Der Sandmann

Kapitel 15

Tabit Fafnir lief einen Schritt schneller.

Cara Sargas neben ihr holte mit kleinen Schritten zu ihr auf, doch sie fragte nicht, weshalb sie sich so beeilten.

Tabit konnte es kaum erwarten. Sie konnte es kaum erwarten, auf das Trianingsgelände zu gehen, ihre Kollegen zu erblicken und ihnen allen zuzujubeln, wenn sie sich schließlich gegenseitig die Haare ausrissen. Die Neuigkeiten, dass ein neuer General gekürt werden würde, hatte sich wie ein Lauffeuer nicht nur im Palast, sondern in der ganzen Stadt verteilt und Tabit war sich sicher, dass die Bewohner von Phoenix und Staatssoldaten außerhalb des Palastes sich gerade fragten, wer sich wohl in dieser ersten Runde durchschlagen würde.

Das Triningsgelände lag wie jeden Nachmittag in saftigen Grün dar, nur dort wo sie täglich trainierten war der Boden von braunen Flecken übersät, die nicht einmal die besten Gärtner heilen konnten. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel, nur ein kleiner Windzug strich Tabit über das Gesicht, als sie mit Cara im Schlepptau auftauchte. Was zunächst schien, wie ein gängiges Training, wie jeden anderen Tag auch - ihre Kollegen standen bereits fast alle vor der Kaserne versammelt - wurde jedoch beobachtet von vielen Angestellten des Palastes, von Gästen, die eingeladen wurden, um dem Spektakel von Anfang an zuzusehen. Gärtner hielten in ihrer Arbeit inne und standen - noch die dreckigen Schürzen um die Hüfte geschlungen - in respektvoller Entfernung von den uniformierten Soldaten, die nervös ihre Waffen schwangen oder sich in der Sonne dehnten.

Als Tabit über die Wiese lief erblickte sie das freundliche Lächeln von Kassandra, der ersten Frau der Leibgarde, die die Einladung, genauso wie viele andere ehemalige Soldaten der Leibgarde angenommen hatte. Ein Schauer lief Tabit über den Rücken, als sie diese ehemaligen Soldaten in ihrer alten Uniformen sah, als sie das legendäre Tattoo auf ihrem Unterarm erblickte. Sie würden ihre Nachfolger dabei beobachten , wie sie sich um den wichtigsten Titel duellierten. Sie fragte mich, ob sie irgendwann ebenfalls dort stehen würde - als alte Frau, vielleicht mit einer liebevollen Ehefrau an ihrer Seite - und mit dem verschrumpelten Tattoo der Leibgarde auf dem Unterarm und der nächsten Generation dabei zusehen würde, wie sie sich duellierten.

Sie hoffte es.

Tabit hörte Caras Schritte noch dicht hinter sich, als sie sich den Soldaten näherte.

Taki war noch nicht da, doch Tabit schritt langsam zu Aurora, die die Augen geschlossen hatte und ihr Gesicht in die Sonne reckte.

"Aufgeregt?", fragte Tabit und verschränkte die Arme.

Aurora öffnete die Augen und sah sie mit einem verschmitzten Grinsen an.

"Bitte", spottete sie. Doch Tabit kannte ihre beste Freundin gut und sie wusste besser, als jeder andere, was durch ihren Kopf ging. Sie wusste, wie wichtig das hier für Aurora war. Sie wusste, dass das hier - wie für jeden anderen Leibgardisten auch - eine einmalige Chance war.

"Sei ehrlich mit mir", warnte Tabit sie und Aurora seufzte.

"Ich muss zugeben, dass es mich etwas nervös macht, dass so viele Ehemalige zusehen", murmelte sie schließlich und reckte den Nacken. Aurora trug eine ihrer besten Uniformen, in einem hellen Beige, wie die anderen Soldaten, die antraten auch. Das Wappen der Leibgarde prangte auf ihrer Brust, doch im Gegensatz zu den restlichen Soldaten gab es kein Tattoo, das ihren Unterarm zierte.

"Warte nur auf die zweite Runde", sagte Tabit. "Die findet im Stadion statt und da wird es sicher noch mehr Zuschauer geben"

"Wenn ich es überhaupt in die zweite Runde schaffe", keuchte Aurora, doch Tabit schüttelte den Kopf.

"Kennst du deinen Duellgegner schon?", fragte sie und blickte sich um.

Taki war noch immer nicht da.