Die Stalkerin

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Eines schönen Abends begab ich ich wie an so vielen anderen auch in die Studentenbar, neben der ich zufälligerweise wohnte. Ich konnte innerhalb von fünf Minuten hin laufen, deshalb verabredete ich mich oft gar nicht erst, sondern schaute einfach vorbei, um zu sehen, wer gerade da war und gesellte mich dazu. Und da man als Student wie schon beschrieben maximal einmal beim nächtlichen Treiben fehlen darf, war immer jemand da, den ich kannte.

Wie erwartet erblickte ich meine zwei Lieblingshelden Casanova und Badboy in Begleitung ihres Kumpels Viking, dem ich hier diesen Namen gebe, da er nunmal ein echter selbst ernannter Wikinger war. Mit Bart, keltischen Tattoos usw. Badboy und Viking spielten gerade wie so oft auch Schach. Es war ein Anblick für die Götter, wie Badboy in seinem schwarzem Tanktop dasaß und seine Oberarmmuskeln präsentierte, während er den Springer zögerlich in den Fingern hin und her drehend über seinen nächsten Zug sinnierte. 

Ich setzte mich also zu den dreien. "Willst du nichts trinken?" - "Kein Geld" (Es war gegen Ende des Monats). Casanova bestand darauf, mir ein Getränk meiner Wahl zu holen und ich entschied mich, mich erstmal gegen die Müdigkeit mit einer Afrikola zu dopen. Ich nahm sie ihm unendlich dankbar ab. 

"Also, was gibt es Neues bei dir in letzter Zeit?", fragte ich Casanova. Ich hatte schon unendlich viele seiner Eroberungsgeschichten gehört. Wie er auf einer Oldtimerparty ein betrunkenes Mädel in einem 1971er Ferrari Dino gevögelt hatte und sie sich danach im Auto übergeben musste, sodass beide daraufhin flohen, um nicht für den Schaden haftbar gemacht werden zu können, ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Ich machte mich auf eine ähnliche Erheiterung gefasst, doch dieses Mal sollte ich etwas anderes zu hören bekommen. 

"Ich habe eine Stalkerin", sagte Casanova schlicht. "Omg, echt?", rief ich geistreich. 

"Ja. Sie wohnt nur ein paar Häuserblöcke vor meinem Wohnheim entfernt, sodass ich immer an ihrer Terrasse vorbei komme, wenn ich nach Hause fahre. Sie hatte diese Woche echt jeden Morgen nen anderen Typen bei sich rumhängen und weist du, was das Schlimmste ist? Sie hatte jeden Tag das selbe an. Und jeden Tag kamen neue Flecken dazu. Echt widerlich." Er lachte, als wäre die Geschichte für ihn belustigend.

"Und die stalkt dich?" 

"Naja, 'stalken' ist ein bisschen zu harmlos ausgedrückt. Sie jagt mich! Ich habe sie kennen gelernt, als sie sich auf mich geworfen hat und mich abknutschen wollte. Und als ich sie abgewiesen habe, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, mich doch noch rumzukriegen. Seitdem schlecht sie um meine Wohnung und wenn sie Licht sieht oder Geräusche hört, klopft sie Sturm. Aber heute war es anders. Ich hab nämlich gerade gelüftet und da ist sie einfach über die Terassentür hereingekommen und hat sich auf mein Bett geworfen und gesagt, sie würde erst wieder gehen, wenn naja..." 

"Oh mein Gott. Das hört sich wirklich schlimm an. Du solltest zur Polizei gehen! Soll ich dich heute nach Hause begleiten? Ich beschütze dich, ich verspreche es dir!"

Casanova schaute von oben auf meine 1,65m herab und zog eine Augenbraue hoch. 

"Nein, nein, das brauchst du nicht. Dafür hab ich doch Viking. Der trainiert täglich dafür, nach Walhalla zu kommen, der spielt jetzt für mich ne Zeitlang den Bodyguard. Außerdem komme ich auch ganz gut selbst zu Recht. Als sie da auf meinem Bett lag und nicht wieder gehen wollte hab sie einfach an den Haaren genommen und nach draußen gezogen."

Zwei Wochen später traf ich Casanova wieder. "Und, wie geht's mit deiner Stalkerin?", fragte ich zur Begrüßung. "Super, wir sind jetzt die besten Freunde!", meinte Casanova. "Waaas???" - "Ja. ich hab sie auf den unliebsamen Verehrer meiner verehrten Julia angesetzt, seitdem verstehen wir uns prächtig."

Geschichten wie diese waren der Grund, warum ich gerne mit Casanova herumhing. Andere dachten wahrscheinlich, ich würde auf ihn stehen, oder er würde nur versuchen, mich klar zu machen, aber die Wahrheit war, dass es absolut null Anziehung zwischen uns gab. Mit Casanova erlebte man immer etwas Spannendes oder hörte eine neue, interessante Geschichte. 



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