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Corentín

Es stört dich, stimmts, Odette? Es gefällt dir nicht, dass ich eine andere anfasse, du warst schon immer besitzergreifend, genauso wie ich und unsere Eltern. Schlussendlich hat ihre besitzergreifende Art sie in den Tod geführt. Naive kleine Odette. Du bist zwar besitzergreifend, wiederum aber auch nicht. Du bist es für den Moment, danach verweht dieser besitzergreifende Instinkt auch schon wieder, denn ich bin dein Bruder und der Gedanke gefällt dir nicht, Odette. Es gefällt dir nicht, dass du deinem Bruder gegenüber besitzergreifend bist. Auf eine verruchte Art und Weise. Du bist zu naiv, kleine Odette. Aber das ist nicht so schlimm, desto naiver du bist, desto besser ist es für mich. Doch auch mich stört etwas, Odette. Du isst nicht vernünftig. Es kommt mir beinahe so vor, als würdest du am Rande einer Essstörung stehen. Noch einen weiteren Schritt und du wirst dem Teufelskreis verfallen. Deswegen muss ich schleunigst etwas dagegen unternehmen, Odette. Ich weiß, dass du Bacon liebst, weshalb ich welchen zubereitet habe, so wie immer, nur, dass du sie nicht angerührt hast. Doch heute ist es anders, denn ich habe dafür gesorgt, dass es in deinen Magen gelingt.
Dich macht es fertig, stimmts? Du willst es nicht essen, denn du hast schreckliche Angst vor Gewichtszunahme. Du hast eine wichtige Rolle bekommen und nun stresst du dich, Odette.
Du findest dich zu dick. Findest du dich wirklich so dick, Odette? Dein Psychologe hat dich zwar damit beauftragt, dir ein Hobby zu suchen, doch irgendwie geht das gerade in eine Richtung, die alles andere als gut ist.
Deine Albträume sind zurück, Odette. Das gefällt mir überhaupt nicht. Ich glaube, es wird Zeit, wieder Termine für dich zu vereinbaren. Vielleicht hilft es dir, Odette. So wie es dir damals geholfen hat.
Tatsächlich möchte ich dich auch nicht mehr zum Ballett schicken. Ich habe mir das lange genug mit angeschaut, meine kleine Taube. Doch ich bringe es nicht übers Herz, du hast solch einen Spaß beim Tanzen und die Leidenschaft, die du in deine Schritte steckst, kann jeder Blinde erkennen.
Seufzend schaue ich dir dabei zu, wie du deine Pirouetten dauerhaft drehst. Wird dir davon nicht schwindlig, Odette? Mir wird beinahe nur vom Zugucken schwindelig.
Meine Augen fahren deinen Körper entlang, halten an deinem Hintern an. Ich starre länger, als es für einen Bruder angemessen ist. Ich fahre mit meiner Zunge über meine spröden Lippen.
Ich sehe, wie nervös du wirst, Odette. Ich kann es sehen. Deine Pirouetten sind nicht mehr so elegant wie noch bis gerade eben. Sie sind wackelig, deine Beine sind wackelig. Du spürst meine Augen auf deinem Körper, stimmts, Odette? Und es macht dich verdammt nervös. Doch das interessiert mich nicht und insgeheim gefällt dir das doch. Bloß kannst du dir das nicht gestehen, wegen der Moral, die die Menschen aufgestellt haben. Menschen, die lügen, betrügen, verraten und wenn es darauf ankommt, jemanden verraten, die sie lieben. Das sind Menschen, Odette. Sie sind schlimmer als Tiere in der Wildnis. Ich würde dich niemals verraten, Odette.
Tiere unterscheiden sich von uns Menschen, Odette und dabei meine ich nicht den Unterschied unserer Körper, nein, ich meine ihre Denkweise. Tiere benutzen ihr Maul, um ihre Herde zu warnen, vor Gefahren, die auf sie zukommen. Oder sie fressen. Doch bei uns Menschen ist es komplett anders.
Wir werfen uns die schlimmsten Beleidigungen an die Köpfe, zerstören damit andere, machen uns fertig und das, wofür, Odette? Um unseren Stolz und unser verletztes Ego irgendwie zu pushen, dass auf eine Art und Weise gekränkt wurde.
Wir Menschen sind hinterhältig, wir sind scheinheilig, Loyalität wird bei uns Menschen nicht großgeschrieben, wie es die meisten von sich geben. Nein, Loyalität wird bei uns kleingeschrieben. Wir sind egoistisch, kennen kein Stopp und zerstören uns gegenseitig. Doch um das zu verstehen, bist du noch zu jung, Odette. Außerdem werde ich dafür sorgen, dass du es verstehst, schließlich möchte ich dich an mich binden, auch wenn du zum jetzigen Zeitpunkt schon von mir abhängig bist, reicht es mir nicht, Odette.
Dein Seufzen holt mich aus meinen Gedanken, sofort schaue ich dir in die Augen, die meinen Blick gesucht haben. ⋙Ist etwas, Corentín? ⋘, deine liebliche Stimme macht mich verrückt, Odette. Aber wie kommst du darauf, dass etwas nicht stimmt? ⋙Nicht das ich wüsste. ⋘, beantworte ich deine frage, doch die Antwort genügt dir nicht. ⋙Wieso schaust du mich dann so an? ⋘, du betonst das 'so' ziemlich stark, Odette. Ich würde meinen, du spiegelst auf das unsichtbare Knistern zwischen uns an. Um das ganze zu umgehen, lenke ich dich mit etwas anderem ab, was dir überhaupt nicht gefallen wird. Doch dies muss leider geschehen, Odette.
Du wirst ab sofort wieder deinen Psychologen besuchen. ⋘, lasse ich dich wissen, was dir anscheinend nicht zu gefallen scheint. Dein Blick spricht Bände, Odette. Der Gedanke gefällt dir nicht, du machst dir Sorgen wegen unseren 'ärmeren' Verhältnissen. Eine Sitzung ist nicht billig und das weißt du, Odette. Doch wie oft muss ich dir noch erklären, dass du dir wegen des Geldes kein Kopf machen sollst. Du weißt doch, dass ich es nicht mag, mich zu wiederholen, Odette.
Allerdings protestierst du nicht und nimmst es mit einem schwachen Kopfnicken an, ehe du dich stillschweigend wieder an deine Drehungen widmest.

  Allerdings protestierst du nicht und nimmst es mit einem schwachen Kopfnicken an, ehe du dich stillschweigend wieder an deine Drehungen widmest

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Was es für Albträume sind? 🤷🏻‍♀️

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