Kapitel 1

1.8K 68 43
                                    


Unsicher blieb ich in der Tür zum Klassenzimmer stehen und blickte mich suchend um. Erst vor kurzem hatte es zur Mittagspause geläutet und an den Tischen bildeten sich bereits kleine Gruppen, um gemeinsam zu Mittag zu essen. Ich war allerdings auf der Suche nach einer bestimmten Person und mein Blick blieb an einem ziemlich miesepetrigen, großen Blonden hängen.

Das nervöse Kribbeln in meinem Bauch nahm schlagartig zu. Der grimmige Blonde saß allein über seinem Bento gebeugt und aß schweigend. Er hatte Kopfhörer aufgesetzt, damit niemand auch nur auf die Idee kam ihn anzusprechen.

Konnte eine Person noch distanzierter und verschlossener sein als Tsukishima?

Ich sah schweigend in seine Richtung und versuchte mich zu überwinden, endlich einen Schritt in den Raum zu tun.

Warum saß er auch allein? Wo war Yamaguchi?

Es würde mir sicherlich einfacher fallen, Tsukishima anzusprechen, wenn sein bester Freund bei ihm wäre. Nervös drehte ich das Blatt in meinen Händen. Vor der Mittagspause hatte ich mein Englisch Testergebnis mitgeteilt bekommen und das war leider mehr als miserabel ausgefallen und nun stand meine Teilnahme am Trainingscamp in Tokyo auf dem Spiel.

Allein der Gedanke, nicht an dem einwöchigen Camp mit den anderen teilzunehmen, verursachte mir Bauchweh und so trat ich mit einem beherzten Schritt in den Raum. Ich durchschritt diesen und blieb vor Tsukishima stehen, der irritiert zu mir aufblickte.

Ein gehässiger Ausdruck legte sich auf seine Gesichtszüge, als er mich erkannte. Er setzte seine Kopfhörer ab und sah erwartungsvoll auf.

„Ja, Hinata?", fragte er, da ich zunächst kein Wort sprach und ihn nur anstarren konnte.

Sag was, zwang ich mich innerlich. Lass dich von ihm nicht einschüchtern. Sag endlich was.

„Kannst du mir Englisch Nachhilfe geben?", schoss es dann doch endlich laut aus mir heraus, so laut, dass sich einige Schüler zu uns umdrehten. Tsukishima lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete mich ausgiebig.

„Warum sollte ich?", antwortete er unterkühlt. Und da war sie, die Absage, vor der ich mich so gefürchtet hatte. Panik stieg in mir hoch.

„Ich will mit nach Tokyo! Zum Camp!", sprudelte es ungehalten aus mir heraus. Ich musste ihn einfach überzeugen. „Warum fragst du mich? Und nicht Kageyama? Oder ist sich unser stolzer König zu schade dafür?" Ich schüttelte den Kopf. Die Wahrheit sah so aus, dass ich nicht im Stande war, den dunkelhaarigen Setter zu fragen. Mein Stolz, eine Schwäche vor Kageyama zuzugeben, ließ das einfach nicht zu.

Ich wollte auf keinen Fall, dass er von meinen schlechten Schulnoten erfuhr. Schließlich wollte ich vor ihm nicht wie ein kompletter Vollidiot dastehen und da war ja noch die Sache mit meinen Gefühlen für ihn, aber die ging Tsukishima nun wirklich nichts an.

„Ich kann nicht.", sagte ich deswegen kleinlaut und ließ meinen Blick auf den Boden fallen.

Es fiel mir unglaublich schwer, Tsukishima um Hilfe zu bitten. Wir waren nicht gerade die besten Freunde, aber wir waren Teamkollegen und das musste bei dem Miesepeter doch auch etwas bedeuten und wenn er es schon nicht mir zuliebe machen wollte, dann wenigstens fürs Team.

„Du kannst ihn nicht fragen?" Tsukishima zog irritiert eine Augenbraue hoch, bevor er gleichgültig mit den Schultern zuckte „Und ich will nicht.", sagte er und griff nach seinen Kopfhörern, um sie wieder aufzusetzen. Für ihn war das Gespräch hiermit scheinbar beendet.

„Warte! Ich...", stammelte ich, während sämtliche Augen im Raum auf mir lagen. Einige steckten sogar flüsternd ihre Köpfe zusammen. Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Tsukishima um Hilfe zu bitten, war mir schon sehr schwer gefallen und nun ließ er mich eiskalt vor der versammelten Klasse abblitzen.

Safe place - Buch 1 KageHinaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt