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Schlagartig drehe ich mich um, nur um in ein paar stechender, blauer Augen zu blicken. Sie sind mir unbekannt. Ich mustere die Person vor mir und stelle fest, dass es eine wunderschöne Frau ist, jedoch habe ich sie hier nie zuvor gesehen. Ihr Haar wallt in blonden Locken bis zu ihren Hüften hinab und ihre Kleidung zeigt eindeutig ihre Zugehörigkeit zu den Piraten an. "Hey", sage ich und schaue ihr grimmig in die Augen, "wir kennen uns nicht, oder?" "Nein, aber das ändern wir. Ich bin Bonnie. Und diese Rakyatvisage", sagt sie scharf, deutet auf mein Gesicht und nähert sich mir bedrohlich an, "muss wohl die kleine Toto sein. Alles andere als vergnüglich, deine Bekanntschaft zu machen, Mädchen." Verächtlich schaut sie mich an, doch mein Blick trifft sie nicht minder. Was fällt dieser hochnäsigen Barbie ein, sich so daneben zu benehmen? "Aha. Ist irgendwas, dass du mich hier einfach so überfällst, oder war's das dann?", frage ich und versuche dabei, einen desinteressierten Eindruck zu machen.  Sie fängt an, ein Grinsen auf ihrem Gesicht auszubreiten und kommt mir so nahe, dass sich fast unsere Nasenspitzen berühren. "Halt dich einfach fern von ihm, bleib brav, und dann wird es keinen Ärger geben", presste sie zwischen ihren Lippen hervor. "Von wem?", frage ich überrascht, jedoch hätte ich mir die Frage eigentlich auch sparen können. Wen wohl sonst sollte sie meinen, außer... "Vaas natürlich, du dumme Gans! Lass deine schmutzigen Griffel von ihm, er gehört zu mir. Ansonsten kannst du dir sicher vorstellen, was auf dich zu kommt, oder?" Perplex schaue ich sie erst an, etwas eingeschüchtert bin ich auch. Doch dann fängt die Wut an in mir zu kochen. Barbie lässt sich tagelang nicht hier blicken und meint dann, mir Vorschriften machen zu müssen? Niemals, das Spiel hat sie wohl  ohne Toto gespielt. "Ach ist das so? Jetzt sag ich dir mal was, hochnäsiges Weib. Ich bleibe verdammt nochmal bei den Leuten, bei denen ich sein will, klar? Und wenn so ne kleine süße Barbie aus Übersee wie du es bist mit ihren Werten und dem blank polierten Arsch hier in den Urwald kommt, dann hast du gefälligst deine Klappe zu halten, denn du weißt nichts von hier, absolut nichts von dem was hier abgeht, auch wenn du denkst, dass du ne ganz große Nummer bist. Und jetzt schwirr ab, Püppchen!" Wütend wie ich bin, schreie ich sie am Ende sogar richtig an. Einige der Piraten schauen belustigt zu uns herüber, aber Bonnie ist alles andere als glücklich und schaut mich voller Wut an. Diese Frau ist böse, wenn ihr Blick jetzt töten könnte, würde ich schon längst im Fegefeuer brennen. Ich wende mich einfach von ihr ab, lasse sie an Ort und Stelle stehen und marschiere einfach weiter in das Piratenlager hinein.

Nach einiger Zeit lande ich vor einer etwas größeren Hütte, zumindest größer als die, in denen die Piraten zu schlafen pflegen. Eine leuchtende Reklame über der Tür verspricht "Drinks! Girls! Drugs!" in einem grellen Neonpink und blinkt einladend im Sekundentakt. Ich war vorher noch nie in diesem Teil des Lagers, aber schließlich muss ich ja auch mal etwas Abwechslung in meinen Alltag bringen, wenn ich hier schon nicht weg kann. Ich beschließe, den Laden zu betreten und in dem Moment, als ich die Tür öffne, steigt mir eine dicke Rauchwolke aus dem Raum entgegen. Der Innenraum ist fast komplett verdunkelt, hier und dort brennt eine Kerze, ansonsten gibt es noch viele weitere Neonleuchten als Schilder oder Figuren, die Licht spenden. Sofort fallen mir die leicht bekleideten Mädchen auf, die sich zu meiner Rechten an instabil aussehenden Stangen räkeln. Zur Linken vom Eingang aus gibt es eine Bar, an der einige Piraten sitzen. Der Barmann selbst ist natürlich auch ein Pirat und der erste, bei dem ich eine waschechte Augenklappe sehe. Ich selbst steuere auf die Bar zu und setze mich einfach zu der Runde dazu. Mit gestärktem Ego, was durch die Auseinandersetzung mit Barbie-Bonny zustande kam, grinse ich provokant in die Runde, während mich die 3 Piraten anglotzten wie Autos. “Was ist?“, frage ich und lache ein wenig. “Gibt's hier gute Drinks?“, wende ich mich sofort an den Barmann, ohne auf eine Antwort zu warten. Er schaut etwas misstrauisch aber auch amüsiert und reicht mir stumm, entgegen meiner Erwartungen, sogar eine Karte. “Hey, was machst du hier?“, fragt mich der Pirat, der neben mir auf dem Barhocker sitzt. Er hat schäbig langes Haar, welches schon an den Enden verfilzt und grinst diabolisch, wobei seine gelben Zähne hinter aufgesprungenen Lippen hervorragen. Ein überaus furchteinflößender Geselle, mit dem man sich wahrscheinlich nicht anlegen sollte. Dennoch erweckte er einen Funken Sympathie in mir. “Ich vertreib mir die Zeit. Weg lasst ihr mich sowieso nie, also muss ich mich wohl mit meinem Leben hier abfinden“, antworte ich schließlich ehrlich und zucke mit den Schultern. Danach beginne ich, die Karte nach etwas Leckerem zu durchforsten. Der Pirat, der neben meinem eigenartigen Sitznachbarn sitzt, beginnt zu lachen. “Macht wohl keinen Spaß, mit Vaas abzuhängen?“, fragt er. Ich grinse. “Doch, das tut es. Aber ich weiß nicht wo er grade ist. Ich nehm den hier.“ Ich zeige dem Barmann auf der Karte, welchen Fruchtcocktail ich ausgewählt habe und er nickt. “Gute Wahl, wenigstens mal jemand mit Geschmack in dieser Hütte.“ Das Dauergrinsen, das mir auf den Lippen klebt, wird breiter.

Between two worldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt