Kapitel 10

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[PoV Hinata]

Nachdem ich mir schnell meine Jacke und Schuhe angezogen hatte, traten wir nach draußen in den Vorgarten. Auf dem kleinen, krummen Weg hatten sich Pfützen gebildet, doch es regnete zum Glück nicht mehr und auch der Wind war zur Ruhe gekommen. Die Luft war kalt und feucht, was mich in meiner dünnen Jacke leicht frösteln ließ.

Kageyama ging schweigend voraus und ich starrte befangen auf seinen breiten Rücken. Der Streit schwelgte noch zwischen uns wie ein noch glimmendes Feuer. Eilig schloss ich zu ihm auf und lief nervös neben ihm her. Sein Gesicht glich wieder mal einer undurchdringbaren Maske und als er zu mir sah, lag ein kalter, fast gleichgültiger Ausdruck in seinen Augen, was mir einen leichten Stich versetzte.

So hatte er mich schon lange nicht mehr angesehen, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass ihn etwas sehr beschäftigte - etwas, woran er mich nicht teilhaben ließ und es wieder einmal mit sich allein ausmachen wollte. Dabei hätte ich nur zu gerne gewusst, warum er mich nicht mitnehmen wollte und die Vorstellung, dass ich ihn begleitete, ihn so schrecklich wütend machte.

Doch ich konnte nicht anders. Der Gedanke, ihn alleine gehen zu lassen, hatte sämtliche Alarmglocken in mir schrillen lassen. Es war doch gerade Mal eine Woche her, dass ihn diese fiesen Typen auf dem Nachhauseweg überfallen hatten. Nicht noch einmal würde ich zulassen, dass er ihnen allein begegnete. Schließlich hatte ich mir geschworen, ihn zu beschützen.

Es pochte erneut unangenehm in meiner Brust und der Drang, nach seiner Hand zu greifen und mich zu vergewissern, dass zwischen uns alles okay war, wurde sekündlich immer stärker. Aber ich traute mich mal wieder nicht. Die Angst, dass er mich zurückwies, war einfach zu groß, und nachdem wir so viel Nähe geteilt hatten, würde ich eine Abfuhr von ihm noch weniger ertragen.

Stattdessen sah ich mutig zu ihm hoch und schenkte ihm ein kleines aufmunterndes Lächeln, das er allerdings nicht erwiderte. Sein Arm zuckte allerdings kurz in meine Richtung, als wollte er nach meiner Hand greifen, aber wir waren nicht mehr in meinem Zimmer, in unserer geschützten Blase. Draußen in der Öffentlichkeit, vor allem in der Schule und im Volleyball-Club, behielten wir eine angemessene Distanz zwischen uns.

Wir traten aus der Seitenstraße heraus und mein Blick fiel automatisch auf die Stelle, an der wir vergangenen Samstag ineinander gerannt waren. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass diese zufällige Begegnung alles zwischen uns verändern würde.

Dass Kageyama nun jeden Abend neben mir einschlief, mich küsste und Stellen an meinem Körper berührte, die mir die Röte ins Gesicht trieben war etwas, das ich vor wenigen Wochen noch für unmöglich gehalten hatte, denn ich war mir ziemlich sicher gewesen, dass er in mir nicht mehr als einen nervigen Teamkameraden sah.

Aber jetzt war er es, der mich, wann immer wir alleine waren, in den Arm nahm und küsste. Und nachts, wenn er glaubte, dass ich tief und fest schlief, kuschelte er sich an mich, als könnte er keine Ruhe finden, wenn ich nicht sicher in seinen Armen lag.

Ich mochte diese Seite an ihm, ohne Frage - wusste ich doch, dass er sie sonst niemandem zeigte - aber zugleich lebte ich mit der ständigen Angst, etwas falsch zu machen, sodass ihm meine Nähe plötzlich doch zu viel wurde und er wieder davonlief.

Ich hasste mein Gehirn dafür, dass es mich unsere gemeinsame Zeit nicht ganz genießen ließ, würde sie doch sowieso schon viel zu bald enden, und ich fragte mich ständig, was mit uns passieren würde, wenn seine Eltern zurückkehrten.

Würde das alles zwischen uns beenden?

Er hatte zwar gesagt, dass er mich braucht, aber wie ernst waren seine Worte wirklich gemeint?

War ich ihm wirklich so wichtig? Und konnte ich darauf vertrauen, dass er bei mir blieb?

Wir hatten nie gesagt, was das zwischen uns war, und ich wusste noch nicht einmal, ob er dasselbe für mich empfand. Ich hatte einfach nur so schreckliche Angst, ihn zu verlieren.

Safe place - Buch 1 KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt