Kapitel 9

114 8 3
                                    

Zaira schreckte hoch. Etwas hatte sie geweckt, doch sie konnte nicht mit Sicherheit sagen, was es gewesen war. Die Höhle lag in undurchdringlicher Finsternis da, lediglich ein schwacher Lichtschein fiel von außen herein und machte die Konturen des verkarsteten Gesteins rund um den Eingangsbereich sichtbar. Gebannt hielt sie den Atem an und lauschte. Da, schon wieder. Ein kaum hörbares Rascheln drang an ihr Ohr, begleitet von einem leisen...Schnüffeln? Was auch immer diese Geräusche verursachte, es trieb sich zweifellos vor ihrem Unterschlupf herum.

Mit pochendem Herzen setzte Zaira sich auf. Erst jetzt bemerkte sie, dass Askan nicht mehr neben ihr lag. Panik keimte in ihr auf und sie sah sich hektisch um. Da fiel ihr der schemenhafte Umriss des Hexers ins Auge, der sich dicht an den Felsen neben dem Höhleneingang presste. Mit einer Hand umfasste er den Griff seines Schwertes, dessen Klinge schwach das matte Dämmerlicht reflektierte. Als sich ihre Blicke trafen, legte er den gestreckten Zeigefinger der freien Hand senkrecht an die Lippen und gab ihr mit einer knappen Kopfbewegung zu verstehen, dass sie sich weiter ins Höhleninnere begeben sollte. Dann begannen sich seine gold-gelb schimmernden Augen schwarz zu färben und binnen eines Herzschlags verschmolzen sie mit der Dunkelheit.

Vorsichtig rappelte Zaira sich auf. Sie zwang sich langsam und flach zu atmen und begab sich möglichst lautlos Schritt für Schritt tiefer in die Finsternis hinein. Um nicht die Orientierung zu verlieren, tastete sie sich mit einer Hand an der schroffen Felswand entlang. Den anderen Arm hatte sie nach vorne gestreckt, sodass sie mögliche Hindernisse früh genug erkennen konnte. In Gedanken schalt sie sich selbst dafür, dass sie ihr Schwert nicht zu ihrem Schlafplatz mitgenommen hatte, um es im Notfall griffbereit zu haben. Hätte sie eine anständige Waffe bei sich, würde sie sich jetzt vermutlich nicht dermaßen wehrlos fühlen.

Kurz hielt Zaira inne und horchte auf. Die Geräusche vor der Höhle waren verstummt, nur ihr eigener, rasender Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Wachsam setzte sie ihren Weg fort, als sie mit dem linken Fuß unvermittelt einen kleinen Stein lostrat, der ein Stück weit über den Boden kullerte und mit einem unüberhörbaren "Klack", das von den Wänden als Echo widerhallte, schließlich zum Erliegen kam. Scheiße. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Der Wald hinter dem Höhleneingang kam in Bewegung. Schwarze Schatten huschten durch die Dämmerung und die Erde vibrierte leicht unter dem Gewicht schwerer Leiber. Ein furchterregendes Knurren ertönte, begleitet von einem langanhaltenden, schaurigen Heulen. Wölfe.

* * *

Verstohlen spähte Askan an der Felswand vorbei nach draußen. Mit einem kurzen Blick stellte er fest, dass das Rudel aus neun Individuen bestand, die allesamt voll ausgewachsen waren. Anhand ihres Körperbaus konnte er erahnen, dass die Raubtiere ziemlich ausgehungert waren und sich nicht so einfach vertreiben lassen würden.

Kampfbereit spannte der Hexer die Muskeln an und verfolgte konzentriert das sich nähernde, knackende Geräusch der am Boden liegenden Zweige, die unter dem Gewicht der Pfoten nachgaben. In Gedanken zählte er langsam bis drei, dann schnellte er aus seinem Versteck hervor und hieb mit dem Schwert nach dem ersten Wolf, der gerade die Höhle betreten wollte. Widerlich schmatzend fuhr die Stahlklinge durch Pelz, Fleisch und Sehnen und das Tier sackte auf der Stelle tot zusammen. Mit einem Ruck riss Askan sein Schwert aus dem leblosen Körper und formte gleichzeitig mit der freien Hand das Zeichen Aard. Die daraus resultierende Druckwelle schleuderte die drei nachfolgenden Wölfe einige Klafter weit durch die Luft und ließ sie hart am Boden aufprallen. Winselnd rappelten sie sich auf und suchten mit eingezogenem Schwanz das Weite.

Augenblicklich wandte der Hexer sich der nächsten Bestie zu, die ihn von der Seite her anfiel, und schickte auch diese mit einem gezielten Schwertstreich in die ewigen Jagdgründe. Die verbliebenen vier Raubtiere umzingelten ihn mit hochgezogenen Lefzen und schnappten wild nach seinen Extremitäten. Geschickt wich er den scharfen Reißzähnen aus und hielt die Angreifer mit einer blitzschnellen Kombination von Hieben und Stichen mit dem Schwert in Schach. Sobald sich die Gelegenheit ergab, wirkte er Igni und steckte damit zwei der Tiere in Brand, welche daraufhin jaulend die Flucht ergriffen.

Erbe der Macht [The Witcher FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt