Odette MorelDer Gedanke, erneut meinen alten Psychologen zu besuchen, gefällt mir nicht. Doch ich widerspreche ihm nicht. Corentíns Wort ist mein Gesetz. Und das wird sich auch nicht ändern, nicht einmal in der Zukunft.
Denn dafür liebe ich ihn zu sehr. Er hat mich beschützt, mich gerettet, ihm zu gehorchen ist das Mindeste, was ich tun kann.
⋙Du wirkst daneben getreten. ⋘, höre ich die Stimme sagen, die mich aus meinen Gedanken reißt. Mein Blick schnellt von meinem Kakao mit Sahne zu seinen Augen. ⋙Tut mir leid, ich dürfte gar nicht hier sein. ⋘, entschuldige ich mich für meine Abwesenheit. Doch Corentín würde es nicht tolerieren, wenn er weiß, dass ich mit einem Jungen aus meinem Ballettkurs hier sitze. Seufzend streiche ich mir die Haare zurück, als er mich aus verwirrten Augen anstarrt und die Welt nicht zu verstehen scheint. ⋙Mein Bruder. Er ist etwas... na ja.. Etwas besitzergreifend? ⋘, sage ich, was eher wie eine Frage klingt. So ist nun mal Corentín. Er ist besitzergreifend. Eine Niete im Teilen. Seine Eifersucht kann einen Menschen umbringen, genauso wie die Eifersucht unsere Eltern schlussendlich in den Tod geführt hat. ⋙Dein Bruder braucht eindeutig einen Psychologen! Das ist doch nicht mehr normal! ⋘, gesteht mein Tanzpartner aufgebracht, was mich mit einem Schlag unwohl fühlen lässt. Wieso spricht er meinen Bruder schlecht? Er ist normal. Und etwas wie Besitzergreifen gegenüber seiner kleinen Schwester zu besitzen ist normal.
Wütend erhebe ich mich von meinem Platz, meinen Kakao mit der Sahne, die bereits geschmolzen ist, lasse ich zurück und laufe auf den Ausgang zu. ⋙Odette! ⋘, ruft Arthur, jedoch reagiere ich nicht darauf. Stur laufe ich auf die Glastür zu und möchte einfach nur nach Hause zu meinem Bruder. Wieso habe ich mich überhaupt auf ein Getränk überreden lassen? Es ist dumm von mir gewesen. Ich hätte wissen müssen, dass es so verlaufen wird, denn auch wenn ich es ignorieren möchte, kann ich das Wispern der Mädchen hören. Die Blicke der anderen spüren, wenn ich mit meinem Bruder bin. Wieso mischen sich Menschen gerne in das Leben anderer Menschen ein? Ist ihnen etwa langweilig, sodass sie sich in das Leben anderer reinquetschen müssen?
Genau als ich die Tür öffnen möchte, wird sie bereits von jemanden geöffnet und dieser jemand ist niemand anderes als Corentín. Schluckend stolpere ich einen Schritt zurück, knalle dabei gegen die Brust von jemanden, der seine Hände auf meine Schultern platziert. ⋙Ich meinte es nicht so Odette. ⋘, was ein lustiger Zufall. Ich komme mir wie in diesen klischeehaften Filmen vor, in denen die Charaktere mit jemanden erwischt werden.
Corentín hat die Augenbraue hochgezogen, seine Augen wandern zu meinen Schultern, auf denen die Hände von Arthur liegen. Panisch schüttle ich seine Hände von meinen Schultern, als ich erkenne, dass sich Corentíns Augen verdunkeln. ⋙Ist okay, Arthur. Ich muss jetzt los! ⋘, als ich dies sage, schaue ich ihm noch nicht einmal ins Gesicht. Stattdessen ergreife ich Corentíns Hand und ziehe ihn mit mir aus der Tür und lasse einen verwirrten Arthur zurück.
⋙Ich weiß, was du denkst, Corentín, aber wir haben nur etwas getrunken! ⋘, versuche ich verzweifelt die Situation zu erklären, während ich mich mit ihm an der Hand vom Café entferne. ⋙Odette. ⋘, möchte Corentín sagen, allerdings gebe ich ihm keine Gelegenheit zu sprechen, dafür bin ich zu sehr in meiner Trance. ⋙Es war nichts Besonderes, Corentín. Nur eine einfache Verabredung nach unserem Kurs! ⋘, rede ich in Trance weiter, dabei habe ich nicht mitbekommen, dass wir stehen geblieben sind.
⋙Odette! ⋘, hebt er die Stimme und zieht mich an unseren verbundenen Händen an sich. Quiekend knalle ich mit meiner Nase volle Kanne gegen seine Brust. ⋙Ich werde nichts sagen, doch wenn ich dich demnächst erwischen sollte, werde ich mich nicht zurückhalten. ⋘, diese Worte verlassen Corentíns Mund, als wäre es etwas Normales und die Drohung, die in seinem Satz mitschwimmt, etwas vollkommen Alltägliches.
Ich nicke, gebe ihm zu verstehen, dass ich es verstanden habe und es nicht erneut wagen würde. Dennoch bleibt eine Frage offen. Wie hatte er mich gefunden? ⋙Wie hast du mich gefunden? ⋘, Corentín schnalzt auf meine Frage mit der Zunge, ehe er sich zu mir runter beugt. Sein Atem prallt auf meine Lippen. Ich habe das Gefühl, jeden Augenblick um zu kippen, seine Nähe ist für mich kaum zu ertragen.
In seiner Nähe schlägt mein Herz wie wild, möchte am liebsten aus meiner Brust springen. Das Blut rauscht mir in den Ohren, lässt mich kaum meine Umgebung wahrnehmen. Ich habe das Gefühl, als würde mir jede Sekunde die Luft ausgehen.
⋙Du weißt, dass ich dich jederzeit orten kann. ⋘, raunt er nah an meinem Gesicht, kommt mir dabei etwas näher, als wolle er mich küssen. ⋙Wolltest du etwa von mir erwischt werden? Denn du wusstest, dass ich dich heute abholen komme, um dich zum Psychologen zufahren. ⋘, flüstert er kurz vor meinen Lippen, die sich nach seinen weichen Lippen sehnen. Doch mit einem Schlag wird mein Atem hektischer, als hätte er mich ertappt.Endlich konnte ich ein Kapitel schreiben! ^^
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Me+You = Transparenz
Short StoryABGESCHLOSSEN| Er befreite seine kleine Schwester aus den Fängen ihrer Eltern. Zusammen leben sie in einer kleinen Wohnung, in einer nicht gerade beachtlicher Gegend, obwohl ihr Bruder genug verdiente, um sie in ein schickes Apartment umzusiedeln...