10. Tot und zerbrochen

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Normalerweise liebe ich Autofahrten. Zum einen, weil ich selten im Auto sitze und zum anderen, weil es einfach total cool und beruhigend ist. Das Problem ist aber, das ich es nicht genießen kann, weil ich zu erledigt bin. Plus Aria fährt mich nachhause und sagt dabei kein Wort, was mir ein komisches Gefühl gibt.

Jedes Mal, wenn ich versuche mit ihr zu sprechen, gibt sie knappe Antworten von sich oder ignoriert mich komplett. Als wäre ich gar nicht anwesend und das nervt echt. Sie hat den ganzen Tag lang mir Teller zum Waschen gegeben. Durchgehend. Was ja eigentlich nicht so schlimm ist, wenn man bedenkt, dass ich ein Schwerverbrecher bin, der urplötzlich einen Job bekommen hat und das nur weil dieser Laden meiner Familie gehört.

Ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht so genau, was ich von dem Ganzen halten soll und ob ich überhaupt daran glauben soll. Ich meine, es kam alles so unerwartet und ... na ja, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.

Irgendwo ergibt das, was Penelope sagt, Sinn. Es klingt irgendwie logisch und sie weiß viel mehr, als das was ich preisgegeben habe. Kein Mensch weiß, dass mein Vater mich geschlagen hat und das ich meine Eltern umgebracht habe. Noch weiß die Polizei, weder die Presse oder der Rest der Welt das ich viel mehr Menschen getötet habe, als bekannt ist. Sie wissen nur, dass ich zwei Menschen von der Adamsbegann Psychiatrie umgebracht habe und das meine Eltern ermordet wurden (wobei sie natürlich nicht wissen, das ich es war). Also wie zur Hölle kann sie dann so etwas wissen, wenn sie es nicht aus erster Hand hat?

Ich will noch nicht so richtig daran glauben und vertrauen, aber es fühlt sich nicht mehr so fremd an, wie noch vor ein paar Tagen. Sie könnte ein Teil meiner Familie sein, aber die Tatsache, dass meine Mom noch leben soll ist Blödsinn. Ich mein, ich habe sie getötet. Genau sowie Dad. Keine Chance, dass sie das überlebt hat.

Ich war noch klein, als ich sie getötet habe und doch sehe ich in grauenvollen Nächten ihr wunderschönes junge und schmerzvollverzogene Gesicht, als ich die Klinge eines Küchenmessers in ihr Körper ramme. Und das nicht nur einmal. Ich sehe es vor mir, so deutlich, so frisch. Das Blut; glänzend und schimmernd dunkel, das überall spritzt und kleben bleibt. Es klebt an meinen Händen. Ihr Blut klebt an meinen Händen.

Gott, sie war so schön. So schön gebrochen.

Falls sie wirklich leben sollte; wäre sie dann genau so schön? Genau so tot und zerbrochen, wie davor?

Ich blicke zur Seite und betrachte die Blondie, die stur auf die Straße sieht. Eigentlich müsste sie noch arbeiten, aber sie war so nett und wollte mich nachhause fahren. Was ich nicht verstehe, da sie den ganzen Tag so gewirkt hat, als würde sie mich am liebsten loswerden. Vielleicht ist das der Grund, wieso sie so schnell fährt. Oder sie plant einen Selbstmord, wobei ich den Opfer spielen muss.

Obwohl, ein Opfer würde ich das jetzt nicht nennen. Sie würde mir und vielen anderen Menschen einen großen Gefallen tun.

Ich sehe es schon deutlich vor mir: Kellnerin und weltberüchtigter Mörder Selbstmord begangen.

Irgendwie lustig diese Vorstellung. Ob sie auch so denken mag?

»Wieso starrst du mich so an?«, fragt sie tonlos. Ich merkte gar nicht, das ich sie anstarrte. Aber jetzt, wo sie es erwähnt blicke ich trotzdem nicht weg. Sie ist hübsch, das muss ich zugeben. Ihre blonden Haare sind immer noch zu einem verwirrten Knoten an ihrem Kopf gebunden und auch die Schürze liegt noch an ihren Körper. Sie hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, sich umzuziehen. So sehr wollte sie, das ich verschwinde.

»Du starrst mich immer noch an.« Unwillkürlich muss ich schmunzeln und als hätte sie es gespürt gleiten ihre Augen für ein paar Sekunden zu mir rüber. Unsere Blicke treffen aufeinander und kurze Herzschläge lang kann ich einen verwirrten Ausdruck in ihren Augen ausmachen. »Entschuldige«, meine ich nur und schaue auf die Straße. Stille legt sich über uns. Keine Sekunde vergeht ehe ich wieder zu ihr schaue und sie betrachte.

MaliciousWo Geschichten leben. Entdecke jetzt