6| Nächtlicher Spaziergang

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Leise schlich ich mich in den Gängen von Hogwarts fort, darauf bedacht, bloß nicht von einem Lehrer oder Vertrauensschüler erwischt zu werden. Ob eine Strafe oder das Enthüllen meines Geheimnisses schlimmer war, war leicht zu beantworten und somit nahm ich das Risiko auf mich, erwischt zu werden. Mein nächtlicher Spaziergang sollte in die Eulerei führen. Wegen eines Briefs, den ich auch tagsüber verschicken konnte, mochte ohne Sinn sein und dennoch brauchte ich in diesem Moment die Dunkelheit um mich herum. Die Dunkelheit in der Nacht ließ mich eine nicht zu beschreibende Lebendigkeit spüren. So als würde sie mich gerade zu anziehen. Sie durchdrang mich, meine Haut. Meine Beine trugen mich die Treppen zur Eulerei hoch. Kurz bevor ich oben war, hörte ich Geräusche. Geräusche, die nicht von den vielen Eulen kam. Eine leise Stimme, die mir nur all zu bekannt vorkam. Wenn er mich sehen würde, dann wüsste er, dass ich mich rausgeschlichen habe. Er würde nicht aufhören zu nerven. Andererseits könnte auch er nichts gegen mich ausrichten, denn auch er sollte nicht hier sein. Ich konnte nur kehrt machen und selbst dann würde er mich vermutlich hören. "Wieso muss nur mir das passieren?", flüsterte ich wütend. Ich ging die letzte Stufe hinauf und trat in die Eulerei.

"Na wen haben wir denn da", sagte ich, " Draco Malfoy." Der Blondschopf drehte sich erschrocken um. "Du", fauchte er, " Und du darfst hier sein oder was." "Hmm, nein, aber wenn du mich verpfeifst, verpfeife ich dich. Ich stelle dir keine Fragen und du mir nicht." Ich band meinen Brief an meine Mutter an das Bein einer Eule und schickte sie fort. Malfoy hob seine Augenbrauen:" Niemand weiß, dass du hier bist, nicht wahr. Du hast doch irgendetwas zu verstecken, Dalton." "Ich habe nichts zu verstecken, Malfoy, aber vielleicht du", ich ging langsam auf ihn zu," Aber weißt du, was der Unterschied zwischen mir und dir ist? Ich sage es dir. Du und deine Geheimnisse kümmern mich einen Dreck. Also behalt sie gerne für dich und lass mich in Ruhe." Abrupt drehte ich mich um und ging davon. Ich hoffte nur, dass die Nervensäge mir nicht folgte. Meine Schritte wurden schneller im Vergleich zum Hinweg, meine Aufmerksamkeit ließ nach. Und so lief ich fast in Filch rein, der gerade einen Rundgang machte. Bevor er mich sehen konnte, versteckte ich mich jedoch in eines der leeren Klassenzimmer und wartete darauf, dass er im nächsten Gang verschwand. Wieso ließ ich mich von Malfoy auch so derartig aufregen. Ich lugte langsam aus der Tür und konnte Filch zum Glück nicht mehr sehen. Etwas vorsichtiger ging ich weiter, allerdings nicht wie geplant in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, sondern Richtung Haupteingang.

So leise wie es nur ging, öffnete ich die große Tür nur so weit, dass ich gerade so durch die Tür hindurch passte. Genau so leise schloss ich diese Tür wieder. Ich atmete tief ein und aus. Bis auf meine Wenigkeit war weit und breit niemand auf dem Geländer von Hogwarts zu sehen. Zu meinem Glück natürlich. Mit großen Schritten stapfte ich in die Nacht hinein, direkt auf den verbotenen Wald zu. Der Himmel war klar und doch konnte man keinen einzigen Stern sehen. Ich erkannte von weitem Hagrids Hütte, in der um diese Uhrzeit noch immer Licht brannte. Sofort passte ich meine Schritte an und versuchte leiser zu gehen. Kurz bevor ich am Rande des verbotenen Walds ankam, öffnete sich plötzlich die Tür zu Hagrids Hütte und Madame Maxime trat in die Dunkelheit. Schnell warf ich mich auf flach auf den Boden, da in unmittelbarer Nähe nichts existierte, wo ich mich hätte verstecken können. „Was war das für ein Geräusch?", fragte Madame Maxime mit ihrem französischen Akzent. „Ich habe nix gehört, Olympe", antwortete Hagrid. „Nun gut, 'Agrid, danke für den schönen Abend." Die Schulleiterin von Beauxbatons gab Hagrid zum Abschied einen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Rückweg zu ihren Schüler und Schülerinnen. „Gute Nacht, Olympe", rief Hagrid ihr noch hinterher und schloss seine Tür hinter sich. Das Licht, welches zuvor in der Hütte brannte, erlosch. Ich wartete bis Madame Maxime außer Reichweite war, bevor ich wieder aufstand. Den Schülern von Hogwarts war es nicht gestattet, den verbotenen Wald zu betreten, aber genau so wie ich mitten in der Nacht verbotenerweise in Hogwarts herumschlich, blickte ich nun in den verbotenen Wald.

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf mein Innerstes. Ich spürte, wie jede Faser meines Körpers sich bewegte und veränderte. Gerade noch sah ich die Welt aus den Augen eines Menschen. Nun stand ich auf allen Vieren vor dem verbotenen Wald und blickte aus den Augen eines Tieres. Mit Leichtigkeit tapste ich in den dunklen Wald hinein und ließ das Schloss hinter mich. 

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