Kapitel 4

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Aurora Arcturus

Es war still, als Aurora eine nervenaufreibende Stunde später - in der sie sich und ihr Volk fast vor Orion entblößt hatte - wieder durch den Spiegel nach Phoenix schritt.

Verdächtig still.

Sie lief schnellen Schrittes aus dem Meer aus Spiegeln in dem großen, hohen Raum. Tabit wartete vor der Tür auf sie. Sie stand wie eine Wachsfigur dort und rührte sich erst, als Aurora in ihr Blickfeld kam und ihr zunickte. Weit und breit waren keine anderen Soldaten zu sehen. Nur Tabit Fafnir bewachte den Spiegelsaal.

"Was ist geschehen? Haben wir ihn erwischt?", fragte Aurora und ihr Blick huschte die Flure entlang, bevor sie ihre beste Freundin musterte.

"Was denkst du?", spottete Tabit und löste sich von ihrem Posten, um Aurora den Flur entlang zu folgen. Aurora hätte es sich denken können. Hätten sie den Sandmann erwischt, würde Tabit nicht so eine Mine ziehen. Wenn sie ihn erwischt hätten, würde jetzt die ganze Stadt feiern. Jedenfalls die, die übrig waren.

"Solltest du nicht auf deinem Posten bleiben?", fragte Aurora. Die leisen Schritte hinter Aurora wurden etwas lauter und schließlich gesellte sich Tabit neben sie. Die junge Leibgardistin ignorierte Auroras Frage und musterte sie neugierig.

"Du bist gerade rechtzeitig zum Training zurückgekommen. Wie war es beim Sandmannssohn?"

"Sag es noch etwas lauter, sodass es bald das ganze Königreich weiß", zischte Aurora und sah sich verstohlen um. Doch es war niemand in der Nähe. Alle Soldaten waren damit beschäftigt, dem Sandmann hinterherzujagen. Das Personal hielt sich versteckt. Aurora fragte sich überhaupt, ob ihr General an diesem Tag überhaupt auf das Training der Leibgardisten bestehen würde. Doch wie sie Maui kannte, würde er sie durch ihr tägliches Training drillen, auch wenn der Weltuntergang bevorstehen würde.

"Vielleicht hättest du auf der anderen Seite der Spiegel bleiben sollen", sagte Tabit mit einem Seufzen. "Überall ist es besser, als hier in diesem Alptraum zu leben"

Aurora schwieg für einen Augenblick. Sie verstand, was Tabit meinte. Tabit, die alles dafür geben würde, ihre Familie und sich in Sicherheit zu wissen. Doch Aurora würde nicht im Traum daran denken, ihr Volk im Stich zu lassen. Sie würde kämpfen und wenn es das letzte war, was sie tun würde.

"Die andere Seite der Spiegel ist nicht sicherer, als hier", sagte Aurora deshalb.

"Sie haben keinen Sandmann", erwiederte Tabit nur. "Was könnte dort drüben sein, was schlimmer als der Sandmann ist?"

"Sie haben ihre ganz eigene Form der Magie", sagte Aurora. Bilder von Technologie, von Waffen, die sie sich im Traum nicht hätte ausmalen können, schossen ihr durch den Kopf. Ja, auf der anderen Seite der Spiegel mochte die Magie von Phoenix nicht funktionieren. Doch die Menschen dort zauberten auf ganz andere Weise.

"Nirgends ist es sicher, Tabit", sagte Aurora. "Auch dort drüben nicht. Die Menschen haben sich genauso in den Haaren, sie bekämpfen ihre ganz eigenen Sandmänner. Erzähl mir lieber, was hier geschehen ist"

Tabit zögerte, doch schließlich schüttelte sie fassungslos den Kopf.

"Ja was wohl", sagte sie. "Er war schneller weg, als diese untauglichen Idioten gefeuert werden könnten", erklärte Tabit.

"Wie viele hat er erwischt?", fragte Aurora schließlich. Eine Frage, die sie sich kaum traute zu stellen.

Tabit fummelte an einem Riemen an ihrem Oberschenkel herum, der einen langen Dolch an Ort und Stelle hielt.

"Ich habe keine Ahnung", sagte sie leise. Aurora fragte sich, wie lange es dauern würde, bis Tabit von ihrer Familie hörte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es für die Soldatin sein musste, im Sicheren Schutz der Palastmauern zu wohnen, während ihre Familie dem Sandmann außerhalb der Mauern ausgesetzt war. Ohne den Schutz von dutzenden Soldaten. Komplett hilflos.

Der SandmannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt