Kapitel 5

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Nachdem wir reichlich zu Abend gegessen hatten, zog ich mich auf unser Gästezimmer zurück, um mich umzuziehen. Die Kleidung, die ich den ganzen Tag getragen hatte, war zwar bequem, aber nach so vielen Stunden auf den Beinen musste ich sie einfach loswerden. Hawk entschied sich, währenddessen unten im Salon auf mich zu warten.

Bevor ich mich zu den anderen gesellte, warf ich einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel. Ich trug nun ein helles, enganliegendes und schulterfreies Oberteil sowie einen mittelblauen Rock, der knapp über meine Knie reichte. Dazu hatte ich knöchelhohe Stiefel gewählt. Skeptisch berührte ich mein Spiegelbild. War das wirklich ich, die mich da ansah? Die schlichte Kleidung ließ mich fast normal wirken, weit entfernt von der Prinzessin, die ich sein sollte.

Entschlossen öffnete ich meinen Zopf und ließ meine langen, blonden Haare wellig über meine Schultern fallen. Mit den Fingern fuhr ich durch die Strähnen, um ihnen mehr Volumen zu geben, und zog meine Kette aus dem Oberteil heraus, damit man sie sehen konnte. Kritisch legte ich den Kopf schief. Ohne den üblichen Schmuck, die Krone, die Schminke und die pompösen Kleider wirkte ich beinahe gewöhnlich. Ein leiser Zweifel nagte an mir – wollte ich wirklich so sein?

Ich schob die negativen Gedanken beiseite und atmete tief durch. Mit einem letzten aufmunternden Lächeln ging ich schließlich zu den anderen in den Salon.

Die Stimmung im Raum war heiter, doch die Luft war seltsam nebelig und schwer von Rauch. Im Hintergrund erklang fröhliche Musik von einem Klavier, während ein paar Männer sich miteinander unterhielten, tranken oder Karten spielten. Immer wieder wurden sie von den Frauen berührt oder angeflirtet. Das ganze Bild, welches sich mir bot, war mehr als fragwürdig. Ich musste husten, ehe ich meinen Freund erblickte.

Hawk saß mit Black Bear auf einem der Sofas und unterhielt sich angeregt. In seiner rechten Hand hielt er einen seltsamen braunen Gegenstand, der qualmte und den er immer wieder zu seinem Mund führte – eine Zigarre. Ehe ich mich neben Hawk setzen konnte, zog er mich schon auf seinen Schoß und grinste mich an.

»Ich glaube, dein Platz ist genau hier«, sagte er und ich schlug ihm spielerisch auf die Brust, bevor ich ihn küsste. Es fühlte sich ein wenig eigenartig an, ihn so offen in aller Öffentlichkeit zu küssen. Doch keiner um uns herum hatte auch die leiseste Ahnung, wer ich wirklich war. Für sie war ich nur eine schöne Frau an der Seite eines Banditen.

Der Rauch der Zigarren und der süßliche Duft von Parfüm vermischten sich zu einem betäubenden Aroma, das die Sinne vernebelte. Die Fenster des Salons waren mit schweren, dunkelroten Samtvorhängen behangen, die das Licht dämpften und dem Raum eine geheimnisvolle, fast schon intime Atmosphäre verliehen. Überall lagen schwere Teppiche, die die Schritte dämpften und die Geräusche erstickten. Der Kronleuchter über uns schimmerte matt und tauchte alles in ein goldenes Licht.

Unsicher blickte ich mich um und beobachtete die Menschen im Raum. Einige der Besucher warfen mir neugierige Blicke zu und tuschelten miteinander. Ein leichtes Unbehagen breitete sich in mir aus, doch dann spürte ich Hawks Hand sanft an meiner Wange, wie er mein Gesicht zu sich drehte. »Hey. Du hast nichts zu befürchten, solange Black Bear oder ich in deiner Nähe sind«, versuchte er mich zu beruhigen. Seine Stimme war fest und beruhigend, und für einen Moment vergaß ich die unheimlichen Blicke, die auf mir ruhten.

»Denkst du... irgendwer von diesen Typen weiß, wer ich bin?«, flüsterte ich vorsichtig, damit uns niemand hören konnte. Hawk blickte sich kurz um und verneinte schließlich. Wir wurden zwar interessiert beobachtet, doch es schien nicht an meinem gesellschaftlichen Status zu liegen.

»Jetzt mal raus mit der Sprache, wie hat so ein ungehobelter Spinner wie Hawk so ein wunderschönes Mädchen wie dich herum bekommen?«, riss uns die tiefe, brummige Stimme von Black Bear aus unserem Gespräch. Hawk lachte kehlig und sah mich an, doch bevor er etwas sagen konnte, fiel ich ihm ins Wort.

undressed by the prince [in Überarbeitung]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt