11

164 8 3
                                    

Ich stehe dort wie versteinert. Mein Gehirn ist überfordert mit den ganzen Gedanken die durch meinen Kopf rattern und ich blicke in die Runde. Ich sehe wie Citra zuerst mich und dann meinen Dad eindringlich ansieht, so als wollte sie in unsere Köpfe blicken und sehen, was wir denken. "Wir liefern sie aus", sagt sie dann knapp und dreht sich um, nur um in ihren Tempel zurückzugehen. Jason schaut sie völlig entsetzt an und mein Dad drückt mich an sich und will Citra widersprechen. Jason jedoch kommt ihm zuvor. "Das können wir doch nicht machen!" Doch Citra verschwindet schweigend im Tempel. Ich atme tief durch, löse mich von meinem Vater und schaue Jason an. "Hast du denn eine bessere Idee, Jas? Das Leben vieler Menschen steht auf dem Spiel und ich werde Citras Entscheidung nicht infrage stellen. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass es keine andere Lösung gibt. Wenn wir etwas anderes versuchen, werden sie die Bewohner unseres Dorfes töten und das werde ich nicht zulassen." Traurig blicke ich zu Jas und Dad. Dann hören wir plötzlich einen Schuss. "Für jede verdammte Minute die ihr mich warten lasst, töte ich einen von euren verdammten Leuten!", hören wir Vaas brüllen. Ich zucke zusammen, dann senke ich meinen Kopf und arme abermals tief durch. "Ich hoffe wir sehen uns bald wieder", sage ich und umarme erst Jason und dann meinen Vater, der mir einen Kuss auf die Stirn gibt. "Es bricht mir das Herz, dich ein zweites Mal zu verlieren. Wir holen dich schon noch zurück, wir müssen nur einen ordentlichen Plan haben." Ich lächele ihn an. "Davon bin ich überzeugt, Dad. Jas, pass gut auf meinen alten Herrn auf." Das Tor wird von den Wachen geöffnet und ich gehe hinaus. In meinem Kopf herrscht völlige Leere, auf den Boden blickend gehe ich auf den Jeep vor dem Tempel zu. Ich wage es nicht, Vaas anzusehen. Schweigend steige ich auf dem Platz neben ihm ein, im hinteren Teil des Jeeps befindet sich ein weiterer bis an die Zähne bewaffneter Pirat, den ich schon im Piratenlager öfters gesehen habe. Vaas hupt einmal laut und fährt dann los, die restlichen Jeeps folgen ihm.

Die ganze Fahrt über herrscht Schweigen. Ich will nicht mit Vaas reden, will ihn nicht ansehen und will auch nichts hören. In meinem Kopf herrscht einfach immer noch eine dumpfe Taubheit, fast wie in Trance realisiere ich nur sehr wenig von dem was auf der Fahrt passiert. Als wir dann endlich ankommen, steige ich aus und folge Vaas in seine Hütte. Mein Bett steht immernoch an Ort und Stelle, nichts hat sich verändert. Das Bild hängt noch an der Wand. Nur die Dielenbretter durch die mir meine Flucht gelang wurden ersetzt und fest geschraubt. Ich seufze und setze mich auf meinen Schlafplatz. Vaas schließt die Tür hinter sich und stellt sich direkt vor mich. Ich kann nicht anders, als ihn jetzt das erste Mal anzusehen. Zu meiner Überraschung sehe ich nichts von dem in seinen Augen, was ich bisher immer gesehen habe - ich sehe Enttäuschung. Einfach pure Enttäuschung. "Warum bist du geflohen?", fragt er mich. Er redet sehr leise. "Ich hatte Angst", flüstere ich. Ich sehe ihm direkt in die Augen, komme davon einfach nicht mehr los. "Ich hatte Angst, dass du mich irgendwann umbringst. Dass du mir wehtust." Er beugt sich zu mir herab, starrt mir direkt in die Augen und fängt plötzlich an zu lächeln. "Dir passiert nichts, wenn du mich nicht wütend machst." Erschrocken weiche ich ein Stück zurück, wende den Blick aber nicht von ihm ab. Sein Lächeln wird breiter und er richtet sich wieder auf. "Du kannst dich freuen, dir zu ehren veranstalten wir heute Abend ein Fest. Es war sehr vernünftig von dir, zu mir zurück zu kommen." Mit diesen Worten verlässt er die Hütte und verbarrikadiert sie von außen. Na Klasse, er erwartet von mir dass ich mich mit ihm zu dieser Horde von wilden nach draußen setze und feiere. Aus Angst ihn zu verärgern habe ich leider keine andere Wahl. Seufzend lege ich mich hin und starre die Decke an. Daran musst du dich jetzt gewöhnen Toto, denke ich mir.

Eine Stunde später kommt Vaas zurück. Ich bin eingedöst und erschrecke mich demzufolge, als sich die Tür öffnet. "Bin ich so hässlich dass du dich erschreckst?", fragt Vaas mich und lacht. Ich schüttele den Kopf, richte mich auf und gähne und strecke mich erstmal. Meine Sicht wird eingeschränkt, als Vaas mir etwas auf den Kopf wirft was meine Augen überdeckt. Es ist Kleidung, ein rotes Shirt und eine schwarze Hose. "Du kannst nicht einfach in Schlafsachen herumlaufen, schon gar nicht erst heute Abend. Zieh dir das an." Ich nicke nur und stehe auf. "Guck weg", sage ich zu ihm und erwarte dass er dich umdreht. Aber er tut es nicht. Er grinst mich nur an und schüttelt den Kopf. Ich runzele meine Stirn. "Dreh dich bitte einfach weg oder mach die Augen zu." Wieder schüttelt er den Kopf. Wütend drehe ich mich einfach selbst um, ziehe mir erst das Shirt an und danach die Hose. Ich beeile mich so gut es geht und lege meine Schlafsachen auf das Bett. Dann drehe ich mich wieder um zu Vaas der mich amüsiert anlächelt. "Was ist denn so lustig?", frage ich mürrisch. "Ich mag es, wenn du dich aufregst." Ich verziehe mein Gesicht. "Ich finde das absolut nicht komisch." Er lacht und steht auf, dann geht er auch mich zu. Er legt seine Arme um mich und zieht mich zu sich ran. "Du gehörst mir, Chica. Versuch ja nicht noch einmal vor mir wegzulaufen." Ich schaue zu ihm hoch und nicke stumm. Es ist wieder einer dieser Momente, die mich in ihm einen guten Menschen sehen lassen. Einfach weil er mich sehr wertvoll behandelt. Es mag sein dass er mich mir grober Gewalt zurück geholt hat und dass er manchmal austickt wenn man ihn wütend macht, aber im Grunde will er mich nicht gehen lassen weil ihm etwas an mir liegt. Irgendwie macht mich dieser Gedanke froh. Ich lehne meinen Kopf gegen seine Brust und höre sein Herz schlagen. "Mach dir keine Sorgen, ich werde nicht mehr wegrennen."

Between two worldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt