Aurora Arcturus
An diesem Morgen war Aurora dankbarer denn je für das Training, für die entkräfteten, doch glücklichen Kollegen neben ihr, die alle mit der Motivation der kommenden Rangkämpfe zu pulsieren schienen. Aurora war dankbar für die wenigen Minuten der Ablenkung, die das Training brachten und sie war auch dankbar für die warnenden Worte Takis und seinen scharfen Blick, als er ihnen mit verschränkten Armen strenger als sonst betrachtete, als wäre er besonders erpicht darauf, jeden einzelnen von ihnen im Finale sehen zu können.
Aber es würde nur zwei von ihnen geben, die sich im Finale duellieren würden.
Aurora war sich nicht sicher, ob Taki einen Favoriten hatte. Doch er ließ ihr Gespräch vom Vortag unkommentiert und wenn er noch immer ein Problem mit ihrem Plan, teilzunehmen haben sollte, versteckte er es gut. Er trieb sie bis zum Limit. Er ließ nicht zu, dass jemand beim Lauf zurückfiel, ließ nicht zu, dass einer von ihnen im Kampf eine ungedeckte Seite hatte. Er schien es sich zum Ziel gemacht haben, sie alle zu Supersoldaten zu machen, bevor die Kämpfe am kommenden Freitag beginnen würden.
"Morgen um diese Zeit will ich eine finale Entscheidung von allen haben", erkläre er heute, auf der steinernen Plattform stehend. "Ich erinnere euch noch ein letztes Mal, dass die Teilnahme an den Kämpfen einmalig ist. Solltet ihr ausscheiden, habt ihr eure Möglichkeit, General zu werden verspielt"
Die Worte lagen noch schwer auf Auroras Herzen, als sie sich recht eilig von Tabit verabschiedete, deren Blick sie noch spürte, als sie sich umdrehte und zum Palast zurücklief.
Sie winkte ab, als sie in ihre Gemächer marschierte und Miram ihr mit einem frischen
"Ich habe dir gerade ein Bad eingelassen", sagte sie.
"Später", murmelte Aurora. Sie hatte keine Zeit für das Bad, obwohl das schweißtreibende Training dringend eins forderte. Doch sie musste arbeiten.
"Aurora", setze Miram an und folgte ihr in ihre Bibliothek. Sie bettete ihre Hände auf dem weichen Handtuch, das sie auf die Lehne des Stuhls legte, auf dem am Tag zuvor Cara saß. "Es tut mir so leid..."
"Du hast nichts falsch gemacht", stellte Aurora klar. Sie ließ sich hinter ihren Schreibtisch fallen. "Mach dir keine Sorgen"
"Ich weiß, dass es um irgendetwas geht, wovon ich keine Ahnung habe", fuhr Miram fort. "Und ich will auch gar nicht wissen, was das gestern zu bedeuten hatte. Aber wenn es irgendetwas hilft, dann bin ich von Caras und Orions Gutmütigkeit überzeugt. Ich hätte sie nicht angestellt, wenn ich ihnen nicht vertraut hätte"
"Ich weiß", Aurora lächelte leicht. "Ich bin es auch. Und ich würde dir gerne erklären, worum es geht. Aber das kann ich nicht"
"Ich möchte es auch nicht wissen", sagte Miram. "Sicher, dass du dir nicht ein Bad gönnen willst, bevor du dich wieder an die Arbeit machst?"
Aurora schüttelte den Kopf und legte die Hände auf den Schreibtisch.
"Ich habe einen Fehler gemacht, Miram. Einen großen Fehler. Und den muss ich so schnell und so gut wie möglich wieder ausbügeln"
Miram nickte und neigte ihren Kopf kurz.
"Ich werde dir einen Tee machen", sagte sie und verschwand aus dem Zimmer.
-
Auroras Feder wanderte flink über das Pergament. Sie schrieb und schrieb, doch ihr war bewusst, dass sie beim Prozess am Wochenende wohl nichts sagen konnte, was sie ihrer Schuld entlasten würde. Es gäbe nichts, was die alten Agenten, die vor ihr im Projekt tätig waren, davon abhalten würde, sie mit enttäuschten und verurteilenden Blicken zu mustern und sich zu fragen Was sucht auch die Prinzessin in diesem wichtigen, geheimen Projekt?
Sie legte die Feder weg, blickte hinunter auf ihre Worte und hielt sich zurück, die hart erarbeiteten Worte nicht zu zerreißen, waren es doch alles Lügen.
Es klopfte.
"Ja", sagte Aurora und lehnte sich gegen die Lehne ihres Sessels.
Sie hörte, wie sich die Tür zur Bibliothek langsam öffnete. Sie erwartete den versprochenen Tee von Miram. Doch es kam nicht der willkommene Geruch von grünem Tee, sondern das Geräusch von schweren Stiefeln auf Holzboden.
Aurora öffnete die Augen.
Es war Lyterses.
"Hey", sagte er und blieb vor ihrem Schreibtisch stehen. Er blickte hinunter auf das Chaos an Papieren und Büchern und ließ sich schließlich auf einen Sessel sinken. "Wie gehts dir?"
Sie musterte ihren Bruder.
"Gut", sagte sie kurz angebunden und zog die Knie an die Brust. "Weshalb bist du hier?"
Es schien, als hätte auch er nicht gut geschlafen. Tiefe Augenringe zierten sein sonst so makelloses Gesicht. Seine Finger fuhren das Muster auf dem Polster des Sessels nach.
"Ich möchte mich für mein Verhalten gestern entschuldigen", sagte er und blickte sie dabei an. "Das war nicht okay"
"Es war okay", sagte Aurora tonlos. "Du hast endlich einmal reagiert, wie ein normaler Mensch"
"Das sollte ich aber nicht", erwiderte ihr Bruder. "Hätte unser Vater uns gesehen gestern - er wäre enttäuscht von uns beiden gewesen"
"Das ist er sowieso"
Aurora schwieg für einen Augenblick.
"Wie hat er reagiert, als du es ihm gesagt hast?", fragte sie schließlich leise.
"Überraschend entspannt", sagte er. -"Aber ich weiß nicht, weshalb. Es ist fast so, als wäre es ihm gleichgültig"
"Er hat viel auf dem Teller aktuell", murmelte Aurora.
Einen Moment lang sagte keiner von ihnen etwas.
"Arbeitest du am Prozess?", fragte Lyterses. Sie nickte, als sie den Blick wieder über ihre Worte schweifen lief.
"Brauchst du Hilfe?"
"Hast du nicht auch genug auf dem Teller?", fragte Aurora und blickte auf. "Du brauchst mich nicht babysitten"
"Aurora", sagte Lyterses warnend. "Der Prozess am Wochenende ist kein Spaß. Er entscheidet nicht nur über das Schicksal von Orion, sondern auch das von Cara. Ganz zu schweigen davon, was mit dem Projekt passiert. Mit der Nachfolge des Sandmanns. Es steht viel auf dem Spiel. Es ist okay, wenn du meine Hilfe annimmst. Es geht hier um mehr als um deinen Stolz"
"Ich bekomm das alleine hin", versicherte Aurora ihm. "Ich brauche deine Hilfe nicht"
"Wie du meinst", sagte er. "Denk Daran, dass unser Vater nicht gnädig ist. Wenn es hart auf hart kommt, wird er Cara töten wollen"
"Ich habe gerade gesagt, dass ich deine Hilfe nicht benötige", trällerte Aurora und verschränkte die Arme.
"Okay", sagte Lyterses und wandte sich zum Gehen. "Bleibst du auch bei deiner Entscheidung, was die Rangkämpfe angeht?"
Aurora schwieg.
"Ich meine nur, dass die ersten Kämpfe am Freitag, einen Tag vor dem Prozess sind. Ich will nicht, dass du dich übernimmst. Ich weiß, dass meine Worte nichts bei dir anrichten. Denn das tun sie nie und du tust sowieso, was du willst. Aber du solltest dich gut auf den Prozess vorbereiten. Das ist wichtiger als die Rangkämpfe"
"Vielleicht liegt es daran, dass dein Rat immer daraus besteht, mich vor irgendwas zu beschützen. Mich von irgendetwas abzuhalten, statt mich zu ermutigen", sagte Aurora und bedeutete ihm, zu verschwinden. Er sollte verschwinden, bevor er in ihrem Gesicht sah, dass sein Vortrag vom Vortag durchaus etwas in ihr angerichtet hatte.
Dieses Königreich braucht keinen General, der die Türen für den Erzfeind öffnet.
Mit dem Gewissen, dass an dem Prozess am Samstag so viel mehr hing, als nur das Schicksal von Orion, einem Freund von ihr, und Cara, einer Unschuldigen, machte sie sich wieder an die Arbeit. Denn der Prozess war wohl auch die einzige Chance das zu gerade zu biegen, was sie falsch gemacht hatte. Und die einzige Chance, ihrem Bruder und Vater ein für alle Mal zu beweisen, dass sie durchaus das Zeug hatte, die Elite der Soldaten anzuführen.
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Der Sandmann
FantasyAurora Arcturus, Prinzessin von Phoenix, tauscht ihre Krone lieber gegen einen Kampfstock in der Hand und ein Langschwert auf dem Rücken. Sie gehört zu den besten Kriegern des Landes und den klügsten Köpfen im Palast. Sie ist nicht Prinzessin, sie i...