11. Narben

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P.o.v Unbekannt
Vor zwanzig Jahren

Wenn sich Marco etwas wünschte könnte, dann wäre es, dass die Sonne für immer scheint. Das die Wolken ihre Strahlen und ihre Wärme, die sie liebevoll umhüllt, nicht verstecken und das Marco diese schönen Tage immer mit seinem neuen Freund verbringen kann. Felix Patton, der Junge, der Marco an einem schrecklichen Tag seine kleine zarte Hand gereicht hat.

Es ist vielleicht drei Monate her, als sie sich kennengelernt haben. Drei Monate ist es her, als dieser kleine blonde Junge an einem stürmischen Tag wie aus dem nichts aufgetaucht ist und der seither die freien sorgenlosen Stunden miteinander verbringen.

Der Blondhaarige und der Braunhaarige schleichen sich aus ihren Häusern so oft sie können und treffen sich an der Klippe. Sie sitzen dort oder spielen etwas gemeinsam. Sie klettern auf Bäume, laufen durch den Wald, entdecken neue winzig kleine Tiere oder schlingen schweigsam nebeneinander und starren in den dunklen Nachthimmel hinauf.

Sie machen viel zusammen. Als würden beide vor etwas flüchten und sich verstecken.
Doch vor was?
Vor was verstecken sich Marco und Felix?

Marco rennt von seinen Eltern weg. Diana und Tyler McCartney, die ihr Kind auf der Couch schlafen lässt, anstatt auf einem Bett. Diana und Tyler, die ihr Kind missbrauchen und ihn Zuhause einsperrt, nicht zur Schule schickt und sich selber alles durchs Fernsehen beibringen muss. Diana und Tyler, die Drogen nehmen aber nie auch nur einmal Alkoholintus haben.

Marco rennt und rennt, doch nie weit genug, dass er ihnen entkommen kann. Nie weit genug, dass seine Wunden heilen könnten. Doch gerade noch weit genug, dass er kurz abschalten kann. Gerade noch weit genug, dass er kurz vergessen kann, wieso und weswegen er überhaupt weglaufen ist.

Und Felix; Was ist mit Felix Patton?
Wovor rennt er weg?

Marco weiß es nicht, aber er fragt sich schon seit sie sich kennen, was diesen mysteriösen Jungen hierher gebracht hat. Was macht so ein Junge, der im Gegensatz zu Marco saubere Kleidung an hat und kaum so wirkt, als wäre er verletzt, als hätte er Wunden? Aber seine Wunden sind äußerlich nicht erkennbar, denn Felix zerbricht von Innen.

Das blonde dünne Kind zerbricht von Innen, sucht Halt an irgendjemanden und schweigt dennoch wie ein Grab, als er jemanden gefunden hat, dem es vielleicht genau so ergehen könnte. Doch vielleicht ist das der Grund, wieso er schweigt. Vielleicht will er, dass sie nicht gemeinsam leiden müssen. Das einer dem anderen leidtut und für den anderen Schmerzen empfindet.

Marco hat seine Narben oft gesehen. Wenn er sich auszog und die Wärme der wunderschönen großen Sonne auf seinem Bauch genoss. Manchmal hat Marco gedacht, dass Felix deswegen angesprochen werden möchte, doch dazu hat er viel zu sehr angst. Vielleicht will er nicht drüber reden, denkt sie Marco immer, was ihn dazu verleitet, ihn doch nicht zu fragen.

Aber was wenn er doch deswegen gefragt werden möchte, weil er selbst angst hat drüber zu reden, da er denkt, es wäre egal wie es ihm geht?

Sie sind noch jung. Was sollen sie schon tun?
Marco würde ihn noch fragen. Heute noch vielleicht.

Heute, während die Sonne ihnen die Liebe und Geborgenheit schenkt, die sie sonst nicht bekommen. Wobei sie nebeneinander liegen, die Arme hinter ihren Köpfe verschränkt und die Augen geschlossen. Zu hören sind nur die Vögeln die zwitschern und ab und an ein Rascheln im Hintergrund, das Marcos Herz verängstigt höher schlagen lässt.

Nach einer Weile, in der keiner etwas sagt, öffnet Marco seine Augen und blickt zu seinem Freund rüber. Überraschenderweise liegt sein Blick schon auf Marco. Als ihre Augen aufeinandertreffen sagen sie immer noch kein Wort, starren den anderen an. Felix ist ein süßer kleiner Junge, genau so wie Marco und doch sind sie unterschiedlich.

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