Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist Vaas nicht da. Ich richte mich auf, um festzustellen, dass nun auch mein Rücken schmerzt. Wütend beiße ich mir auf die Unterlippe. Sollte ich hier jemals herauskommen, dann würde ich Vaas ebensogroße Schmerzen bereiten, wie er mir. Ich spüre, dass mein Magen gewaltig knurrt und ich Durst habe. Auch ein ziehender Schmerz im Unterleib weist darauf hin, dass ich dringend Wasser lassen muss. Außerdem stinke ich bestialisch. Ich sehe mich im Käfig um und entdecke nichts, außer einen leeren Eimer. Ich schlucke, aber da ich keine andere Wahl habe, ziehe ich rasch meine Hose herunter und hocke mich über den Eimer. Als ich fertig bin, geht es mir wesentlich besser und auch die Tatsache, dass mich bei der ganzen Prozedur keiner beobachtet hat, beruhigt mich ungemein. Ich setze mich wieder hin und überlege, wie ich am besten darauf aufmerksam mache, dass ich bald verdurste und verhungere, ohne einen Ausraster von Vaas befürchten zu müssen. Wieder denke ich an gestern Abend. Warum will er nicht, dass seine Piraten mir etwas tun? Ist er doch nicht so grausam, wie alle immer sagen? Ich schlug mir diesen Gedanken aus dem Kopf, da ich zu dem Entschluss komme, dass er mich wahrscheinlich braucht, um mich zu verkaufen. Oder damit Hoyt mich verkaufen kann, es läuft auf das Selbe hinaus. Ich denke nur zehn Minuten nach und schon kommt Vaas in die Hütte gestürmt. Wütend schlägt er die Tür zurück ins Schloss und erschrocken springe ich an die hintere Wand im Käfig. Er sieht mich komisch an, dann lacht er. Eine Spur von Verachtung, gemischt mit Amüsiertheit ist in seinem Blick zu finden. "Was ist?", fragt er laut. "Nichts.", krächze ich mit heiserer Stimme und sehe zu Boden. Verärgert springt er in einem Satz auf den Käfig zu und schlägt mit der Faust dagegen. "Willst du mich eigentlich verarschen, Perra? Erst große Töne spucken und jetzt wie ein Haufen Elend in der Ecke sitzen? Willst du mich verarschen?" Er schlägt mehrmals gegen den Käfig und ich schreie laut. Dann fange ich wieder an zu weinen und schlinge meine Arme schützend um mich. "Von einer ach so großen Rakyat habe ich mehr erwartet." Mit diesen Worten steht er auf, lässt von mir ab und setzt sich auf sein Bett. Er holt seine Waffen heraus und poliert sie, so wie ich es zu Hause fast täglich getan habe. Stumm beobachte ich ihn. Nach einiger Zeit hält er inne und atmet tief ein. "Hör mal zu. Wenn das hier funktionieren soll, hör verdammt nochmal auf, mich anzustarren. Ansonsten muss ich dir doch etwas tun und das würde weder dich noch Hoyt erfreuen." Verängstigt sehe ich zu Boden. Ich weiß nun, dass er mich an Hoyt verkaufen wird.
Er hat es nicht getan. Ich liege nun schon den dritten Tag geschwächt in meinem Käfig. Lediglich eine Ladung Wasser habe ich von Vaas bekommen, in einem Napf, als wäre ich ein Tier. Aber als Hoyt gestern herkam, hat Vaas mich vorgewarnt. Ich sollte gefälligst ruhig sein, da Hoyt sonst etwas mitbekommen würde. Also blieb ich ruhig und Vaas erzählte ihm, dass lediglich einige Touristen geschnappt wurden. Natürlich war und bin ich erleichtert, jedoch frage ich mich immernoch, was das sollte. Ich habe Vaas seitdem nicht mehr gesehen. Mittlerweile schmerzt mein Magen so extrem, dass ich nur noch auf dem Boden liege, mit dem Blick zur Wand. Fliegen und Mücken scharen sich auch schon um mich, aufgrund meines Gestankes. Ich bin am Ende mit meinen Kräften. Vaas lässt mich hier drin krepieren. Wenn ich so darüber nachdenke, ist dieses Schicksal jedoch um einiges angenehmer, als an irgendwelche fremden Menschen verkauft zu werden. Ich döse wieder ein wenig vor mich hin, bis es dunkel wird. Dann öffnet sich leise die Tür. Ängstlich will ich mich wie ein Ball zusammenrollen, aber meine Kraft reicht nicht aus. Ich starre die Wand an. "Sieh dich nur an. Ein kleines, kraftloses Stück Dreck." Ich höre, wie hinter mir der Käfig aufgeht und spüre, wie sich jemand neben mich setzt. "Kurz davor zu sterben, doch noch nicht tot. Wie grausam muss das nur sein." Ich schluchze. Dann drehe ich mich um und sehe hoch zu Vaas, der mich schon fast mitleidig ansieht. "Was willst du?", hauche ich. Er sagt nichts. Dann steht er auf, packt mich und wirft mich außerhalb des Käfigs über seine Schulter. Ich wehre mich nicht. Ich hoffe, dass er mich so schnell wie möglich umbringt. Er verlässt die Hütte. Ich habe meine Augen geschlossen, den ganzen Weg über, bis er mich absetzt. Dann sehe ich mich um. Wir sind an einem Fluss, der Mond ist nicht zu sehen, also ist es dunkel. Er setzt sich auf den Boden und zeigt auf den Fluss. "Nutz diese Gelegenheit." Ich höre mir seine Worte an, überdenke sie kurz. "Die Gelegenheit zu was?", frage ich leise. Er lacht. "Kluges Mädchen. Auf jeden Fall nicht die Gelegenheit zur Flucht. Du bist zu schwach, als dass du fliehen könntest. Los, jetzt mach dich sauber." Vaas' Lachen löst in mir eine Mischung aus Unbehagen und Erstaunen aus. Ich höre ihn nun zum ersten Mal lachen. "Okay." Ich drehe mich um und gehe zum Flussufer. Erstaunlicherweise ist das Wasser gar nicht mal so kalt. Ich schaue zu Vaas, dieser stochert nur mit einem Stock im Sand herum und raucht eine Zigarette. Ich drehe mich erneut um und entkleide mich so schnell es geht, damit er mich nicht sieht. Dann lasse ich mich langsam ins Wasser gleiten und lächel zum ersten Mal seit Tagen. Ich schwimme ein wenig herum, die Strömung des Flusses ist sehr gering. Dann wasche ich mich gründlich und fühle mich ein bisschen weniger elend. Ich bin so glücklich, dass ich gar nicht mehr heraus möchte aus dem Wasser. Ich tauche unter, öffne meine Augen und sehe sogar einige Fische, aufgrund der Dunkelheit erkenne ich jedoch nicht mehr. Als ich wieder auftauche, sehe ich herüber zu der Stelle, von der ich komme. Vaas sitzt nicht mehr da. Verwundert suche ich das Ufer nach ihm ab. Soll ich die Gelegenheit zur Flucht nutzen? Ich runzele die Stirn. In den letzten Tagen habe ich eines gelernt, und zwar dass Vaas vieles ist, aber nicht dumm. Er würde mich nicht alleine lassen, ohne mich zu beobachten. "Vaas?", frage ich. Ich bekomme keine Antwort. Seufzend mache ich mich wieder daran, zu schwimmen. Ich tauche wieder durch den Fluss, dann wird mir langsam ein wenig kalt. Ich tauche wieder auf und sehe zu dem Platz, wo Vaas vorhin saß, doch er ist immernoch nicht da. Plötzlich spüre ich, wie sich zwei Hände auf meine Augen legen. Erschrocken kreische ich auf und schlage mir dann die Hände vor den Mund. Hinter mir höre ich ein amüsiertes Lachen. "Hey, ich bin stolz auf dich. Wie es aussieht, bleibst du gern bei mir." Ich entferne meine Hände von meinem Mund und bedecke meinen Oberkörper, zumindest das, was Vaas nicht sehen sollte. "Ich...ich wusste, dass du wiederkommst." Er nimmt seine Hände von meinem Gesicht und drückt mich dann an sich. Ich erschrecke mich sehr, doch von seinem unbekleideten Oberkörper geht eine so starke Wärme aus, dass ich mich nicht wehre. Ich selbst fand diese ganze Situation ein bisschen komisch. Erst entführt mich der Kerl, lässt mich fast in einem Käfig sterben und jetzt steht er mit mir in seinen Armen im Wasser. Verkrampft stehe ich nur da und starre durch die Gegend. "V-Vaas?", frage ich vorsichtig. "Hm?" "Warum hast du mich nicht an Hoyt abgegeben?" Diese Situation erscheint mir perfekt für so eine Frage. Entweder wird er mich jetzt schnell ertränken, oder seine Laune bleibt gut und er redet mit mir. Beides ist mir recht. Es ist eine Weile ruhig und ich male mir aus, wie er innerlich vor Wut kocht. Ich senke meinen Kopf, bereit dazu, getötet zu werden. Dann löst Vaas seine Hände von mir, nimmt mich an den Schultern und dreht mich zu sich um. Er lächelt, und mit diesem Lächeln meine ich kein aufgesetztes, sondern ein richtiges Lächeln. "Die meisten haben hier nicht einmal zwei Tage ausgehalten. Entweder haben sie mich wütend gemacht, oder ich hab ihnen allein schon mit meinem Gerede so viel Kraft geraubt, dass sie irgendwann von allein gestorben sind. Du nicht, du gefällst mir. Außerdem bist du eine amüsante Abwechslung." Ich schaue ihn verwundert an, lächel dann aber unwillkürlich. In diesem Moment wird mir klar, dass hinter dieser verrückten Fassade ein echter, freundlicher Mensch steckt. Natürlich habe ich immernoch höllische Angst vor Vaas, aber seine Worte sind das erste seit Tagen, das gut in meinen Ohren klingt. Ich lehne mich gegen seinen Körper und schenke ihm eine kurze Umarmung. Was ist bloß in mich gefahren? Mir ist völlig bewusst, dass dieser Mann mich die letzten Tage gequält hat. Mir ist bewusst, dass er mich entführt hat und trotzdem empfinde ich Sympathie für Vaas? All diese Feststellungen und Fragen schwirren in meinem Kopf umher, dennoch agiert mein Körper wie von selbst. Ich sehe nach oben und Vaas lächelt. "Komm, lass uns gehen." Er setzt sich in Bewegung zum Ufer und steigt aus dem Wasser. Im Gegensatz zu mir hat er wenigstens noch seine Hose an, ich jedoch bin völlig unbekleidet. Beschämt bitte ich ihn, sich wegzudrehen und zu meinem Erstaunen tut er es. Ich steige rasch aus dem Wasser und stelle fest, dass meine Kleidung weg ist. Stattdessen liegt dort neue Wäsche. Ich weiß nicht, woher Vaas die Frauenunterwäsche hat, aber es ist mir egal. Dazu liegen da noch ein Paar Socken, meine Stiefel, die er glücklicherweise nicht weggeworfen hat, eine schwarze Hose, die seiner eigenen äußerst ähnlich sieht und ein schwarzes Shirt wo draufsteht "All Monsters are Human" (American Horror Story ^-^' ). Ich ziehe mich rasch an und gehe dann vor zu Vaas. Schweigend machen wir uns auf den Weg zurück. In seiner Hütte angekommen, geht es weiter mit den Überraschungen. Statt dem Käfig steht dort nun ein bettähnliches Gestell mit Decke, Kissen und allem Drum und Dran. Zur Sicherheit jedoch ist an der Wand eine Kette befestigt, die Vaas an meinen Händen fest macht. "Das muss sein. Sonst läufst du mir noch weg, Chiquita." Er lächelt, während er mich festkettet und auch ich fange an zu lächeln. "Gute Nacht Vaas." "Gute Nacht, Kleines." Er verlässt mich, löscht das Licht und legt sich in sein Bett. Auch ich lege mich hin. Schlafen kann ich erst nach einer Stunde, da ich viel nachdenke. Darüber, warum Vaas mir plötzlich so sympathisch ist. Dann komme ich zu dem Entschluss, dass Vaas so ist, wie der Dschungel selbst: Er hat sehr viele böse und schlechte Seiten. Behandelst du ihn ungut, so wird er natürlich zurückschlagen, das steht fest. Aber auch Gutes steckt in ihm, und wenn man das Gute pflegt, wird es überwiegen. Zufrieden schlafe ich ein.
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Between two worlds
Fanfiction"Na und? Nur weil ich erst siebzehn bin? Du könntest 100 Jahre alt sein, solange du nichts über den Dschungel weißt, wirst du behandelt wie ein Kleinkind. Und ich bin in diesem verdammten Dschungel aufgewachsen." Die Story wird stellenweise bzw. hau...