April 2020Als ich meinen Wagen um die Kurve schob und der Tiefkühlschrank mit den Fertigpizzen in mein Blickfeld kam, traute ich meinen Augen kaum. Da war tatsächlich so ein Wichser, der die letzten in seinen Einkaufswagen räumte. Dummer Hurensohn.
„Ey, du Missgeburt", sprach ich ihn an und rammte meinen Wagen gegen den seinen.
Erschrocken hob er seinen Blick. Er war fett - okay, nicht ganz so fett wie Tarek -, und hatte schütteres Haar. „Was ist Ihr Problem?", fragte er, bemüht darum, seine Stimme fest klingen zu lassen.
Ich deutete auf seinen Wageninhalt. „Da raus." Dann auf meinen Wagen. „Da rein."
„Ähm, nein? Kommt gar nicht in die Tüte!" Hilfesuchend sah er sich nach dem Personal um, die wahrscheinlich gerade alle Hände voll mit dem Menschenauflauf vor dem Klopapierregal zu tun hatten. Junge, was für Klopapier, Alter. Würde das zuneige gehen, würde ich mir ein Beispiel an meinen muslimischen Freunden nehmen und ne Gießkanne ins Badezimmer stellen. Aber auf Pizza zu verzichten, nee, das war keine Option.
Ich sah dem Typen drohend in die Augen und kam ihm langsam näher. „Du hast mich verstanden", zischte ich, ehe meine Hand vorschellte und ich ihn am Kragen packte. Diesen zusammenzog, sodass sein speckiger Hals hervorquoll.
„Ist ja schon gut!", sagte der Typ hektisch, in seinen Augen ein nervöses Flackern. „Lassen Sie mich los!"
Ich drückte nochmal besonders fest zu, dann ließ ich ihn los und sah ihm zufrieden dabei zu, wie er die Pizza in meinen Wagen räumte. „Schönen guten Tag", verabschiedete ich mich mit einem selbstgefälligen Grinsen, manchmal waren Manieren doch ganz angebracht.
Mein Weg führte mich weiter zu dem Alkoholregal, wo ich verschiedene Whiskysorten in meinen Wagen räumte. Auch Sekt und Wein folgten, weil, so las man ja überall, im Lockdown standen neue Sachen ausprobieren ganz hoch im Kurs. Andere backten Brot, machten Yoga und Tarek und ich würden wie die dekadentesten Bonzenfotzen namens Claudia und Hannah saufen.
Mal gucken, wie sich das alles noch entwickeln würde. Pandemie bedeutete alles oder nichts. Entweder wir machten das Geschäft des Jahrtausends, weil sich alle ihre Langeweile wegkoksten oder es lief nichts, weil die die Grenzen dicht machen. Aber na ja, jemand wie ich macht immer Kohle. Alternativplan: Ins Maskengeschäft einzusteigen.
An der Kasse befand sich eine ätzende lange Schlange. Nicht deren kack Ernst, warum mussten alle Missgeburten immer zur selben Zeit wie ich einkaufen gehen?
Genervt stellte ich mich an, bis schließlich die Durchsage erklang, dass eine weitere Kasse geöffnet wurde. Eilig schob ich meinen Wagen vor und schaffte es so noch vor einer Hausfrau in Leggings ans Band.„Tut mir leid, aber Sie können nicht so viel Pizza kaufen", erklärt die Verkäuferin, als das Band meine Sachen zu ihr bewegte.
„Ach ja?" Ich hob meine Augenbrauen. Belustigt.
„Seit ein paar Tagen gibt es Beschränkungen wegen der Hamsterkäufe."
„Ich glaub schon, dass ich das kann." Ein Griff in meine Hosentasche und ich knallte ihr einen Stapel Scheine hin. 400€, vielleicht auch 500€. War auch egal. Geld spielte keine Rolle für mich.
Die Augen der Verkäuferin weiteten sich und sie sah sich um, ob jemand die Szene mitbekam. Aber ihre Kollegen waren beschäftigt genug und die Leute hinter uns ließen sich gerade lautstark über die kommende Maskenpflicht aus. „Das kann doch niemals gesund sein, wenn man immer seinen eigenen Atem einatmet", wetterte ein alter Sack.
„Ja, gut. Machen Sie schnell", sagte die Verkäuferin, wirkte aufgeregt und steckte das Geld ein. Schob die Pizzen ohne sie einzuscannen rüber und keine Ahnung, irgendwie fand ichs lustig.
Hatte die Olle wenigstens was zu erzählen und ganz ehrlich, wenn ich die mir anguckte, meinen Schwanz würde ich sie auch lutschen lassen.„Ey, Kumpel, ich habn Plan", meinte ich und legte meine Beine auf dem Tisch ab. Im Fernseher lief Shopping Queen über meinen RTL-Plus-Account.
„Lass hören." Tarek hatte die Hände über seinem Bauch verschränkt, während wir Sekt aus Whiskygläsern tranken.
„Ich will unsere Geschäfte erweitern. Wir haben Pandemie, Alter, Drogen sind für Langweiler."
„Aha", lacht Tarek. „Wenn der große Jay das sagt, stimmts."
„Die führen ja bald die Maskenpflicht ein. Also braucht Vater Staat n Haufen an Masken. Weils so drecks Standard von Europa gibt, sind die natürlich ziemlich teuer. Also kaufen wir die Masken ohne Zertifizierung, faken die Scheiße und drehen sie dem Staat teuer an. Wir machen ne Firma auf, was eh geil ist weil leichtere Geldwäsche, meine Schwester wird mich als Anarcho feiern, weil ich den Staat ausbeute und nächstes Jahr kauf ich mirn Haus in den Bergen. Nee, Schwachsinn, ich kauf mirn kack Berg." Ich grinste und griff nach meinem Glas, um Tarek zuzuprosten.
Der lachte. „Fuck, Alter. Der Sekt macht größenwahnsinniger als Koks."
„Was sagste, bisse dabei?"
„Bei der Sache mit den Masken ja. Ein Haus in den Bergen mit dir ist mir doch zu romantisch."
„Fresse, Alter. Ich kauf mir ein Haus." Ich schlug mit der flachen Hand auf seinen Bauch, was ein Klatschen erzeugte. „Und jetzt guck hin, die führen ihre Outfits vor."
Von wem wollt ihr noch eine Corona-Edition? Was machen die anderen wohl während der Pandemie?
(Die Szene hab ich einfach schon im Kopf, seit der ganze Spaß losging, aber yippie, hier ist sie.)
DU LIEST GERADE
Von Helden und Verlierern
General FictionIn den ranzigen Vierteln von Berlin gehen in Aykans Kellerbude weder die Partys noch der Shishatabak je zu Ende. Dort hängen Kat und Maxim auf dem Mauervorsprung rum, kippen den Wodka runter und pöbeln Passanten an. Dort, wo Leonardo dem Adrenalin h...