Wiedersehen

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Es waren die letzten fünfzehn Minuten bis Ausstellungsbeginn. Nervös lief Liv mit Klemmbrett und Stift in der Hand umher, um zum hundertstens mal, alle Ausstellungsstücke zu prüfen. Wieder einmal und wie bei den letzten neunundneunzig Kontrollen war alles perfekt. Natürlich war alles in Ordnung, sie hatte all das hier organisiert.

Kurz vor Beginn der Ausstellung und Begrüßung der Gäste zupfte Liv sinnlos an ihrem Kleid herum. Sie hasste es einfach, viel zu lang. Es war einfach zu lang Eine kurze Begrüßung, dann umherlaufen, um Fragen der Gäste zu beantworten und das war's schon. Erst danach wusste sie ob sich die Mühe und die Arbeit der letzten Wochen gelohnt hatte.

„Es freut mich zu sehen, dass Sie sich alle, so zahlreich hier eingefunden haben", begrüßte sie die Gäste und deutete auf all die Objekte hier im Raum, „In den kommenden Stunden haben Sie die Möglichkeit zahlreiche Bilder, Skulpturen und Objekte aus den unterschiedlichsten Epochen bestaunen zu können. Für Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung."

Mit einer einladender Geste zeigte Liv auf den ersten Raum, es folgte ein kleiner Applaus und Gäste machten sich mit Champagnergläsern durch die Räume. Bis lang, lief alles glatt. Was auch nicht so schwer sein durfte wenn es gerade erst begonnen hatte.

Strahlend ging Liv den Ersten hinterher, blieb bei einer kleinen Gruppe stehen um Näheres von der Herkunft oder von der Geschichte zu erzählen. Es war ihr Job und auch wahrscheinlich auch eines der wenigen Dingen, in denen sie wirklich gut war. Fakten und Zahlen.

„Ich schätze mal 17. Jahrhundert", hörte Liv eine Frau zu ihrem Mann sagen, „Der Künstler war bestimmt Franzose."

„19. Jahrhundert aus Italien. Die Zeit des Klassizismus. Kurz nach der Vollendung fing die schon Romantik an", berichtete Liv lächelnd und ging zu dem Paar hinüber, „Es ist nicht immer ganz leicht zu erkennen, gerade wenn man sich nicht jeden Tag mit Kunst beschäftigt."

„Und dennoch bleibt es ein hässliches Gemälde", verärgert begann ihr linker Nasenflügel zu zucken und sie drehte sich halb zu dem Mann, der zu ihnen hinüberkam und sie zur Begrüßung küsste, „Schatz."

„Eines des wenigen bekannten von Giacomo Conti", mit einem Kribbeln in der Hand, dass sich echt schwer unterdrücken ließ , fuhr sie unbeirrt fort, „Hoffentlich konnte ich Ihnen helfen."

Da keine weiteren Fragen kamen, nickte Liv und ließ die Drei stehen. Shaw tauchte hier auf? Jetzt? Einmal hatte er bereits ihr Leben versaut und ein zweites mal, sollte das garantiert nicht passieren. Schon alleine das er hier auftauchte, reichte ihr vollkommen.



Vergangenes Jahr.....

Langsam fuhr Shaw auf ein leer stehendes Fabrikgelände, stellte den Motor ab und sah zu Liv hinüber. Als er sich abschnallte, zuckte sie gleich zusammen wodurch er belustig ausstieg. Nichts? Ohne Weiteres ging er zu einem der leer stehende Gebäude hinüber und verschwand darin. Ungläubig fing sie an zu blinzeln und starrte sie ihm hinterher. Er ließ sie hier einfach sitzen, ohne ihr etwas angetan zu haben? Sie konnte wetten, dass gleich etwas geschehen wird. Selbst wenn es nur das Auto war, dass gleich in die Luft fliegt. Scheiße! Schleunigst schnallte sie sich ab, verlies das Auto und ging rückwärts davon weg. Autobombe. Einfacher konnte er sie nicht loswerden. Den Blick aufs Auto geheftet ging sie rückwärts zum Gebäude. Soweit so gut. Dreizehn..... vierzehn..... fünfzehn Meter, nichts. Vielleicht war sie auch einfach nur zu paranoid. Gut, sie war am Leben nur für wie lange?

Als Liv zu Shaw die leere Fabrikhalle betrat, sah ihn nur mit einem Laptop an einem Tisch sitzen. Verunsichert setzte sie sich auf den Tisch, beobachtete ihn und schaute dann über den Rand des Laptops.

„Egal wie du sonst immer gearbeitet hast, so funktioniert es diesmal nicht", ganz langsam zog Liv Shaw den Laptop weg, so das sie sie noch rechtzeitig ihre Finger wegnehmen konnte, bevor er sie ihr brach, „Zwar haben die Zeitungen darüber berichtet und die Polizei ihre Unterlagen aber beide können uns nicht zeigen, was geschehen ist. Wir wissen ja nicht, wer alles mit involviert war."

„Und du meinst, du findest etwas?", hielt er sie für so blöd oder warum fand er das jetzt zum Lachen, „Du kanntest vielleicht Owen und seine Vergangenheit, meine aber nicht. Lass mich also meine Arbeit machen. Auf meine Art."

„Muss ich auch nicht, um zu wissen, dass die hier hilfreich sein können. Ihr Männer seit immer so von euch selbst überzeugt, dass grenzt schon an Selbstverliebtheit", schnaufend drehte Liv den Laptop um, mit einer Reihe von Videos die aus der Nacht des Unfalls stammen, „Dauert zwar eine Weile, die alle durch zu arbeiten aber irgendeiner dieser Hobbyfilmer hat bestimmt etwas Brauchbares aufgenommen."

„Eventuell", die Seite überfliegend nickte er in die Richtung, aus der sie vor einigen Minuten gekommen war, „Übrigens, wenn du es noch nicht gemerkt haben solltest, du wirst nicht festgehalten. Bedeutet, du kannst dich frei bewegen. Das wolltest du doch?"

„Was ich will, ist nur eine Familie, die über all dem hier steht. Verstehen nur nicht viele. Owen war nicht perfekt, genauso wenig wie ich aber wir haben etwas daraus gemacht. Am Ende wollte er nur zu viel, und wie es geendet hat, wissen wir beide- haben wir beide gesehen. Nicht nur du hast einen geliebten Menschen verloren, ich auch kapiert?", unentschlossen streckte sie ihm die Hand entgegen und fing schwach an zu lächeln, „Liv.... viele sagen auch gerne Miststück, hat dann aber einen anderen Grund. Genauso gerne wie du, will ich diese Typen finden. Mach es alleine oder ich bin dabei. Kleine Anmerkung. Frauen können hilfreich sein und werden oft unterschätzt."

„Hältst du dann endlich die Klappe, wenn ich ja sagen?", brummend blickte er zu hoch und dann gleich wieder auf den Bildschirm, „Deckard."

Das Arschloch ist vielleicht doch gar nicht das so ein großes Arschloch. Immerhin war er Owen's Bruder.

Eine Woche später.....

Oder doch. Finger knackend ging Shaw um Liv herum, während sie nur Blut spuckend auf dem Boden lag und versuchte aufzustehen. Jeden seiner einzelnen Schläge konnte sie noch immer spüren, da jede einzelne Stelle wie wild pochte.

„Also Frauen zu schlagen, damit hast du schon mal kein Problem", hustend rollte sich Liv sich auf den Rücken und legte eine Hand auf die rechte Rippe, „Machst du das öfters oder war dies dein erstes mal?"

„Du wolltest doch lernen wie man kämpft geschweige den sich verteidigt", entgegnete Shaw unbeeindruckt und winkte sie hoch, damit sie beide weitermachen konnten, „Reiß dich zusammen und steh auf."

„Fick dich. Mir reicht es. Zum Krüppel wollte ich nicht geschlagen werden", schwankend stand sie auf und hielt sich am nächststehenden Pfeiler fest, um nicht gleich wieder zu Boden zu gehen „Ab jetzt bist du wieder auf dich allein gestellt. Ich bin raus. Mach. Was. Du. Willst."

„Für was warst du eigentlich da? Was sah er bloß in dir?", verärgert blieb er stehen, breitete die Arme aus und sah ihr hinterher, „Noch nicht mal selbst verteidigen kannst du dich. Flach gelegt hatte er dich ja nicht. Was bleibt da dann noch übrig? Nicht mehr viel."

„Er wusste, was er an mir hatte", zum Glück lagen noch die Autoschlüssel auf dem Tisch, die sie sich schnappte und mit denen winkend Richtung Ausgang davon machte, „Für manche Sachen braucht man eher Gehirn, Geschick, sowie Erfahrung und keine rohe Gewalt."

Es war das letzte mal das Liv Shaw gewesen, dass ihn gesehen oder gesprochen hatte. Und um ehrlich zu sein, es war es ihr auch ganz recht gewesen. Noch nach Wochen, nachdem sie endlich wieder zu Hause war, schmerzte ihr Körper. Von den ganzen lila und blauen Blutergüsse, mal abgesehen.



„In London ist das mit uns wohl nicht all zu gut gelaufen", damit Liv darauhin nicht abhauen konnte, drängte sich Shaw an den anderen Gästen vorbei doch sie schnaubte nur verächtlich, „Hab dich auf seiner Beerdigung vermisst."

„Am liebsten würde ich dir wegen London und der Aktion gerade eben, eine Klatschen. Was willst du also?", um die Gäste nicht zu verunsichern, versuchte sie die ganze Zeit über ein glaubhaftes Lächeln aufzusetzen, „Ich muss arbeiten."

„Hopps. Er war der Beamte der Owen gejagt und die Crew auf ihn angesetzt hat", es war genau die Art von Information mit denen man Leute Blut lecken ließ und köderte, „Kommt mit oder lass es, deine Entscheidung."

Zähneknirschend sah Liv Shaw nach. Folgen. Nicht folgen. Ja oder nein, mein Gott, so schwer konnte das doch nicht sein. An der Schläfe kratzend und ob dies wirklich eine gute Idee war, verließ sie so unbemerkt wie möglich die Galerie. Das konnte nur böse enden.

✔Auf den Tag folgt die Nacht ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt