der Segen des Captains

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Hawks filigrane Finger fuhren mir nochmal über meinen Rücken und Schulter, als er die Knöpfe des Kleides schloss. Amüsiert beobachtete ich seinen konzentrierten Gesichtsausdruck im Spiegel, als würde er ein schweres Rätsel lösen. Oder als würde er mit aller Macht versuchen nicht nochmal über mich herzufallen.

Dann fiel mir wieder das Gespräch mit seinem Freund vom Vormittag ein.

»Black Bear erwähnte eine Schwester. Kennst du sie?« fragte ich ihn neugierig. Als hätte ich von einem Geist gesprochen änderte sich sein Gesichtsausdruck von konzentriert zu angespannt. Er hielt in seiner Bewegung inne und starrte mich über den Spiegel an. »E-Er... hat seine Schwester erwähnt?!«

Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein, das konnte ich regelrecht spüren.

»Nun ja... er erwähnte keinen Namen nur... Dass die beiden auf der Straße aufgewachsen sind...« sagte ich vorsichtig »H-Hawk?« In seinem Blick war etwas, was ich noch nie zuvor gesehen habe.

»Es ist nur... er erwähnt seine Schwester nie. Zu schmerzhaft sind seine Erinnerungen an sie...« Hawk seufzte und setzte sich aufs Bett. »Eigentlich sollte ich dir das nicht erzählen... Wir sollten unsere kleine Auszeit nicht mit derartig düsteren und traurigen Geschichten aus der Vergangenheit verbringen...«

Langsam ging ich zu ihm und setzte mich neben ihn auf das Bett. Hawk befeuchtete seine Lippen und drehte seinen Oberkörper leicht zu mir. »Die Erinnerung an seine geliebte Schwester verursacht einen enormen Schmerz in ihm. Es ist der gleiche Schmerz den dein Vater fühlt, wenn er über deine Mutter spricht. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit tragischen Verlusten um. Dein Vater versuchte diesen Schmerz zu verdrängen und das, was ihm noch blieb von seiner Frau, nämlich dich, mit aller Gewalt zu schützen. Black Bear hingegen... stürzte sich in... eine Art Blutrausch...«

Schockiert starrte ich ihn an und musste schlucken »W-Wie... Wie ist sie gestorben?« fragte ich vorsichtig. Hawk blickte gedankenverloren auf den Fußboden. »Die ursprünglichen Falken bestanden einst aus sechs Köpfen. Joe, Harold, Claude, Takki, Black Bear und seiner Schwester, Mina...«

»Mina... genauso nannte er das Schiff...Dieses Schiff...« sagte ich überrascht. Mein Freund nickte und fuhr fort »Ich kenne vermutlich nur einen Bruchteil der Geschichte und ich möchte mir auch nicht vorstellen wie schrecklich die Ganze für ihn sein musste. Die Gründer lebten so wie wir in einem Versteck im Wald. Jeder hatte seine Aufgaben und man schlug sich so durchs Leben. Mina konnte dieses Leben irgendwann nicht mehr ertragen und drehte ihrem Bruder den Rücken zu. Sie fand normale Arbeit und ging ihren eigenen Weg. Für ihn war das so ein großer Schlag ins Gesicht, dass er immer brutaler wurde und sich so einen gefürchteten Namen machte... Eines Tages kehrte sie zurück, weinend, flehend und am Ende ihrer Kräfte. Das war aber noch nicht alles...« Fragend sah ich Hawk an. »Sie war in guter Hoffnung. Und auf der Flucht.«

»Wie schrecklich!« platzte es aus mir heraus und ich versuchte meine Stimme wieder zu senken, damit uns keiner hören konnte. »Wie... furchtbar...« flüsterte ich und Hawk nickte.

»Black Bear zögerte nicht mal eine Sekunde, der ganze Streit und das Leid waren wie verflogen. Er versprach ihr, sie und das Kind zu beschützen. Doch letzten Endes... Konnte... er es nicht...«

Es fühlte sich für mich an als würde die Zeit für mich still stehen. Irgendwie wollte ich, dass er mir die Geschichte zu Ende erzählt, doch ich hatte auch so sehr Angst davor, zu erfahren, was dann passierte. Ich nahm seine Hand und bereitete mich auf das vor, was er mir nun erzählen würde...

»Es war nur ein einziges Mal, in dem sie unachtsam war. Nur ein verdammtes einziges Mal. Sie fiel ihren Verfolgern in die Hände. Black Bear fand sie, nachdem die anderen sie als vermisst gemeldet haben. Es waren zwei Stiche, einer in den Bauch und einer in ihr reines Herz. Sie starb in seinen Armen...«

undressed by the prince [in Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt