Kapitel 7

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Der Schmerz aus meinem linken Rippenbogen hatte sich mittlerweile in meinem ganzen Brustkorb verteilt. Schon den ganzen Tag stach es unangenehm bei jedem Atemzug und das Wechseln meiner Kleidung hatte den pochenden Schmerz nur noch verschlimmert. Ich hatte mich auf der Toilette umziehen müssen, da mein Oberkörper von blauen Flecken übersät war und ich verhindern wollte, dass Hinata oder jemand anderes aus dem Team sie bemerkten.

Mein Atem ging flach und mir stand der kalte Schweiß auf der Stirn. Ich fühlte inzwischen sogar eine seltsame Benommenheit, doch ich würde auf keinen Fall das Training schwänzen. Zu einem würde es unangenehme Fragen aufwerfen, wenn ich nicht käme, aber noch mehr widerstrebte mir der Gedanke, mich von dem unterkriegen zu lassen, was mein Vater mir angetan hatte, und so betrat ich mit wackligen Knien die Turnhalle.

Unsicher bleib ich im Eingang stehen und sah mich um. Zum ersten Mal fühlte ich mich an dem Ort, der eigentlich wie mein Zuhause war, unsagbar verloren. Es war, als würde ein Teil von mir fehlen, und genau nach diesem Stück sah ich mich um. Ich wollte mich wieder vollständig fühlen und an diesem Bedürfnis hatte auch unsere Auseinandersetzung von heute Morgen nichts verändert.

Ich hatte keine Chance gehabt, Hinata etwas vorzumachen. Sein wachsamer Blick hatte meinen Zustand sofort erfasst und mich völlig bloßgestellt. Hartnäckig hatte er immer wieder gefragt, was passiert war, und die Tatsache, dass er mich durchschaute, als bestünde ich aus Glas, hatte mich in regelrechte Panik versetzt.

Aus Angst, dass er hinter mein Geheimnis kommen könnte, hatte ich so reagiert, wie ich es schon immer getan hatte. Ich dachte, wenn ich die schützenden Mauern um mich erneut errichten würde, die ihn auf Abstand hielten, würde ich mich wieder sicher fühlen.

Aber ich hatte mich geirrt. Die Distanz zu ihm fühlte sich unglaublich falsch an und das war auch der Grund, warum ich jetzt derjenige war, der seine Nähe suchte. Zu sehr quälte mich der Gedanke, dass er meine Aufforderung befolgen und sich wirklich für immer von mir fernhalten würde.

Die bloße Vorstellung, dass er mir nie wieder nah kommen würde, machte mir Angst. Die Ungewissheit, was dann aus mir werden würde, wenn er nicht mehr die Hand nach mir ausstreckte, um die Weite zwischen uns zu überbrücken, saß wie ein fester Knoten in meiner Brust und erschwerte mir das Atmen zusätzlich.

Und dann endlich entdeckte ich ihn. Aus Gewohnheit hätte ich beinah seinen Namen gerufen. Hinata sprach gerade mit Sugawara und ich betrachtete völlig eingenommen das mir so vertraute Profil. Je länger ich ihn ansah, desto lauter wurde die Stimme in mir, die mich zu ihm drängte.

Erinnerungsfetzen der vergangenen Nacht rasten durch meinen Kopf. Der reale Hinata unterschied sich nicht von dem aus meinem Traum und löste in mir dieselben starken Gefühle aus.

Am liebsten würde ich zu ihm herübergehen und mit ihm ganz normal reden. Aber nach meiner schroffen Abfuhr von heute Morgen hatte ich die Befürchtung, dass er nun derjenige sein würde, der mich abwies. Doch ich wollte zu ihm, ich wollte das so sehr, dass es körperlich wehtat. Die Einsamkeit, die ich so gewohnt war, lastete plötzlich schwer auf meinen Schultern.

Ich hatte das Gefühl, von ihr erdrückt zu werden, als sich plötzlich Hinatas Kopf in meine Richtung bewegte. Schweigend sahen wir uns an und je länger wir Blickkontakt hielten, desto lauter befahl die Stimme in mir, mich ihm zu nähern. Aber wieder einmal war es Hinata, der als erstes unsicher einen Schritt auf mich zumachte.

Warte einen kurzen Augenblick. Komm mir jetzt noch nicht näher, dachte ich panisch, denn ich brauchte einen Moment, um meine Gefühle wieder zu verschließen und mir zu überlegen, was ich sagen sollte. Ich wollte ihm nicht erneut wehtun, nicht hier, nicht vor den Augen aller anderen. Ich brauchte noch etwas Zeit. Nur einen kurzen Atemzug, um mich innerlich für ihn zu wappnen.

Safe place - Buch 1 KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt