Kapitel 38

15 3 0
                                    

Als ich am nächsten Morgen erwachte, hatte ich das Gefühl, seit langem nicht mehr so gut geschlafen zu haben

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, hatte ich das Gefühl, seit langem nicht mehr so gut geschlafen zu haben. Ich konnte es nicht erklären, doch, obwohl meine Welt in Chaos versank, fühlte ich mich unfassbar lebendig.
Vielleicht war mein Stimmungshoch auch dem Restalkohol geschuldet, der wohl noch immer durch mein Blut strömte. Doch es war mir gleich, woran es lag.

Ich räkelte mich. Darian hatte mich gestern zurück in das Zimmer gebracht, in welchem ich eine Zeit lang gewohnt hatte. Hier hatte ich mein erstes zu Hause gefunden. Hier hatte ich das ein oder andere Gespräch mit Darian geführt, aber auch diesen furchtbaren Streit. Ich verband so viele Erinnerungen mit diesem Zimmer, dass ich einen Anschwang an Nostalgie in mir aufkeimen spürte.
Ich würde diese menschlichen Gefühle, die zeitweilens in mir auftauchten, wohl nie ganz verstehen.

Ich richtete mich ein wenig auf und blickte durch das Zimmer. Ich sah, wie ein Stapel mit Kleidung auf einem Stuhl lag. Meiner kurzen Analyse zu urteilen ausschließlich Oberteile und Hosen. Endlich konnte ich dieses furchtbare Kleid ausziehen!

Ich konnte ein kleines Lächeln nicht vermeiden. Darian kannte mich inzwischen gut. Das war nicht zu leugnen.

Ich atmete tief durch. Gestern hatte sich alles verändert. Durch die Enthüllung Yanniks und Emilies Beziehung wurden all meine Pläne zunichte gemacht. Letztendlich war es gleich, in welchem Verhältnis sie zueinander standen, wie lange es schon ging und wie es dazu gekommen war. Ich wusste, dass all das keine Rolle spielte, weil nun alles einen Sinn ergab.

Jetzt hatte ich meine Erklärung für Yanniks nie ganz offenes Verhalten, hatte eine Begründung dafür, dass er mir keine Liebeserklärung gemacht hat. Jetzt wusste ich, weshalb Emilie so böse reagiert hatte, als sie von Yannik und mir erfahren hatte. Es war, als hätte ich soeben das entscheidenen Puzzleteil in die Hand gedrückt bekommen.

Natürlich war diese Enthüllung keine gute Nachricht für mich. Neben der offensichtlichen Tatsache, dass ich nun wieder von null begann und kaum mehr Zeit übrig blieb, beschäftigte es mich mehr, als ich zugeben wollte, dass Emilie mich derart hintergangen hatte.
Es war mir egal, dass Yannik mich nicht liebte. Die beiden sollten meinetwegen glücklich miteinander werden. Doch, der Geschmack des Verrates ließ sich nicht leugnen. Dass ausgerechnet dieses liebe kleine Mädchen mich hinterging, schmeckte bitter.

Ich fuhr mir mit den Händen durch meine widerspenstigen Haare. Die Locken, welche ich gestern mit solch einer Mühe zurechtgelegt hatte, waren nun filzige Knoten, kaum zu lösen.

Ich wusste nun, dass ich Entscheidungen zu treffen hatte. Die Erste war sofort gefällt.

Ich würde aus Yanniks Wohnung wieder ausziehen. Von ihm würde ich niemals die Worte „Ich liebe dich" hören. Ich wollte es auch gar nicht mehr. Deshalb war er für mich nicht mehr von Nutzen.

Ich schwang mich aus dem Bett, machte mich ein wenig zurecht und lief dann in Richtung Krankenflügel.
Ich hatte vor, ein paar Kleidungsstücke aus Yanniks Wohnung zu holen. Danach wollte ich mit Darian sprechen und ihn fragen, ob ich im Schloss wieder eine Obhut finden würde. Er würde nicht „nein" sagen.
Bestimmt würde er das nicht.

Wenn ich das geschafft hatte, musste ich eine weitere Entscheidung treffen. Eine so schwerwiegende, dass ich Magenschmerzen bekam, denn sie würde nicht nur über meine Zukunft entscheiden, sondern auch über Darians.

Als ich die Tür zu Yanniks Wohnung aufmachte, staunte ich nicht schlecht, als ich sah, wie er mit den Ellenbogen auf dem Esstisch aufgestützt, da saß und mich fragend ansah. Ich war ernsthaft verwundert, ihm über den Weg zu laufen, da er um diese Uhrzeit meistens schon seit einigen Stunden schwer beschäftigt war. Doch nun saß er da und ich hatte nicht die geringste Idee, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte.

„Wo warst du denn die Nacht über?", er klang nicht besorgt. Wenn, dann vielleicht einen Hauch neugierig. Wie hatte ich nur glauben können, er wäre kurz davor gewesen, mir eine Liebeserklärung zu machen?

„Ich habe in meinem Zimmer im Schloss geschlafen.", antwortete ich ruhig.

„Aha."

Er erhob sich.

„Wie kam es denn dazu?"

„Ich bin unweigerlich Zeuge einer Szene üblen Verrats geworden."

Jetzt, endlich, kam zumindest eine kleine Reaktion von ihm. Er atmete etwas stockend aus.

„Ich fürchte, ich weiß, worauf du anspielen möchtest."

Er sah heute wirklich umwerfend aus. Er trug einen tannengrünen Pullover mit V-Ausschnitt und dazu eine schlichte schwarze Hose. Seine Haare waren ordentlich frisiert. Eigentlich war alles so wie immer. Außer, dass er irgendwie strahlte. Sein ganzer Körper sendete ein Licht und eine Frische aus, wie ich es noch nie an ihm erlebt hatte. Es fiel mir schwer, mich von diesem Glanz nicht vereinnahmen zu lassen.

„Ich werde meine Sachen zusammen sammeln und dann bin ich weg.", nuschelte ich und wollte mich an ihm vorbei, rein ins Schlafzimmer schieben. In den Raum, mit dem ebenfalls so viele Erinnerungen verknüpft waren.

Ich wollte lieber nicht daran denken.

„Das kannst du gerne machen. Doch darf ich es dir wenigstens erklären?"

„Tu, was du nicht lassen kannst.", sagte ich geistesabwesende und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Auf der Suche noch Kleidungsstücken, die mir gehörten.

„Bitte, Daya.", seine Stimme war ruhig. Dieselbe Stimme, die er verwendete, um Patienten Geduld zuzusprechen, wenn ihre Verletzungen nicht schnell genug verheilten.
„Ich verlange nichts von dir, doch ich bitte dich, mir zuzuhören. Um Emilies Willen."

„Oh, du meinst die andere Person, die mir nahe stand und mich betrogen hat."

„Emilie ist noch immer dieselbe Person wie vorher."

„Ist sie nicht! Sie hat bewiesen, dass ich ihr gleich bin! Sie hat mir alles genommen!", so wütend, wie ich wahrscheinlich auf ihn wirkte, war ich eigentlich gar nicht. Ich war verletzt, mein Stolz war zerschunden.

„Ach, ich bitte dich.", er feixte und machte eine abfällige Handbewegung.
„Wenn ich jetzt schon ehrlich zu dir bin, dann sei du es auch.
Einmal, Daya. Lass uns einmal mit offenen Karten spielen.", seine Stimme wurde lauter.
„Hast du mich wirklich geliebt? Gab es einen Moment, in den letzten Monaten, seitdem du bei mir wohnst, in dem du nur einen Funken Liebe für mich empfunden hast?"

Ich schwieg. Was sollte ich darauf antworten? Lügen würde ich unter keinen Umständen. Aber die Wahrheit sagen? Stand auch nicht gerade an oberster Stelle, wenn man bedachte, dass ich wochenlang nur seinen Tod vor Augen hatte.

„Dein Schweigen ist deutlicher als eine Antwort.", er hatte ja recht. Immer hatte er recht.

„Wir sind uns sehr ähnlich, Daya. Ist dir das schon einmal aufgefallen?", ich horchte überrascht auf, „Stets höflich aber immer bedacht, nicht zu viel von uns preiszugeben. Immer zuvorkommend aber in Gedanken nie zu 100 Prozent anwesend. Eigentlich sind wir perfekt füreinander. Gleiches paart sich mit gleichem."

Kontrolliert spazierte er durch den Raum, hatte dabei die Hände hinter dem Rücken verknotet, als würde er über eine medizinische These referieren.

„Doch, das ist nicht, was wir wirklich wollen.", er blieb stehen und sah mich ruhig an. Neutraler hätte seine Miene gar nicht sein können, „was wir tief in unserem Inneren wollen, ist Harmonie. Harmonie in Form der reinsten, glückseligsten Liebe. Das könnten wir uns gegenseitig niemals geben. Meinst du nicht, wir haben uns ein klein wenig Glück in dieser kaputten Welt verdient?"

Kurz überlegte ich.

„Also gut.", ich nahm mir einen Stuhl und setze mich an den Esstisch, „ich höre dir zu."

Just three WordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt