8. Krieger

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Vor zwanzig Jahren

Es ist ein schöner Tag heute. Der Himmel ist strahlend klar. Vereinzelt sind Wolken zu sehen. Die Sonne versteckt sich halb hinter einer fluffig weißen Wolke. Sie strahlt genug Wärme aus, um meinem zitternden Körper in eine Art Umarmung zu umhüllen.

Ich schließe die Augen, atme tief durch und halte mein Gesicht Richtung Sonne. Sie trocknet meine nassen dunklen Haare. Ich war duschen, bevor ich hier an der Klippe gekommen bin. Meine Haare wurden zwar in einem Tuch gehalten, damit sie trocknen aber als ich mich aus dem Haus geschlichen habe, hab ich das Tuch von meinen Haaren genommen.

Die wärmenden Sonnenstrahlen fühlen sich wunderbar an und wickeln mich in ein schwebevolles Glücksgefühl. Mein Körper zittert zwar noch und die Erinnerung an heute ist zwar noch präsent, aber sie liegt jetzt im Hintergrund meines Bewusstseins. Was jetzt zählt ist die Sonne und ihre Wärme.

Und mein Freund, der wie ich mit geschlossenen Augen das schöne Wetter genießt. Es ist selten so erholsam warm. Als ich zu Felix sehen, kann ich erkennen, wie froh er drüber ist, das es so ruhig und warm heute ist. Er hatte das wahrscheinlich so sehr wie ich gebraucht.

Wir beide lassen unsere Füße über die Klippe baumeln. Felix liegt auf dem Rücken, während ich mich mit meinen Händen auf dem Boden abstütze. Seine blonden Haare glänzen golden und bewegen sich leicht mit dem Wind mit. Er hat kürzeres Haar als ich und sie sind auch nicht gelockt, wie meine. Felix ist dünn. Dünner als ich und seine Kleidung ist schmutziger als meine. Ich trage zwar immer schon die selbe Kleidung wie schon seit Jahren aber wenigstens habe ich das Glück, das sie gewaschen werden, sobald sie mit Schlamm bedeckt sind oder fürchterlich sticken.

Felix ist ein einziges Geheimnis.

Seit ungefähr einem Monat sehen wir uns fast jeden Tag und ich konnte nicht wirklich viel von ihm entlocken. Er ist wirklich ruhig und vorsichtig mit seinen Worten, als hätte er Angst. Aber er braucht keine Angst vor mir zu haben. Ich würde ihm nie etwas tun. Wieso auch? Er ist doch sowas wie ein Freund für mich. Ein Freund, den ich mir schon immer gewünscht habe.

Wenn wir uns sehen, sitzen wir meistens genau wie jetzt an der Klippe und genießen das warme Wetter. Oder wir klettern auf Bäume, spielen fangen oder erzählen uns lustige Geschichten. Bei den lustigen Geschichten ist es früher aus. Mir fallen kaum Dinge ein, die in meinem Leben lustig sein und ihm scheint es genau so zu gehen. Wenn wir nichts von unserer Familie erzählen können, lachen wir über die Dinge, die wir ins kürzester Zeit erlebt haben.

Ich weiß nicht viele Dinge über ihn und doch vertraue ich ihm mehr, als meinen Eltern. Wir haben auch vieles gemeinsam. Wir müssen uns nicht sagen, das unsere Familien scheiße zu uns sind, das machen unsere Narben schon für uns.

Einmal als es geregnet hatte zog er sein Shirt aus und ich war schockiert. Sein Körper ist übersäht mit Narben, blauen Flecken und frischen Kratzwunden. Ich war wie erstarrt, wusste nicht genau wie ich reagieren sollte. Als ich zu ihm hochsah konnte ich erkennen, das er sich jetzt schämte und ich fühlte mich deswegen schlecht. Ich wusste, das Worte nichts bringen würden also tat ich das einzig Richtige. Ich zog mein Shirt aus und präsentiere auch ihm meine Narben.

Ich hatte weniger als er, was nicht bedeuten muss das er es schlimmer hatte. Wir haben es beide schlimm und das wissen wir. Er lächelte nur daraufhin und dann spielten wir Fangen.

Wir brauchen keine Worte, um uns zu verstehen und ich finde, das ich es so schöner finde. Mittlerweile bedeutet er mir etwas, aber ich wüsste nicht, ob ich mit ihm je drüber reden könnte, was am anderen Ende vom Wald vor sich geht.

»Marco?« Ich hatte gar nicht gemerkt, das er mich jetzt ansieht. So sehr bin ich im Gedanken weg. »Ja, Felix?« Ich muss immer wieder grinsen, wenn wir unsere Namen sagen. Klingt als würden wir gleich was super ernstes Besprechen. »Wieso siehst du mich die ganze Zeit an?« Ich zucke mit den Schultern und blickte dann auf das Wasser unter unseren Füßen.

»Hab ich was ihm Gesicht?«
»Ja, Narben.« In der Sekunde, als diese Worte meine Lippen verließen bereute ich es. Ich beiße mir auf die Lippen, wage es nicht in seine Richtung zu sehen. Eine unangenehme Stille legt sich um uns und verstärkt das Gefühl in mir, das ich zu weit gegangen bin. Er schweigt so lange bis ich mich zu ihm drehe und ein Lächeln auf seinem Gesicht ausmachen kann.

»Richtig cool, was?« Er zeigt auf eine Narbe, die von seinem linken Wangenknochen bis runter zu seinem Kinn erstreckt. Ich grinse zurück. »Mhm, voll cool«, stimme ich ihm zu. »Du siehst aus wie ein Krieger.« Sein Lächeln wird breiter, stolzer. »Das ist ja noch cooler«, meint er und bringt uns beide zum Lachen. »Du siehst aber noch mehr aus wie ein Krieger als ich«, sagt er nachdem wir uns beruhigt haben. Ich lege meinen Kopf schief, betrachte ihn fragend. »Wegen dem.« Er zeigt mit dem Finger auf meine Wange, die immer noch schmerzhaft brennt.

Ich fasse mir dorthin und betrachte dann meine Hand. Etwas Blut klebt darauf, was mich zu seufzten bringt. Es hat wohl immer noch nicht aufgehört zu bluten.

»Wer war das?«, fragt er mich und überrascht mich somit. In seinem Blick kann ich erkennen, das er nichts als die ehrliche Antwort zu der Frage akzeptieren wird. Er wirkt auch etwas besorgt, aber vor allem sauer. Wieso?

Ich seufze, schlinge dabei meine Arme um meine angezogenen Beine. »Mein ... Vater war das. Aber nicht beabsichtigt ... glaube ich«, bin ich ehrlich. Ich kann ihn nicht ansehen, weswegen ich die Augen schließe. »Was ist passiert?« Am liebsten will ich das er aufhört zu fragen, aber er meint es nicht böse. Ich schätze, er ist nur neugierig und sorgt sich etwas um seinen Freund. Ich umarme meine Beine fester. »Er war sauer, weil ich die ganze Zeit rumgerannt bin. Dann hat er eine leere Glasflasche gegen die Wand geworfen. Die ist dann in der Nähe von mir zersprungen und ein großes Stück hat mich dann getroffen. Wie gesagt, nicht mit Absicht.«

Ich bin überzeugt davon, das es wirklich keine Absicht war. Er ... wollte mich nicht treffen. Hätte er es gewollte, dann hätte er mich zu hundert Prozent getroffen. Es ändert trotzdem nichts daran, das er mir Angst gemacht hat. Wie immer, wenn er sauer ist. Mein Körper zittert noch und jetzt wo ich das geschehen laut ausgesprochen habe brennen meine Augen.

Ich will nicht weinen. Ich hasse es zu weinen. Das macht mich schwach. Das sagt Dad zumindest.

»Weißt du, an was mich das erinnert?« Ich schüttle den Kopf. »Mein Onkel hat mich mal mit einem Glas beworfen. Sie ist aber an meinem Körper nicht kaputtgegangen, also hat er sie wieder genommen, auf den Boden geworfen und dann ein großes Stück, das kaputt gegangen ist, an mein Bein geworfen. Daher kommt die Narbe an meinem Fuß.« Ich blick hoch zu ihm und sehe ihm dabei zu, wie er ein Hosenbein hochkrempelt und somit eine mega große Narbe entblößt. Sie fängt von seinem Knie an und zieht sich quer herunter. Ungefähr zehn Zentimeter lang.

Ich sehe wieder in seine blauen Augen und kann einen mitfühlenden Gesichtsausdruck ausmachen. »Diese Verletzungen machen dich noch mehr zu Krieger.« Er lächelt. »Wir sind beide ziemlich coole Krieger. Im Kampf gegen die Monster in unserem Zuhause.«

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Tut mir so leid, dass das Kapitel so kurz ist aber besser ging es nicht :/ Ich hoffe es gefällt euch trotzdem :)

Wie findet ihr Felix so?
Mir tut es so leid, was die zwei durchmachen müssen. Meine armen Babies :(

MaliciousWo Geschichten leben. Entdecke jetzt