„Wirklich, Sandryn? Wie alt bist du?" Genervt und belustigt zugleich musterte Zyron sein Gegenüber. Er war gerade auf dem Weg in die Stadt, als sein Cousin ihn abfing.
„Was ist denn schon dabei? Das dauert nicht mal eine Stunde und ich will einfach nur mal wieder etwas mit meinem Cousin unternehmen. Denn weißt du, der ist in letzter Zeit so schwer beschäftigt, dass er nicht mal mehr Gelegenheit für unsere Übungskämpfe findet. Und das, wo diese ihm doch früher so wichtig waren."
Seufzend gab Zyron nach und musste sich ein Lachen verkneifen, als die Augen des 21-jährige zufrieden aufleuchteten. Inzwischen lief die Jagd seit fünf Tagen und Sandryn hatte recht. Er hatte kaum noch Zeit für seine Verwandten und Freunde. Oder vielmehr nahm er sie sich nicht. Denn obwohl er eigentlich nicht König werden wollte, hatte Zyron doch Wettbewerbe schon immer geliebt. Und letztendlich war auch diese Jagd nichts anderes.Die ersten Tage der Jagd hatte Zyron damit verbracht, einige Vertraute in die größeren Städte des Herzogtums zu schicken. Sie sollten dort beginnen nach dem Gejagten zu suchen, während er selbst derweil die Menschen in seinem direkten Umfeld untersuchte. Sein Cousin hatte ihn ausgelacht, als er ihn ebenfalls kontrollierte, doch es stand nirgends geschrieben, dass nicht auch Angehörige der Herzogsfamilien Gejagte sein konnten.
Zudem war Zyron die Unterlagen, die er vom König erhalten hatte, mehrmals durchgegangen, sodass er sie nun fast auswendig konnte. Letztendlich stand nicht nennenswert mehr darin, als der König ihnen bereits gesagt hatte. Fünfzig Tage hatten sie Zeit denjenigen zu finden, der das Mal trug. Alle zehn Tage erhielten die Jäger einen Tipp, dazu mussten sie allerdings ins Königsschloss. Die Unterlagen hatten ferner erläutert, dass die Gejagten beim Verlassen des Herzogtums einen mit jeder Minute zunehmenden Schmerz ausgehend von ihrem Mal verspürten. Dies sollte dafür sorgen, dass sich der Gejagte auch tatsächlich im richtigen Herzogtum aufhielt. Um diesen Schmerz zu unterdrücken, hatte der Umschlag einen Ring enthalten. Dabei dachte man wohl vor allem an den Tag, wenn der Gejagte zum König gebracht wurde. Die übrigen Informationen hatte Zyron zwar zur Kenntnis genommen, doch vorerst nicht für weiter wichtig befunden. Stattdessen hatte er über eine Strategie nachgedacht, war sich aber auch nach nun fünf Tagen noch nicht sicher, wie er am besten vorgehen sollte.„Denkst du, Vater meinte das ernst?", riss ihn Sandryn aus den Gedanken. Verwirrt sah Zyron ihn an und überlegte, wovon sein Cousin wohl sprach. „Dass er mich zum Herzog machen möchte, sobald der neue König feststeht."
Ein Seufzen entwich ihm. Seit Avan sich dies in den Kopf gesetzt hatte, hatte Zyron bereits mehrmals mit seinem Onkel darüber gesprochen. Er hatte versucht ihn davon zu überzeugen zumindest noch ein Jahr zu warten. Zwar übernahm Sandryn zunehmend immer mehr Aufgaben im Herzogtum, doch bislang war immer Avan die letzte entscheidende Instanz. Das nahm seinem Cousin einiges an Druck, sodass er sich allmählich einfinden konnte. Zyron war der Meinung, es sei besser mit dem Amtswechsel zu warten, bis man wusste, wie der neue König - oder die neue Königin - die Politik beeinflusste. Doch sein Onkel wollte sein Amt wenn möglich noch in diesem Jahr abgeben. Eyreen, Sandryns Mutter, war derzeit nicht bei bester Gesundheit und Avan wollte deshalb mit ihr in wärmere Gebiete reisen.„Ich weiß es nicht, Ryn", antwortete Zyron. „Er macht sich Sorgen um deine Mutter. Sie soll möglichst bald in wärmere Gebiete, um sich vollständig erholen zu können, Avan möchte Eyreen aber nicht allein reisen lassen. Und er - ich im Übrigen auch - ist überzeugt, dass du so weit bist."
„Aber ich bin doch noch viel zu jung. Und wie soll ich denn jemals eine Frau finden, wenn ich mit den Amtsgeschäften zu tun habe?"
Beruhigend sah Zyron seinen Cousin an. „Du warst doch immer der Meinung, dass Qualifikationen und nicht Alter entscheiden sollten. Und die Qualifikation hast du." Den skeptischen Blick ignorierte er. „Und die richtige Frau wird sich so oder so finden. Wie du sagtest, du bist ja noch jung." Aufmunternd legte er seinem Cousin die Hand auf die Schulter.Inzwischen hatten sie die Schmiede erreicht und Zyron schob den Herzogssohn hinein. „Jetzt vergiss das mal für einen Augenblick. Wir sind hier, um dir ein neues Schwert zu beschaffen. Und danach wollte jemand mal wieder von mir im Schwertkampf besiegt werden, wenn ich mich recht erinnere."
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Die Jagd des Königs
FantasyÜber hundert Jahre war es her. Die letzte Jagd. Nun war es wieder so weit und der nächste König musste bestimmt werden. Akira wäre das eigentlich ziemlich egal. Wäre da nicht ein kleines Problem - sie war die Gejagte. Zyron liebte das Reiten, die N...