Was ist nur los mit dir?

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Am Abend fand ich mich in der Küche wieder. Ich versuchte einfach meinen Alltag zu leben und diese Erinnerungen zu vergessen. Takemichi meinte, er sollte sich einfach darüber freuen das diese Gegenwart eine bessere war. Und ja, das nahm ich mir zu Herzen. Immer wieder schielte ich zu Hanma, der leise schimpfend den Salat zubereitete, während ich das Fleisch würzte. Er hasste Salat, doch mir zu liebe aß er ihn. Es war lustig wie genervt er die Tomaten schnitt, gewaltsam die Salatblätter zupfte, die Gurke angeekelt schälte und die Paprika mit den Augen rollend zerkleinerte. "Wie wäre es, wenn wir morgen in den neuen Burgerladen gehen?", schlug ich vor und schon gleich erhellte sich sein Blick. "Echt jetzt? Du gehst mit mir dahin?" "Natürlich. Warum nicht." "Ähm, weil du Fastfood hasst?" Ich lachte. "Ja, schon. Aber wenn der Mann den ich liebe auf so ein Zeug steht, werde ich es schaffen einmal so ein Teil zu essen." Geschockt schaute er mich an, hörte dabei auf den Salat zu zerkleinern. Es wirkte so, als hätte ich etwas falsches gesagt, aber, habe ich das? "Ist etwas?" Er fing an zu lächeln. "Das sagst du in letzter Zeit oft." "Was meinst du?" "Na, das du mich liebst. Früher hättest du das nie gesagt. Du findest so etwas kitschig und unnötig." Oh ja, das war der alte Kisaki. Der, der nicht zu schätzen wusste was er hatte. Gott, Hanma. Ich wünschte ich könnte dir sagen was ich durchlebte. Ich wünschte du könntest verstehen. Aber nein, ich kann dich nicht mit so einen wirren Zeug belasten.

"Vielleicht bin ich einfach in diese Beziehungskiste hinein gewachsen. Immerhin sind wir schon mehr als ein Jahr zusammen." Noch immer schaute er mich an. Skepsis war in seinem Blick. Was ging nur in seinem Kopf vor? Wieso freute er sich nicht, das ich es ihm sagte? Es war doch eine positive Entwicklung. Oder fand er mich nun komisch? Vermisste er den alten Kisaki? Den Mann, den er kennen lernte? Nein. Dieser Kisaki wollte ich aber nicht mehr sein. Mein altes Ich war egoistisch, rücksichtslos und hatte nie erkannt was wirklich wichtig war. Dieser Mann wollte ich nie wieder werden.

Keine Ahnung was in seinem Kopf vor sich ging, doch irgendwie hatte ich das Gefühl das sich die Stimmung zwischen uns verändert hatte. "Hanma, habe ich dich mit etwas verärgert?" Fast schon wütend ließ er das Messer auf das Brett knallen. "Du bist anders. Um ehrlich zu sagen, bist du komisch. Du bist so aufmerksam, und das macht mich skeptisch." "Was meinst du?" "Na ja, immer wenn ich bei einen meiner Ex Freunden aufmerksamer als sonst war, dann hatte ich so richtig Mist gebaut. Und nicht selten hatte ich ihn dann betrogen." Autsch. Klare Worte, doch dafür war Hanma bekannt. Während ich lieber von hinten zu stach, kam seine Attacke immer direkt von vorne. Auf der einen Seite schätzte ich diese Eigenschaft und auf der Anderen fürchtete ich mich immer zu vor dem was er sagte. Und ja, das verletzte mich sehr. Geschockt schaute ich ihn an, wusste gar nicht was ich sagen sollte, während seine Bernstein Augen mich kalt fixierten. Wow, so hatte er mich noch nie angesehen, und umso länger er mich so ansah, umso nervöser wurde ich. Und ja, auch das passte nicht zu mir. Ich hatte immer eine Antwort, auf alles. Ich konnte schnell kontern, war eloquent genug  jede Debatte für mich zu gewinnen. Doch dieser Vorwurf warf mich komplett aus meinen Ankern.

"Dein Schweigen verheißt nichts Gutes.", drohte er grollend und verschränkte die Arme vor der Brust. Auf einmal kam es mir so vor als wären wir Meter entfernt, dabei stand ich direkt vor ihm. Es war einschüchternd, wie er auf mich hinab schaute. Nach langer Zeit wurde mir erst wieder bewusst wie groß er doch war. "Ich schweige, weil du mich total überrumpelt hast!" Oh wow, das würde mich retten. Ich atmete tief durch, musste mich beruhigen. "Ich habe dich nicht betrogen und ich würde es nie tun. Ich habe einfach nur diese Gedanken und die lassen mich nicht mehr los." "Was für Gedanken? Andere Kerle? Oder doch eher Frauen? Willst du lieber eine Frau haben?!" "Ich will niemanden anderen als dich! Verdammt Hanma, ich weiß nicht wie ich es dir erklären soll!" "Dann versuch es." "Du stirbst. Immer wieder aufs Neue. In jeder Nacht träume ich wie du stirbst. Immer und immer wieder. Ich kann kaum noch schlafen, den ganzen Tag denke ich nur darüber nach, ich habe keinen Appetit, zwinge mich zu essen. Ich kann mich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren. Mikey hat mich letztens erst ermahnt, weil ich einen Fehler nach dem Anderen mache. Doch ich kann es nicht abstellen. Jede Nacht stirbst du, und jedes Mal wenn ich aufwache, fühle ich es. Ich fühle den Schmerz!"

Ich riss mich zusammen, ich wollte nicht wieder heulen, weshalb ich zur Spüle schaute und meine Zähne zusammen biss. Hanma starrte mich jedoch nur an, ich konnte seine Blicke in meinem Nacken spüren. Während ich mich an der Küche abstützte, kam er mir näher, legte eine Hand auf meinen Rücken und streichelte diesen auf und ab. "Kisaki, wieso denkst du denn das ich sterbe? Was ist los mit dir?" "Ich weiß es auch nicht. diese Alpträume waren einfach da und sie gehen nicht. Ich weiß nicht was ich machen soll." "Es tut mir leid, das ich dir vorgeworfen habe das du mich betrügst. Ich hatte mir nur versucht dein Verhalten zu erklären." Er zwang mich durch eine Drehung, mich zu ihm zu wenden. Vorsichtig und mit einem lächeln, wischte er mir eine Träne aus dem Gesicht, die ich mir doch nicht hatte verkneifen können. "Ich weiß das willst du nicht hören. Aber vielleicht brauchst du professionelle Hilfe. Einen Psychologen oder so. Diese Angst muss ja von irgendwo her kommen." Normalerweise würde ich ihn nun zurückweisen und ihn fragen ob er am Klebstoff geschnüffelt hatte, doch im Moment klang es wie die einzige gute Idee. Auch ich hatte darüber nachgedacht, doch ich hoffte das das Gespräch mit Takemichi mir helfen würde. "Ehrlich gesagt, hatte ich mich heute in der Mittagspause bereits mit Jemanden getroffen, dem es ähnlich ergeht." "So wie bei den anonymen Alkoholikern?" "So ähnlich. Und ja, er konnte mir ein bisschen helfen. Ich versuche jetzt seinem Ratschlag zu folgen und hoffe das es sich dann etwas beruhigt." "Das hoffe ich auch. Und wenn es dir nicht gut geht, dann will ich es wissen. Rede mit mir. Friss den ganzen Scheiß nicht runter. Ich bin dein Partner und dein Freund. Ich will dir wenigstens zuhören." Ich lächelte. Was hatte ich doch für ein Glück. Ich ließ meinen Kopf auf seine Brust sinken und schloss die Augen. Ja, so konnte ich es mir gut gehen lassen. Vielleicht könnte ich zukünftig besser schlafen, wenn ich einfach nur seinen Herzschlag hörte.

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