IX

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Seit sie der Kontrolle so knapp entkommen war, waren inzwischen drei Tage vergangen. Noch immer kam Akira das Geschehen wie ein schlechter Traum vor. Ausgerechnet der Cousin des Jägers hatte sie in letzter Sekunde vor dem Schlimmsten bewahrt.
Ihre Eltern konnten es, als sie ihnen am Abend nach der Kontrolle davon erzählte, zunächst kaum fassen. Akira konnte sehen, wie bestürzt sie waren, zu hören, dass ihre Tochter gleich um die Ecke von Soldaten aufgegriffen worden war. Allegra machte sich sofort Vorwürfe, sie zu Freya geschickt zu haben. Noch überraschter, aber sichtlich erleichtert waren die beiden, als Akira ihnen dann von dem doch glimpflichen Ausgang berichtete. Warum der Cousin des Jägers ihr jedoch geholfen hatte, war ihnen allen ein Rätsel.

Der Gefahr weiterer Kontrollen zum Trotz hatte Quentin ihr beim Frühstück aufgetragen, mittags die Lieferungen am Bahnhof für ihn abzuholen. Da er andere Termine wahrnehmen musste, hatte er nicht die Möglichkeit es selbst zu tun und Allegra ging es unverändert schlecht.

Gegen elf Uhr sah Akira ein letztes Mal nach ihrer Mutter und erkundigte sich nach ihrem Zustand. Nachdem sie im Moment nichts als Ruhe zu brauchen schien, machte Akira sich auf den Weg in den Stall, um Pferd und Wagen für die Fahrt zum Magnetbahnhof vorzubereiten.
Sie nahm eine andere Strecke als jene, auf der die Soldaten sie ins Zentrum von Atrea gefahren hatten. Diese war zwar länger und stellenweise ziemlich holprig, jedoch hatte Akira dort weniger Angst, erneut von Soldaten aufgehalten zu werden.
Glücklicherweise verlief die Fahrt ohne Unterbrechungen und wenig später stoppte das Mädchen den Wagen vor dem Bahnhof.
Nachdem Akira das Pferd angebunden hatte, lud sie die Handkarre, in der sie die Waren vom Zug zurück zum Wagen transportieren wollte, ab. Sie überzeugte sich, dass kein Soldat in Sicht war und machte sich dann auf den Weg zum Bahnsteig.

Tatsächlich war sie trotz der längeren Strecke zu früh da und musste noch einige Minuten auf die Magnetbahn warten. Zum Glück war der Bahnsteig aber leer und so setzte Akira sich für die Wartezeit auf ihre Karre.
Ihre Gedanken schweiften zum Gespräch mit Livia und Dorian vor zwei Tagen. Die beiden hatten endlich eine Bleibe gefunden, von der aus sie sich bei der Familie melden konnten. Die erste Nacht hatten sie draußen auf der Ladefläche ihres Wagens verbracht, da die Dunkelheit hereingebrochen war, bevor sie eine Siedlung erreicht hatten. Zwar waren die ersten Geschäfte in Ikardt noch nicht so erfolgreich gewesen, doch Livia und Dorian hofften, das würde sich ändern, sobald sie in eine größere Stadt kamen.

Auch Akira hatte ihren Geschwistern von den Geschehnissen der letzten Tage erzählt. Von der Begegnung mit dem Jäger in der Schmiede, von seinem Angebot und natürlich auch von der Kontrolle auf dem Marktplatz.
Das Gespräch hatte Akira gutgetan, ihr jedoch ebenfalls noch einmal mehr bewusst gemacht, wie sehr sie ihre Zwillingsschwester vermisste. Noch nie waren die beiden so lange voneinander getrennt gewesen. Normalerweise verbrachten sie fast ihre gesamte Zeit zusammen und waren es gewöhnt, alle Probleme gemeinsam zu lösen. Gerade jetzt, da Akira die Unterstützung der Schwester dringend brauchen würde, war diese viele Meilen weit weg.

Endlich fuhr die Magnetbahn ein. Akira war tatsächlich ganz froh, endlich etwas zu tun zu haben, statt die Zeit noch länger mit Grübeln zu verbringen.
Mittlerweile war sie auch nicht mehr die Einzige auf dem Bahnsteig. Noch einige andere Menschen waren gekommen, um ihre bestellten Güter abzuholen und kurz darauf fuhr noch eine weitere kleinere Bahn ein. Akira beachtete diese jedoch kaum. Stattdessen beeilte sie sich mit dem Dokument, auf dem aufgelistet war, welche Waren ihr zur Abholung zustanden, zu einem der Zuständigen zu kommen. Sie hatte keine Lust ewig in der Schlange zu stehen.

Tatsächlich gelang es ihr auch, ihren Zettel als Erste dem kräftigen, blonden Mann in die Hand zu drücken. Er musterte zunächst das Blatt Papier, dann das Mädchen vor ihm. „Das ist ja nicht gerade wenig. Hast du niemanden dabei, der dir hilft?"
Verärgert schüttelte Akira den Kopf. „Nein, das schaffe ich gut allein."
„Na, wenn du meinst", erwiderte er achselzuckend, verschwand im Waggon und drückte ihr kurz darauf die erste Kiste in den Arm.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 21, 2022 ⏰

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Die Jagd des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt