Kapitel 8

121 9 0
                                    

Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Der Hexer erteilte Zaira nach wie vor Lektionen über den Umgang mit diversen Unwesen und half ihr neuerdings auch bei der Verbesserung ihrer Kampfkünste. Die beiden waren mittlerweile ein eingespieltes Team und so kamen sie auf ihrem Weg rasch voran.

Vor zwei Tagen hatten sie die Grenze zu Kaedwen passiert, dem größten der nördlichen Königreiche, das für seine hohen Berge, weiten Wälder und ein eher raues Klima bekannt war. Hier lag auch die Hexerfeste Kaer Morhen, allerdings sehr weit im Norden des Reiches. Laut Askan hatten sie die Hälfte der Strecke inzwischen hinter sich gebracht, demnach würden sie in etwa zwei Wochen ihr Ziel erreichen. Zaira konnte es kaum erwarten, endlich dort anzukommen. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad und nach einem anständigen Bett. Besonders jetzt, da der Winter vor der Tür stand und die Nächte im Freien allmählich zur Tortur wurden.

Missmutig betrachtete Zaira den stahlgrauen, wolkenverhangenen Himmel über den Baumkronen des lichten Nadelwaldes. Der Geruch von Regen lag in der Luft und es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, bis sich die Straße unter den Hufen ihrer Pferde wieder einmal in ein einziges Schlammbad verwandelte. Wenn es doch wenigstens schneien würde. Doch während die Gipfel der umliegenden Berge am Vortag vom ersten Schnee angezuckert worden waren, hatten sie hier unten im Tal - trotz der Kälte - lediglich dicke Wassertropfen erreicht. Noch bevor sie einen Unterstand gefunden hatten, war ihre Kleidung mit Regenwasser vollgesogen gewesen und hatte kalt und klamm auf ihrer Haut geklebt. Zaira fröstelte bei dem Gedanken daran. Sie war nicht unbedingt scharf auf eine Wiederholung. Askan, den der bevorstehende Niederschlag auch nicht gerade in Hochstimmung versetzte, machte schließlich den Vorschlag im nächstbesten Gasthof einzukehren, was sie anstandslos befürwortete. Der Tag war sowieso schon weit fortgeschritten und ihre letzte Mahlzeit lag bereits eine ganze Weile zurück. Mit etwas Glück bekamen sie vielleicht sogar ein Zimmer für die Nacht, ansonsten konnten sie den Regen auch in der Gaststube aussitzen.

Inzwischen hatte es leicht zu nieseln begonnen, als sie endlich auf eine kleine Holzfällersiedlung stießen, die auf einer durch Menschenhand geschaffenen Lichtung errichtet worden war. Nach kurzem Suchen fanden sie inmitten der einfachen Holzhütten ein winziges, rustikales Wirtshaus mit anliegendem, noch winzigeren Stall, in das sie kurzerhand eintraten.

Der Wirt, ein untersetzter, bärtiger Mann, beäugte sie misstrauisch. Er schien von ihrem Erscheinen nicht sonderlich angetan zu sein. Besonders dem Hexer gegenüber zeigte er kein allzu freundliches Verhalten. Auf höfliche Bitte hin, und nachdem mehr als genug Münzen den Besitzer gewechselt hatten, durften sie ihre Pferde jedoch im zugehörigen Stall unterbringen. Ein Zimmer bekamen sie zwar nicht, dafür aber zwei dampfende Teller mit frischem Wildschwein-Gulasch, welches sie genüsslich verzehrten. Nachdem sie aufgegessen hatte, lehnte Zaira sich zufrieden gegen die Stuhllehne und schloss die Augen. Sie genoss die wohlige Wärme und Ruhe der Stube, in der sie momentan die einzigen Gäste waren. Der Frieden sollte allerdings nicht allzu lange währen.

Eine Gruppe Holzarbeiter betrat das Gasthaus und bestellte eine Runde Bier an der Bar. Die Männer, es waren fünf an der Zahl, unterhielten sich lautstark über die vollbrachte Arbeit des heutigen Tages und rissen gelegentlich den ein oder anderen derben Witz. Einer von ihnen wurde schließlich auf sie aufmerksam und stieß seinen Nachbarn mit dem Ellbogen an. Auf dessen fragenden Gesichtsausdruck hin deutete er mit dem Kopf in Askans Richtung. Nach und nach kam ein abfälliges Gemurre auf, immer wieder fielen die Worte "Hexer" und "widerwärtiger Mutant". Irritiert warf Zaira ihrem Begleiter einen Blick zu, doch dieser schien die verachtungsvollen Bemerkungen entweder nicht wahrzunehmen oder zu ignorieren.

"Wir wollen hier keine dreckigen Hexer." Einer der Holzfäller war, von seinen Kumpanen angestachelt, an ihren Tisch getreten und sah Askan von oben herab abschätzig an. Dieser wirkte vollkommen desinteressiert und leerte unbeeindruckt den letzten Rest seines Biers. "Hast du gehört?", legte der Fremde nach, "du sollst dich vom Acker machen!" "Was zum Teufel ist dein Problem?!" Verärgert sprang Zaira vom Stuhl auf und funkelte den Unruhestifter wütend an. "Sieh an, sieh an. Hast du etwa deine Dirne mitgebracht? Die kannst du gleich hierlassen." Anzüglich grinsend musterte ihr Gegenüber sie ungeniert von oben bis unten. Bevor der Mann reagieren konnte, hatte sie mit einem Satz die Distanz zwischen ihnen übersprungen und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. "Du widerliche kleine Schl..." Ehe er auf sie losgehen konnte, hatte Askan sich erhoben und ihn grob zur Seite gestoßen. "Komm, wir gehen. Keine Widerrede." Mit diesen Worten schob er sie zum Eingang. Rüde Beschimpfungen schallten ihnen hinterher, bis die massive Holztür ins Schloss fiel und das Tosen des mittlerweile strömenden Regens die nun gedämpften Stimmen übertönte. Verdrossen zog Zaira sich ihre Kapuze über und lief mit eingezogenem Kopf zu dem anliegenden Stall hinüber. Askan folgte ihr.

Erbe der Macht [The Witcher FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt