Angst

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Naoto hatte Ran nun doch gegen meinen Willen befragt und offiziell als Verdächtig bezeichnet. Sofort hatte mich Ran kontaktiert und mich gefragt was das sollte und ob ich mich nicht schämen würde ihn solch einer Tat zu beschuldigen. Natürlich kam ich in Erklärungsnot, konnte aber weder Naoto noch Kisaki in den Rücken fallen. Ich versuchte zu beschwichtigen und doch war er wütend auf mich. Er machte mir erst ein schlechtes Gewissen und dann beleidigte er mich auch nicht. Als ich dann nicht mehr antwortete, erhielt ich noch eine Drohung in Form von "Du wirst schon sehen was du davon hast!". Mir lief es kalt den Rücken runter. Sollte Kisaki doch Recht behalten und Ran steckte hinter dieser hinterlistigen Attacke?! Ich war mir unsicher ob ich ihn von diesem kleinen Austausch berichten sollte, machte jedoch ein paar Screenshots vom Verlauf, da ich befürchtete das Ran seine Nachrichten löschen würde.

Normalerweise war ich kein sonderlich ängstlicher Mensch. Ganz im Gegenteil. Ich liebte die Gefahr, das Adrenalin. Genau deswegen war ich früher auch in einer Gang, liebte es mich zu prügeln, bevorzugt mit Gegnern die Stärker waren als ich selbst. Und auch heute scheute ich mich kaum davor die Fäuste auszutauschen, allerdings war mir bewusst das man mich anders viel härter treffen konnte. Jemand hatte mich unter Drogen gesetzt, mich meines Verstandes beraubt und hätte mit mir machen können was er wollte. Ich war willenlos und schwach, nicht in der Lage mich zu wehren. Man hätte mich ohne Probleme demütigen können. Das war gruselig, das war eklig und es machte mir Angst. Es fiel mir schwer mit Kisaki darüber zu reden, denn ich hatte das Gefühl mich selbst und meine Rolle in unserer Beziehung zu verlieren. Ja, schon immer war Kisaki der Boss, der Kopf hinter einfach allem. Aber ich war der Starke, der Kämpfer, mich konnte so schnell nichts umhauen, ich ließ mich nicht klein kriegen und ich lachte immer. Doch nun war es anders. Nun war Kisaki der Jenige der Kämpfte und ich hatte Angst. Das wollte ich nicht zeigen, es passte nicht zu mir.

"Was hast du?" Ich zuckte zusammen. "Kisaki!", sagte ich erschrocken und drehte mich um. "Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." "Du hast mich nicht erschreckt!", gab ich murrend zurück und nahm wieder mein Handy in die Hand um so zu tun als würde ich etwas unglaublich wichtiges machen. Er jedoch blieb stehen und schaute mich an. Ich brauchte nicht zu ihm zu gucken um zu wissen wie er mich anschaute. Es war eine Mischung aus Mitleid und Sorge. Das hasste ich, denn so sollte er mich nicht ansehen. Ich war stark, männlich, groß und hatte Straßenkampferfahrung. So ein kleiner Kerl wie er sollte nicht so auf mich hinabblicken. "Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.", sprach er weiter und setzte sich neben mich um mir eine Hand auf den Oberschenkel zu legen. Zickig schnippte ich rein automatisch seine Hand weg. "Lass das sein!" "Warum bist du mir gegenüber so abweisend?" "Weil du mich gezwungen hast mit der Polizei zu reden. Das wollte ich nicht. Und ich wollte erst recht nicht das du Ran verdächtigst!" "Er hat sich also bei dir gemeldet.", sagte der Blonde feststellend und schaute mich mit stechendem Blick an. "Nein, hat er nicht! Aber ich kann mir denken wie angepisst er ist." "Hast du Angst vor ihm?" "Ich habe keine Angst, vor niemanden. Auch nicht vor dir!" "Wieso solltest du Angst vor mir haben?", fragte er nun verwirrt und ein wenig ängstlich. "Das habe ich nur so gesagt." "Du sagst in letzter Zeit komische Sachen, du bist abweisend mir gegenüber und ziehst dich zurück. Ich denke du brauchst professionelle Hilfe." "Nein, die brauche ich ganz bestimmt nicht. Denn ich bin nicht du. Ich bin stark, ich passe auf mich selbst auf." Wütend schaute ich zu Kisaki, ich konnte ahnen was ihm auf der Zunge lag, doch er sprach es nicht aus. Das war auch besser so, mich nun an meine wehrlose Situation von meinen Geburtstag zu erinnern wäre nun fatal gewesen.

Allerdings schien Kisaki diese Behandlung auch nicht auf sich sitzen zu lassen, er stand auf, griff sein Handy und die Schlüssel. "Wo willst du hin?!" "Ich gehe Spazieren." "Du willst mich jetzt hier allein lassen?!" "Wieso? Du kannst doch gut auf dich aufpassen." Autsch. Ich wagte es nicht noch etwas zu sagen, sah zu wie er die Wohnung verließ und mich zurück ließ. Allein. Zornig stampfte ich auf, scheiße. Ich war echt ein riesen Arschloch, Kisaki hatte keine Schuld, er wollte mir nur helfen, für mich da sein, und doch konnte ich das gerade kaum ertragen.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen, schaute ständig auf die Uhr, und auch wenn Kisaki gerade mal eine Stunde weg war, kam es mir vor als wäre er einen halben Tag unterwegs gewesen. Kaum hörte ich wie er die Wohnung betrat stampfte ich auch schon in den Flur. Ich war froh ihn zu sehen, doch weder mein Gesicht, noch meine Stimme konnten das wirklich rüberbringen. "Wo warst du so lange?" "Spazieren, hatte ich dir doch gesagt." Wow, er klang kalt, das machte mir Angst. Ein kalter Kisaki war Jemand, den ich schon sehr lange nicht mehr sah. Seine Geduld mit mir war wohl auch erschöpft. "Ja, das weiß ich, aber wo warst du spazieren?" Nun war meine Stimme zwar noch immer leicht angereizt, doch man hörte fast schon versöhnliche Töne heraus. "Nur ein wenig im Park. Ich saß auf einer Bank. Die Nachbarn halten mich nun sicherlich für einen Freak." Er lächelte mich verschmitzt an und ich lächelte zurück. "Bist du ja auch." "Sagte der Typ mit Tattoos auf den Händen." "Die sind cool!" "Die waren nicht mal 2005 cool." "Mach dich nicht über mich lustig, Brillenschlange!" "Du trägst doch selbst eine!" Wir lachten ein wenig, während wir noch immer so dumm im Flur herum standen. Das war das Gute an uns, wir konnten uns streiten, aber auch schnell wieder verzeihen ohne uns Entschuldigen zu müssen.

Am Abend saßen wir wieder wie gewohnt beisammen und ich erzählte Kisaki von der Unterhaltung mit Ran. "Wir werden das an Naoto weiterleiten. Und gleichzeitig werden wir dafür sorgen die einen Personenschützer zu besorgen." "Das brauche ich nicht. Ich kann mich selbstr verteidigen. Im Gegensatz zu dir kann ich kämpfen." "Mit den Fäusten. Aber gegen eine Waffe kannst du dich nicht wehren. Ich weiß das du stark bist, aber du vergisst das Ran einen jüngeren Bruder hat der sich im Falle einer Verurteilung an dir rächen wird. Ran und Rin kontrollieren den Schwarzmarkt und haben ihre Finger in einigen Sachen stecken. Es kann leicht für sie sein dir etwas anzutun." Ich zuckte zusammen. Mir etwas antun. Damit könnte ich Leben, aber was wenn sie Kisaki angriffen? Oder wenn sie sich an Kanata vergriffen? Der Kleine war mir sehr wichtig geworden, ich liebten, er war für mich mein Neffe geworden. "Ich will dir Anzeige fallen lassen." "Das kannst du nicht! Es ist dein Recht ihn anzuzeigen." "Erstens: Wir wissen nicht ob er es wirklich war, und zweitens: Das ist es mir alles nicht wert. Er hat mich nicht vergewaltigt. Es ist mir nichts passiert. Ich werde zu Naoto gehen und ihm sagen das er mit dem Ermittlungen aufhören soll." "Hör auf!", schrie mich nun Kisaki an, doch ich schlug mit der Hand auf den Tisch. "Nein! Das ist meine Sache. Ich werde weitere Ermittlungen stoppen, das ist meine Entscheidung und sie ist nun gefallen." Nach meinem Gefühlsausbruch schwiegen wir uns eine Weile an. Ich wollte Kisaki nicht so anbrüllen. Mit einem schlechten Gewissen rückte ich zu ihm näher, ich legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab, in der Hoffnung er würde nicht weichen. Und tatsächlich ließ er diese Berührung zu. "Du hast Angst. Und diese Angst bremst dich aus.", sagte er leise und ich konnte ihm nicht widersprechen. "Manchmal sollte man auf die Angst hören."


Am nächsten Tag war ich bei der Polizei, ich zog alles zurück und stoppte weitere Ermittlungen. Kisaki hatte es akzeptiert, auch wenn er unglücklich mit dieser Entscheidung war. Auch Naoto drängte mich dazu hier nicht aufzuhören, doch ging nicht mehr davon ab. Ich wollte mich nicht mit den Haitani Brüdern anlegen. Kaum hatte ich alles zurück gezogen informierte ich Ran, doch er antwortete mir nicht. Ich nahm an das er es zu Kenntnis nahm und wir beide von nun an keine Freunde mehr waren und zu gleich ich nicht weiter um das Leben meiner Lieben fürchten musste. Mir war bewusst das ich vermutlich einen Triebtäter somit weiterhin freie Hand ließ, doch in meiner Momentanen Position fühlte ich mich zu schwach und zu machtlos mich weiter dem entgegen zu stellen. Ich hoffte jedoch darauf das sich mein Leben nun normalisierte und ich nicht weiter in Angst leben musste.

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