verwandschaftliches Zusammensein

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Vom Warten und den ewig langen Kartenspielen auf der kleinen, rot-schwarzen Terrasse, mit den weiß gestrichenen Wänden,
die ich so liebe;
wegen dem Blick auf den Himmel,
wegen dem gedanklichen Schweifen in physisch unerreichbare Fernen und wegen den damit verbundenen zahlreichen Sternen, die man bei euch so gut sehen kann,
und die ich gleichzeitig so hasse;
wegen dem Schimmel in der rechten, unteren Ecke, der sich langsam seinen Weg zur Decke bahnt und dem ungebetenen Gast namens Mücke, der ahnt, dass wir ihn nicht in unserer Mitte haben wollen und der deshalb, vermutlich aus boshafter Absicht, gerade an schwül-warmen, sommerlichen Nächten seine komplette, absolut nicht nette, Verwandtschaft mit sich bringt, die uns dann umringt.

Vom anschließenden Versuch die Mücken loszuwerden, durch das Hauen mit der Fliegenklatsche, mit der ich als Kind, aus Spaß, viele Fliegen tötete und danach ein schlechtes Gewissen bekam. Denn die Fliegen waren schon arm dran, hat sie doch niemand bei ihrer Geburt gefragt, ob sie eine Existenz in dieser Akkumulation aus Atomen führen wollen. Man hat einfach gesagt sie sollen, egal, ob sie wollen oder nicht. Man sagte, es sei ihre Pflicht und so leben sie vor sich hin
- genauso wie wir Menschen - nur, dass sie nicht fragen „wieso" und auch wenn mein kindliches Ich sicherlich Mitleid für die Mücken hätte aufbringen können, kann mein jetziges Ich diese Empathie gegenüber ihnen nicht aufzeigen und so tanzen die Mücken und ich einen nächtlichen Reigen aus stoßen, schlagen, hüpfen und fliegen, aus siegen und verlieren, aus stechen und gestochen werden.

Vom Klären der Regeln für das Spiel, was nicht ganz so einfach ist, wenn zwei Sprachen aufeinander treffen, die da unterschiedlicher nicht sein könnten und wenn beide Parteien nur ein gebrochen, rudimentäres Verständnis für die Worte ihres Gegenübers aufzubringen vermögen.

Vom eigene Regeln erfinden, durch Gestik und Mimik, durch das Schütteln mit dem Kopf und das Klatschen in die Hände, durch das Stampfen mit den Füßen und das Verziehen der Lippen, mit denen wir gelegentlich an der Holunder-Limonade nippen, die du selbst gemacht hast und die so gut schmeckt, dass man sich anschließend die Finger ableckt, vom Wippen mit den Augenbrauen und dem anschließenden Schauen in die Augen des Gegenübers und der Frage, die sich darin ablesen lässt: Verstehst du, was ich dir sagen will?

Vom Schütteln der Würfel im kupferroten Keramikbecher und dem stumpfen, dumpfen Ton, der dabei erklingt und dessen Klangwellen gelegentlich die Straßenhunde aus der Nachbarschaft zum Bellen bringen.

Vom Blick zu den weißen Wänden, weil man die Mücken darauf so gut erkennen kann.

Vom langsamen Wenden der Karten in deinen Händen, zum Takt deiner Atmung. Das Kartenspielen ist für dich kein großer Akt und du kannst dabei geduldig warten. Immer auf der Hut, achtest darauf, dass dir keiner in die Karten schaut oder gar welche klaut und doch frage ich mich, ob du das Spiel lieber beenden würdest, ob du nur daran festhältst, weil es eine der Tätigkeiten ist, die uns verbindet und die wir beide, ohne viel Gerede drum rum, zusammen tun können.

Vom neben dir Sitzen und vom gemeinsamen in den Himmel schauen, an schwül-warmen Sommernächten.

Vom Verweilen.

Vom Momente miteinander teilen.
-Stunde für Stunde, Sekunde für Sekunde-

Vom Zählen der vielen Sternschnuppen, die an uns vorbei rauschen und vom Lauschen der Musik, mit der uns die Grillen beglücken.

Vom Zurechtrücken der Bank, an der jedes Mal, wenn man sie bewegt, auf der linken Seite ein bisschen gelbe Farbe abbröckelt und dem anschließenden Verharren in der Stille, jeder vertieft in seine Gedanken, wobei wir Energie tanken für künftiges Warten und für erneutes Spielen mit Karten, bei denen nicht sie, sondern wir die Regeln bestimmen, auf der kleinen,
rot-schwarzen Terrasse, mit den weiß gestrichenen Wänden,
die ich liebe und gleichzeitig hasse.

©KF

„Weil es einfach rausmusste"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt