Meine Mutter wirkt sichtlich überrascht, erwidert dann aber mit einem liebevollen Lächeln: "Natürlich."
"Zufällig rote und weiße?", hake ich beiläufig nach, während ich die letzte Servierplatte von Essenresten befreie."Du hast Glück. Ich habe letztes Jahr bordeauxrote gesetzt, die diesen Sommer herrlich blühen."
"Soll ich dir welche für zu Hause abschneiden? Ich könnte dir einen hübschen Strauß binden", schlägt mir meine Mutter vor, ehe ich darum bitten kann."Das wäre großartig, allerdings ist der Strauß nicht für mich." Die letzten Worte kommen nur leise über meine Lippen.
"Sondern?"
"Für einen Bekannten, der mir in einer schwierigen Situation sehr geholfen hat. Ich würde mich gerne bei ihm bedanken. Hyazinthen sind seine Lieblingsblumen", erzähle ich ihr ruhig, obwohl mir mein Herz bei dem Gedanken an den schönen Fremden bis zum Hals schlägt.Kurz befürchte ich, dass meine Mutter weitere Fragen stellt, denen ich nur ungern Rede und Antwort stehen will. Doch meine Ängste scheinen unbegründet zu sein, denn sie erwidert: "Da wird er sich sicherlich freuen. Wohnt er denn in der Nähe?"
Zustimmend nicke ich und entlasse das Abwaschwasser hörbar aus dem Spülbecken."Meinst du, es wäre okay wenn ich mir kurz Dads Fahrrad ausleihe? Ich bin auch gleich wieder da." Ich versuche diese Frage beiläufig klingen zu lassen, aber um ehrlich zu sein, kann ich nur noch daran denken, wann und wie ich meinen Blumenfreund wiedersehen kann.
"Ich denke, das geht klar. Allerdings hatte er vergangene Woche Probleme beim Schalten der Gänge. Nimm doch meins. Dann kannst du die Blumen vorn in den Korb legen."
Ich stutze bei der Vorstellung, mit dem Fahrrad meiner Mutter durch die Straßen zu fahren. Sie scheint das zu spüren und fragt mich:
"Was? Bist du dir zu fein, um mit einem Damenfahrrad zu fahren?"Es klingt mehr Belustigung als Ärgernis über diese Feststellung in ihrer Stimme mit. Seufzend verneine ich ihre Annahme und streiche mir durch die Haare. Aus dieser Sache komme ich wohl nicht mehr galant heraus.
"Dann ist ja gut", schmunzelt meine Mutter und weist mir an ihr in den Garten zu folgen. Es dämmert bereits und ich hoffe inständig, dass ich den Weg zu meinem Retter zurückfinde.
Unbeholfen stehe ich mit den Händen in den Hosentaschen vor einem der Blumenbeete in unserem Garten und beobachte meine Mom dabei, wie sie mit kritischem Blick die schönsten Hyazinthen auserkort und abschneidet.
Anschließend bindet sie die Blumen mit einer grünlichen Kordelschnur zusammen und reicht mir einen üppigen Strauß bestehend aus weißen und weinroten Hyazinthen.
"Hier, bitte sehr.""Danke, Mom. Du bist die Beste!", lasse ich sie wissen und küsse sie liebevoll auf die Wange. "Ich beeile mich", versichere ich ihr, doch sie schüttelt mahnend den Kopf.
"Es dauert so lange wie es dauert. Es gibt kein Grund für Hast. Lebe und liebe jeden Augenblick, Alec. Denn er kommt nie wieder." Ich weiß nicht, weshalb sie das gerade sagt, aber ich bin mir sicher, dass sie nur das Beste für mich im Sinn hat. In meinem ganzen Leben haben sie und Dad mich nie daran zweifeln lassen.
Winkend verabschiede ich mich von ihr und flitze zurück ins Haus, um durch die Haustür nach draußen zu gelangen, ohne dass jemand von meiner Flucht Wind bekommt. Ich werde so schnell zurück sein, dass niemand der Gäste meine Abwesenheit bemerken wird.
Ich schnappe mir das Fahrrad meiner Mutter aus der Garage und platziere den Strauß mit den Hyazinthen in einen braunen Flechtkorb, der vorn am Lenkrad befestigt ist.
Als Ziel nehme ich mir die Bushaltestelle von heute Nachmittag vor, um von dort aus zu meinem Blumenfreund zu gelangen. 'Was blieb mir sonst übrig?' Ich habe keine große Lust in nahender Dunkelheit mit dem Fahrrad herumzuirren.
Der frische Fahrtwind ist angenehm auf meinem Gesicht und ich widerstehe dem Drang genießerisch die Augen zu schließen. Eine Begegnung mit einer eisernen Laterne würde meiner Begegnung mit meinem Blumenfreund nur im Weg stehen.
Als ich die Bushaltestelle nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche, steige ich vom Fahrrad ab und schiebe es neben mir her, während ich in eine Seitenstraße abbiege, von der ich vermute, dass es dieselbe ist, in der ich heute Nachmittag gewesen bin.
Prüfend schaue ich zur rechten und linken Seite, versuche bei dem spärlichen Licht einzelner Laternen die Grundstücke besser zu erkennen.
Nachdem ich fast so weit bin, betrübt wieder kehrt zu machen, um mein Glück in der nächsten Straße zu versuchen, entdecke ich eine große Trauerweide.'Es muss dieselbe sein', denke ich mir und gehe ein paar Schritte weiter, bis ich das Eingangstor erreiche. Das ist das richtige Haus. Ich bin mir sicher.
An einem angrenzenden Briefkasten entdecke ich den Namen 'Bane'. Ich spüre die Nervosität in meinem Innern und den Ausbruch von Schweiß in meinen Handinnenflächen.
Ich muss ja eigentlich nicht klingeln. Ich könnte die Blumen genauso gut vor die Tür legen. Mein Blumenfreund wird wissen, dass sie von mir sind. Vielleicht lege ich noch einen Zettel mit meiner Nummer dazu. Dann kann er den nächsten Schritt machen, wenn er das überhaupt beabsichtigt.
Klingt nach einem ausgeklügelten Plan. Stumm nicke ich ihn ab und öffne vorsichtig das Holztor, um das Grundstück zu betreten. Ich lasse das Fahrrad meiner Mutter nahe des Tors stehen und begebe mich dann mit dem Strauß Hyazinthen zur Eingangstür.
Mehre Lichter erhellen plötzlich die Auffahrt. Ich bekomme Panik und muss mir immer wieder Mut zurreden, damit ich mein Vorhaben in die Tat umsetze.
Obwohl ich dieses Mal nicht wie ein Einbrecher über den Zaun springe und stattdessen den Haupteingang nutze, fühle ich mich gerade wie ein Eindringling.
Die letzten Schritte zur Tür fallen mir unglaublich schwer. Von drinnen dringt kein Licht durch die Fenster. Vielleicht ist gar keiner Zuhause und ich mache mich ganz umsonst verrückt.
Prüfend blicke ich hinter mich, als ich glaube Schritte zu hören. Doch ich bin allein. Vorsichtig lege ich den Blumenstrauß auf den Boden vor die Haustür. Eine Notiz mit meiner Telefonnummer erübrigt sich augenblicklich, da ich weder Stift noch ein Blatt Papier dabei habe..
Ich merke mir einfach die Adresse und den Nachnamen. Ich könnte einen Brief hierher schicken oder ich lasse es einfach. Keine Ahnung, was ich mir hierbei gedacht habe.Hastig gehe ich zu meinem Fahrrad zurück und höre dann eine vertraute Stimme hinter mir. Eine Stimme, von der ich gerade noch dachte, sie nie wieder zu hören.
"Willst du schon wieder gehen?"
Mein Herz macht einen Satz und die Luft staut sich in meinen Lungen. 'Wie atmet man nochmal?'
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Flowers First - Der Blumendieb 💐🏃🏻♂️
Fanfiction[Abgeschlossen] [etstmals veröffentlicht im April-Oktober 2021 in 'Parallel Universe'] [⚠️Achtung Erwachseneninhalt!⚠️] "... Kann ich dir irgendwie behilflich sein?", erklingt eine männliche Stimme hinter mir. Das Herz rutscht mir in die Hose und...