Der Aufprall blieb aus. Stattdessen hörte Zaira ein unangenehm kreischendes, quietschendes Geräusch, als würde man mit einer Klinge über Metall reiben. Verwirrt machte sie die Augen wieder auf. Keine drei Schritte vor ihr lag das Untier niedergestochen am Boden. Askan zog sein Schwert aus dem Rücken des toten Monsters und kam wutentbrannt auf sie zu. "Sag mal hast du den Verstand verloren?!", brüllte er sie an. Zaira wurde schwindlig. Allmählich verflog die Wirkung des Adrenalins. Ihre Beine gaben nach und sie sank zitternd auf die Knie. "Habe ich dir nicht ausdrücklich gesagt, dass du dich fernhalten sollst?!" Der Hexer packte sie am Arm und riss sie grob wieder hoch. "Du hättest tot sein können, verdammt noch mal!" Seine Stimme bebte vor Zorn. "Ich...", setzte Zaira zu einer Erklärung an, doch er unterbrach sie forsch. "Nicht jetzt, erst verschwinden wir hier. Kikimoren sind keine Einzelgänger und zwei reichen mir für heute." Er hob ihren Bogen auf und zog sie unsanft hinter sich her.
Im Handumdrehen saßen beide wieder im Sattel und entfernten sich rasch vom Schauplatz des Kampfes. Obwohl der Weg hier breit genug war für zwei Pferde, ritt Askan energisch voran. Er war immer noch wütend. Zaira wagte nicht ihn anzusprechen. Das Intermezzo mit den Sumpfmonstern und - viel mehr noch - Askans gespenstisches Auftreten hatten sie stark verunsichert. Noch immer hatte sie dieses Bild in ihrem Kopf, sein kalkweißes Gesicht mit den rabenschwarzen Augen, wie von einem Dämon besessen. Er war auf einmal wie ausgewechselt gewesen. Als hätte eine verborgene zweite Seite, irgendeine infernalische Macht, plötzlich von ihm Besitz ergriffen und an seiner Stelle gehandelt. Und diese Seite jagte ihr zugegebenermaßen ein wenig Angst ein. Ach, komm schon, er hat dir gerade das Leben gerettet. Nun, das stimmte. Und sie hatte sich noch gar nicht dafür bedankt.
Nach einer Weile verlangsamte der Hexer das Tempo und sah sich nach ihr um. Die Blässe war aus seinem Gesicht gewichen und auch seine Augen schimmerten wieder in dem seltsamen aber inzwischen vertrauten gold-gelben Farbton. Er schien sich einigermaßen abreagiert zu haben. Etwas zaghaft erwiderte Zaira seinen Blick, dann trieb sie Milos an und ließ ihn neben Falka herlaufen.
"Warum hast du das getan?", fragte Askan mit ruhiger Stimme. Überrascht wandte sie sich ihm zu. Die Frage schien ernst gemeint. "Ich dachte, du hättest das andere Monster nicht bemerkt. Ich hatte Angst um dich." Verblüfft sah er sie an, dann lachte er laut auf. "Bei allen Göttern, Zaira, ich bin ein Hexer. Es braucht schon ein bisschen mehr als eine Kikimora..." "Zwei", unterbrach sie ihn. Er seufzte und fuhr fort: "...als zwei Kikimoren, um mich in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Ich verbringe mein ganzes Leben damit, diese Viecher zu bekämpfen, glaub mir, ich weiß was ich tu." Mit hochgezogener Augenbraue musterte er sie. "Was man von dir nicht behaupten kann." Verlegen wandte Zaira den Blick ab. "Danke übrigens für vorhin", brachte sie schließlich hervor, was er mit einem Nicken zur Kenntnis nahm. "Versprich mir einfach, dass du sowas nicht noch einmal machst", sagte er, "ich meine es ernst. Wenn ich dir sage, dass du dich verziehen sollst, dann mach das in Zukunft auch." "Na schön", gab sie sich geschlagen, "ich verspreche es."
Nach und nach wurde es dunkler im Wald und als ihr Weg sie an einer kleinen Lichtung vorbeiführte, beschlossen sie gleich hier ihr Nachtlager aufzuschlagen. Während Zaira die Pferde versorgte, überprüfte Askan, ob die ausgesuchte Stelle auch wirklich sicher war. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass in der Nähe keine weiteren fleischfressenden Ungeheuer lauerten, machten sich die beiden hungrig an die Zubereitung ihres Abendessens.
Erschöpft von den Ereignissen des Tages saß Zaira am Lagerfeuer, die Beine angewinkelt und mit den Armen umschlungen, und beobachtete wie das Kaninchen, das Askan bei seinem Kontrollgang aufgestöbert hatte, langsam über den Flammen briet. Der Hexer setzte sich zu ihr und erhob nach kurzem Schweigen das Wort. "Ich denke es ist längst überfällig, dass du ein paar Dinge über die Gefahren lernst, die in dieser Welt hinter jeder Ecke lauern können. Ab morgen werden wir uns ein bisschen mit Monsterkunde befassen, dann ist die Zeit unterwegs gleich sinnvoll genutzt." Zaira nahm den Vorschlag nickend an. "Allerdings", fügte Askan mit einem schiefen Grinsen hinzu, "nur in der Theorie. Den praktischen Teil überlässt du wie vereinbart mir."
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Erbe der Macht [The Witcher FF]
Fantasi"Flieh, verlasse dieses Land. Du bist hier nicht länger sicher." Fernab der Zivilisation, in den dichten Wäldern Nilfgaards, führt die 25-jährige Zaira mit ihren Eltern ein recht einsiedlerisches Leben, als ein grauenhaftes Ereignis jäh die Familie...