13. Ich brauche dich nicht

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»Bist du krank?« Mit angezogenen Augenbraun hört sie auf den Boden zu kehren und sieht zu mir rüber. »Was?«
»Du machst schon wieder sauber.«
»Und du machst schon wieder nichts.« Ich grinse sie an, mein Kopf an meiner Hand angelehnt. Seit einer halben Stunde haben wir geschlossen und nicht mal Minuten, nachdem der letzte Kunde draußen war, griff sie nach dem Besen. Sie ignorierte mich dabei komplett, als wäre ich ein Geist, der schweigend jeden ihrer Schritte beobachtet.

Vielleicht tat ich das, sie beobachten. Unser komisches Verhalten in der Früh veranlasste mich dazu all meine Gedanken, um sie zu schwirren. Ich kriege ihren Gesichtsausdruck nicht aus dem Kopf, ihre grünen Augen – klar und geweitet, ihre langen blonden Haare, in einem hohen Pferdeschwanz gebunden und ihre sanft-aussehenden rosa Lippen, die den ganzen Tag zu einem höflichen und liebevollem Lächeln verzogen war. Ein Lächeln, das mir kaum vergönnt ist und es mir aus einem unnennbaren Grund unter die Haut geht.

Aria, Aria, Aria.

Wenn wir zusammenarbeiten, verhalten wir uns wie Kollegen es sollten – distanziert und auf die Arbeit fokussiert, doch ich konnte meine Augen nicht von ihr lassen. Egal wie sehr ich es versuchte aber mein Blick schweifte zu ihr, heftete an ihr und auch wenn ihre Augen meine fanden blieben ihre Sekunden länger an mir als sonst. Jetzt ist es nicht anders, wo alle Kunden weg sind und wir ganz alle im Café sind – sie am Putzen und ich am Beobachten.  

Sie stemmt ihre Hände auf ihre Hüften, der Besen dazwischen. »Weißt du, du kannst ruhig helfen, McCartney, schließlich war das deine Aufgabe von Anfang an.«
»Nein, du machst das sehr gut.« Entspannt lehne ich mich zurück, die Arme hinter meinem Kopf verschränkt. Stumm folgt sie mit ihren Augen die Bewegung und bleibt an meinen Armen hängen, ehe sie zu mir sieht. Ach so? Ich lege meinen Kopf leicht zur Seite, was sie genervt mit einem Augenrollen kommentiert.

»Verschwinde. Ich brauche dich nicht, wenn du nicht bereit bist zu helfen.« Ihre Stimme ist kalt und stumpf, während sie wieder den Boden kehrt.

Ich brauche dich nicht.

Anstatt drauf etwas zu sagen, gehe ich auf die andere Seite des Raums, wo sie steht und unter einem der Tische in der Ecke den Staub wegkehrt. Sie hat zwar ihren Rücken zu mir gekehrt, aber an der Art wie sich ihr Körper leicht anspannt zeigt mir das sie weiß, dass ich auf sie zugehe, selbst wenn ich mich so lautlos wie möglich bewege.

Sie hört auf zu kehren, als ich hinter ihr stehen bleibe, nah genug, um sie zu berühren. Von hinten greife ich nach vorne zum Besen, den sie fest umklammert hat. Vorsichtig will ich ihr ihn entnehmen, doch sie lässt nicht los. »Aria.« Meine Tonlage ist bestimmend, signalisiert ihr, das sie den Besen freigeben soll. 
»Verschwinde, Marco. Ich brauche dich nicht hier.«

Verschwinde, Marco.

Sie ist gereizt und das war mir schon vorhin klar, als ich das Stille zwischen uns zerbrach. Die Kunden waren heute nicht die von der netten Sorte. Alte Männer – die Jüngeren ebenfalls – hatten das Bedürfnis sie mit ihrer Flirterei auf die Nerven zu gehen. Aria lächelte nur drüber hinweg, aber man konnte ihr ansehen, dass es ihr unangenehm war. Am liebsten wäre ich zu denen hingegangen und hätte sie getötet. Jeden einzelnen von ihnen, qualvoll und langsam, aber ich darf das ja nicht mehr, sonst lande ich wieder im Gefängnis und um ehrlich zu sein ist das der letzte Ort, wo ich laden möchte.

Erneut ziehe ich leicht an dem Besen, doch sie lässt nicht locker. »Aria«, sage ich bedachter als zuvor ihren Namen, nah an ihrem Ohr dran. Eine Gänsehaut breitet sich auf ihrem Körper aus. Die Reaktion macht etwas mit mir und bevor ich mich kontrollieren kann, fahre ich mit meinem Finger ihren Arm entlang, folge ihrer Gänsehaut mit sanften Berührungen.

Sie sieht runter zu ihrem Arm, die Lippen leicht gespaltet und die wunderschönen hellen Augen auf meine Hand fokussiert, die über ihre warme Haut streift. Sie ist so weich, dass ich das Bedürfnis habe sie komplett zu packen und sie festzuhalten. Am besten gegen die Wand, wo sie mir nicht entfliehen kann und mit langsamen Atem meine Berührungen auf ihrer Haut nachsieht.

Scheiße, was?

Als würde sie meine Gedankengänge lesen sieht sie über ihre Schulter und verfängt sich in meinem Blick. Ohne den Augenkontakt zu unterbrechen, fahre ich zu ihrer Hand hoch, wo sie den Besen fest im Griff hat, lasse meine Finger zwischen ihre gleiten und löse langsam ihre Hand von der Holzstange. Geschlagen sinkt sie ihre Arme und überlässt mir somit den Besen, dennoch entfernen wir uns nicht voneinander.

Wie hypnotisiert lehne ich den Besen an der Wand und lasse meine Finger wieder über ihre Haut gleiten. Mein Herz rast, das Blut in meinen Venen erhitzt und strömt mit voller Kraft durch meinen Körper. Sie zu berühren ist wie eine Droge – aufregend und intensiv. Leicht zitternd gleiten meine Finger nach oben, zu ihrem Hals, wo ihre blonden Haare über ihre Schultern liegen.

Ein dunkler Gedanke breitet sich in mir aus, bringt mich dazu ihre Haare einmal, um meine Hand zu wickeln. Sanft ziehe ich dran, bringe sie dazu zu mir aufzublicken, die grünen Augen geweitet und gefüllt mit denselben Emotionen, die ich gerade empfinde.

»Geh nachhause und ruh dich aus. Ich mach das fertig für dich, okay?« Sie schluckt heftig und nickt nach einigen Sekunden. Behutsam lasse ich ihre Haare los und nehme den Besen zur Hand. »Lass die Schüssel auf dem Theke. Ich sage dir Bescheid, wenn ich fertig bin«, sage ich ruhig, während ich mich an die Arbeit mache, den Laden zu fegen. Wie eingefroren rührt sie sich nicht von der Stelle, atmet nur tief und fest.

»Wenn du morgen nicht vor mit da bist, töte ich dich.« Ihre Aussage bringt mich zum Lächeln. »Fuck, Andrews, das macht mich heiß.« Und das war nicht mal gelogen. »Du bist krank«, meint sie nur, geht dann kopfschüttelnd in die Küche, wo sie ihre Sachen holt. Wie befohlen lässt sie die Schlüssel da und ist keine fünf Minuten später verschwunden.

Erst, als sie das Café verließ, konnte ich richtig ausatmen. Es ist mir unklar, wie sie all diese Sachen aus mir herausbringt. Man könnte meinen das ich jemand bin, der keine Kontrolle über seine Gefühle hat und deswegen Unmengen an Menschen ermordet hat, doch was keiner weiß, ist, die Kraft, die ich über meine Kontrolle habe. Würde ich so handeln, wie meine Gefühle wären wahrscheinlich schon alle tot, aber hey, das sind sie nicht und das verdanken wir meiner Selbstkontrolle.

Doch Aria macht sie Stück für Stück zu nichte.

Ich hätte sie nicht berühren sollen, ihre weiche Haut, die langen Haare und ich hätte nicht so nah an ihr sein sollen. Solche Fehler darf ich mir nicht leisten. Nicht wieder.

Schon Mal habe ich mich von meinen Gefühlen leiten lassen, die ich bei Aria heute gefühlt habe und es hat mir nichts Schmerz gebracht. Unerträglichen, erstickenden Schmerz, den ich nur dämpfen konnte, wenn ich tötete, wenn meine Gedanken an das warme, tropfende Blut klebte und meine Hand nach dem kalten Messer griff.

Nie wieder darf ich Aria berühren. Nicht, wenn ich möchte das sie weiterlebt und das wird sie nicht, wenn ich sie mir nehme. Denn es spielt keine Rolle, ob ich es bin, die sie tötet oder jemand anders, sie wird durch meine Hand sterben, durch meine vergangenen Fehler und ich kann das nicht zulasse.

Zeit vergeht, wenn man wo anders im Gedanken ist. Es hat nicht lange gedauert den Laden zu säubern, weswegen ich am Ende absperrte, dann draußen mein Handy aus meiner Hosentasche nahm und auf Arias Kontakt klickte.

Ich
Ich bin fertig.

Abwartend starre ich auf mein Handy, doch auch nach Minuten kam keine Antwort.

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Long time no see, my loves.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 29, 2024 ⏰

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