19 - Vaas Path

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Ein paar Rum und etwas Kokain später, ist die Anspannung komplett verflogen und es ist, als wäre der letzte Tag, seit ich Bekanntschaft mit Bonnie gemacht habe, niemals geschehen. Wir sitzen uns gegenüber, trinken Einen nach dem Anderen, aber wir reden nicht. Die Lautstärke in der Bar ist seit dem Schuss wieder angestiegen, alle anderen sind ausgelassen am Trinken und Feiern. Ich schaue ihn nur an und denke nach. Er hat Recht, ich bin mittlerweile wahrscheinlich genau so verrückt, wie er gesagt hat. Ich verspüre keine Angst mehr. Ich verspüre keine Hemmung mehr, meinen Körper zu vergiften. Und auch die Gedanken an mein Dorf, an meinen Vater und an mein Volk, sind wie weggeblasen. In diesem Moment sind wir nur zwei gebrochene Menschen, die ihre kaputten, leeren Herzen mit Rum und Drogen füllen. Er packt eine Schachtel Zigaretten auf den Tisch und ich nehme mir eine. "Chiquita, du rauchst?", fragt er und schaut mich verwundert an. "Tja, ich denke, ab jetzt tu ich es. Halt die Klappe und gib mir Feuer." Ich stecke mir die Zigarette zwischen die Lippen und beuge mich nach vorne, Vaas zündet sie an und seine eigene ebenfalls. Es kratzt zunächst unangenehm im Hals, aber nach ein paar Zügen gewöhne ich mich dran. Ich beobachte Vaas, wie er an seiner Zigarette zieht. Beobachte seine Bewegungen, wie sein Blick durch die Bar schweift und sein Kiefer ab und zu wegen dem Kokain zuckt und er sich über die Lippen leckt. Vielleicht ist es mein Rausch, aber er sieht so verdammt gut aus, denke ich. Als würde er meine Gedanken lesen, schaut er zu mir rüber, direkt in meine Augen. Seine schönen, braunen Augen durchbohren mich geradezu. Aber ich halte dem Blick stand. Ich greife nach meinem Glas, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen und leere es erneut. "Also, was wirst du Hoyt sagen? Wegen seiner Nichte?", frage ich ihn und beuge mich ein wenig nach vorn. Auch er kommt mir ein Stück näher, drückt seine Zigarette im Aschenbecher aus und greift unter mein Kinn. "Da ich versprochen habe, nicht die Wahrheit zu sagen, um deinen süßen Arsch zu retten", er hält mein Kinn fest, damit ich gezwungen bin, ihn weiterhin anzusehen (nicht, dass das notwendig gewesen wäre), "und ich meine eigenen Leute und mich nicht in die Pfanne hauen kann, muss ich es wohl oder übel auf die Rakyat schieben." Er schaut mich an, als würde er Protest erwarten, aber ich sage einfach nur "Okay." Er grinst breit. "Mi amor, du weißt, dass Hoyt dein Dorf angreifen lassen wird, oder?" Ich zucke gleichgültig mit den Schultern. "Nicht meine Sache. Er soll erstmal versuchen, an den Rakyat-Kriegern vorbei zu kommen. Er schickt seine Männer in ihren Tod." Ich schnappe mir den Geldschein, setze an und ziehe das weiße Pulver in meine Nase. "Du bist so fucking heiß, wenn dir alles egal ist." Ich blicke hoch in Vaas' Gesicht, kann kaum glauben, was er gerade gesagt hat. Mir wird ganz warm, es ist ein wirklich gutes Gefühl. Er schaut mich an mit einem Blick, den ich kaum beschreiben kann. Verlangend, voller Begierde, aber auch fasziniert von dem, was aus mir geworden ist. Ich versinke in seinen Augen, unsicher, wie ich reagieren soll. Glücklicherweise nimmt er mir diese Entscheidung ab. Er beugt sich über den Tisch zu mir nach vorne, packt mich im Nacken und zieht mich zu sich heran, sodass ich seinen heißen Atem auf meinem Gesicht spüre. Seine Stirn berührt meine. Mein Atem setzt aus und ich kann nicht anders, als auf seine Lippen zu schauen. Er hat immernoch diesen Blick drauf, außerdem breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Ich spüre, wie ich schwach werde, schließe meine Augen und versuche, die Lücke zwischen unseren Lippen zu verschließen. Aber er lässt es nicht zu. Er lässt von mir ab und lehnt sich wieder nach hinten, lässt mich verdutzt in meiner Position verharren, als ich meine Augen wieder öffne. Sein Grinsen wird nur noch breiter. "Ich weiß genau, du willst mich. Sonst würdest du nicht mehr hier sitzen. Sonst hättest du mich vorhin erschossen." Siegessicher deutet er bei diesen Worten einmal an sich herab, dann schnappt er sich sein Glas und trinkt es aus. Widerwillig gestehe ich mir ein, dass er absolut Recht hat. Ich kann die Signale meines Körpers nicht weiter ignorieren. Wir waren uns zuvor schon körperlich mehr als nah, aber dieses Mal ist es anders. Damals habe ich versucht, nur das Gute in ihm zu sehen und mir eingeredet, dass er es gut meint. Dieses Mal ist mir bewusst, dass er grausam, brutal, verrückt und noch so viel mehr Schlechtes ist, aber ich nehme es in Kauf und will ihn trotzdem. Vielleicht, weil mir meine eigene schlechte Seite mittlerweile bewusst ist. Und weil ich keinen Grund mehr habe, sie zu unterdrücken, gibt es auch keinen Grund mehr, mich zusammenzureißen. Ich nehme mein Glas, lehne mich zurück und schaue ihm direkt in die Augen. "Da hast du verdammt nochmal Recht, Vaas. Aber ich weiß genau, dass es dir bei mir genauso geht."

Between two worldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt