mir von der Begegnung mit meinen Blumenfreund geblieben ist.

Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻‍♂️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt