Kapitel 11

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Ein Mangel an Takt ist schlimmer als ein Mangel an Tugend.

-Benjamin Disraeli (seit 1876 Earl of Beaconsfield, britischer konservativer Staatsmann und Schriftsteller)

»Muss das sein Mama? Ich will nicht, es schmeckt ekelig und was bringt es eigentlich? Ich bin kein kleines Kind mehr! Ich bin nicht dumm! Es schmeckt wirklich widerlich!«, beschwere ich mich bei meiner Mutter und verziehe mein Gesicht als ich das Glas in ihrer Hand sehe. Die dunkel Grüne Flüssigkeit erkenne ich aus hunderten wieder. »Ich gelobe hoch und heilig, dass ich meine Magie nicht verwendet habe und werde. Es hat eine Woche gedauert bevor ihr hier wart und ich lebe noch! Ich schaffe es noch einige Stunden, ohne meine Magie zu verwenden. Es sind doch schon fast alle Vorbereitungen für heute Abend getroffen!«

»Mari, ich bin deine Mutter. Ich kenne dich! Ich habe dich neun Monate in mir getragen also runter damit!«, droht meine Mutter wobei sie mir das Glas in die Hand drückt. Sie verschränkt die Arme während ich miesmutig in Glas runterschaue. Ihr Fuß wippt hin und her. Ich kenne diese Pose, die heißt nicht gutes und wiederworte sind schon gar nicht gefragt. »Marianne, heute noch, wenn ich bitten darf.«

»Schon gut, schon gut. Ich würge es doch schon runter! Kannst du keinen Honig reintun?«, schmolle ich weiter, wobei ich mir kalt den Rücken runter läuft als ich den Trank hinunter würge. Ich habe diesen Trank gehasst und hasse es immer noch. Es schmeckt einfach nicht, schlimmer ist aber, dass ich weiß, was drin ist. Leider weiß ich auch genauso gut, dass dieser Trank hilft. Als Kind hat meine Mutter des Öfteren von mir verlangt, dieses widerliche Gebräu hinunterzuschlucken. Es ist ein altes Familienrezept, zumindest behauptet Mama das immer. Ich bin mir sicher, dass hat sich das Rezept aus den Daumen gesaugt, um mich damit quälen zu können. Das ist bei Aspirin doch auch so. Es hilf schon, wenn man daran glaubt.

»Marianne, hast du eigentlich nicht gelernt, dass man die eigene Mutter nicht anlügt?«, fragt Mama mit einem seufzen und nimmt mir das Glas ab. Sie stellt es auf den Arbeitstisch hinter sich ab und verschränkt wieder die Arme. »Glaubst du, ich kann nicht erkennen, dass du Magie verwendet hast in den letzten sieben Tagen?«

»Ich habe meine Magie nicht verwendet, Mama. Ich höre sehr wohl auf dich. Außerdem will ich doch selbst nicht verrückt werden und ich will auch nicht, dass Eufrosinia beim nächsten Mal meinen Körper übernimmt!«, entgegne ich empört. »Mama ich kenne die Geschichten, die man sich erzählt und ich weiß genauso gut, dass etliche dieses Geschichten der Wahrheit entsprechen. Es sind keine Ammenmärchen die man sich als jugendliche am Lagerfeuer erzählt! Ansonsten hättest du nicht die zwei Ältesten Elio und Enzo mitgebracht und sprechen wir nicht von Jorina und Alida. Du hast selbst gesagt, dass die beiden in Blutmagie spezialisiert sind!«

»Ich habe nie abgestritten, dass deine Erscheinung sichtbar war für deinen Gefährten und sein Rudel! Verdammt Marianne, du bist vor magischer Energie nur so geladen! Und glaub bloß nicht, dass ich nicht spüre, wie geladen Ellias ist! Es kann-«

»Ellias ist geladen mit magischer Energie?«, unterbreche ich meine Mutter fragend, wobei ich mich gegen die Küchenzeile lehne. »Wieso ist Ellias magisch geladen?«

»Ihr hattet noch keinen Sex?«

»Nein! Mama, sowas kannst du doch nicht einfach fragen! Das geht dich auch nichts an!«, entgegne ich peinlich berührt. Wieso muss sie denn immer solche peinlichen Fragen stellen. Wenigsten hat sie es diesmal nicht im Beisein von jemand anderes gemacht. Das hätte mir noch gefehlt.

»Du bist meine Tochter, meine einzige Tochter, Marianne! Aber ihr habt euch doch schon geküsst, oder? Sag mir bitte nicht, dass ihr bis nach der Hochzeit warten wollt!«, meint meine Mutter unglaubwürdig. Sie sieht mich belustigt an, sie weiß genau, dass es mir peinlich ist.

»Ja Mama, wir haben uns schon geküsst und jetzt lass uns endlich das Thema ändern.«, brumme ich bloß peinlich berührt, drehe mich weg und sehe aus dem Fenster. »Wir lassen es ruhig angehen Mama, dass ist alles.«

»Wenn du meinst, mein Kind.«, meint meine Mama schulterzuckend. »Das erklärt immer noch nicht, wieso Ellias Magie geladen ist.«

»Wir hatten keinen Sex Mama!«, erwidere ich barsch. Meinen Rücken ist immer noch meiner Mutter zugedreht und ich beobachte gespannt, wie die ältesten das Ritual vorbereiten. »Es ist doch wirklich nur eine Legende oder? Das auch Partner die Magie einer Hexe nutzen können, oder Mama? Habe ich mit Ellias Magie ausgetauscht, obwohl er keine Hexe ist?«

»Ich bin noch nie einem Paar begegnet, das ihre Magie austauschen konnte, dass aus einer Hexe und einer Nichthexe bestand.«, gesteht meine Mutter mit leiser Stimme. »Es fällt sogar deinem Vater und mir schwer Magie auszutauschen. Bei uns funktioniert es nur, wenn wir uns konzentrieren und die Entfernung zwischen uns, nicht zu groß ist.«

»Vielleicht ist es nur sein Wolf?«, werfe ich hoffnungsvoll in den Raum, wobei ich die Augen schließe und mir die Daumen drücke, dass sie mir recht gibt.

»Nein, es ist nicht sein Wolf.«, beantwortet mein Vater die Frage, erschrocken drehe ich mich um und sehe, wie er sich gegen den Türrahmen lehnt. »Sein Wolf ist sehr ruhig und auch seine Persönlichkeit spiegelt das wieder. Dein Liebhaber-«

»Er ist nicht mein Liebhaber! Wir hatten nicht einmal Sex!«

»-schreibt Tagebuch. Ihr müsst eine sehr starke Verbindung haben oder aber, du hast keine Kontrolle über deine Magie mehr.«, fährt mein Vater unbeirrt weiter. »Und nun komm endlich, wir wollen jeden Moment mit dem Ritual anfangen und du bist die Hauptkomponente.«

»Wäre mir lieber wenn es nicht so wäre«, brumme ich leise vor mir hin. Folge aber Papa hinaus in den Garten, wo das Ritual stattfinden soll.

»Hast du denn schon einige Passagen gelesen?«, erkundigt Papa sich neugierig.

»Habe ich was gelesen?«, frage ich verwirrt meinen Vater während ich an ihn vorbei sehe auf die Ältesten. Langsam werde ich nervös. Will ich das überhaupt noch durchziehen? Vielleicht ist es besser, wenn ich jeden Tag diesen ekeligen Saft von Mama trinke bis Eufrosinia verschwindet.

»Na, Seiten in seinem Tagebuch? Willst du nicht wissen, wie er fühlt? Was er über dich denkt? Welche Eigenart er an dir nicht mag?«

»Doch, schon, aber lieber aus seinem Mund als ihm hinterher zu spionieren und sein Tagebuch zu Lesen! Du bist so verdammt neugierig Papa!«

»Es geschieht nicht jeden Tag, dass die Tochter sich einen Werwolf des Kriegsrudels zum Gefährten angelt! Wie oft glaub du, habe ich die Chance die Geheimnisse des Kriegsrudels zu entdecken? Es sind Jahrhunderte lang, keine hexen mehr in ihren Archiven gewesen! Vor allem keine Geisterhexen!«, eifert Papa unberührt weiter. »Du solltest dich mit der Hochzeit beeilen, dann kann ich öfters vorbeikommen und die Archive erkunden. Und warte bloß nicht zulange mit den Enkelkindern, ich habe dann nämlich einen zweiten Grund dich zu besuchen.-«

»Papa ich bitte dich!«

»-Aber glaube bloß nicht, dass ich länger als zwei Tage auf die Bengel aufpasse!«, fügt Vater unbeirrt hinzu. Er scheint kein Heil daraus zu machen, dass genau das mich nicht interessiert.

»Papa ich finde nicht, dass du meine ungeborenen Kinder schon böse Spitznamen geben kannst. Wer sagt denn bitte das ich Kinder will? Aber danke.«, flüstre ich den letzten Satz und schenke ihm ein dankbares lächeln als er mich über seine Schulter hinweg ansieht. 

»Dafür sind Eltern da.«, rechtfertigt Papa sich wobei er aber mein lächeln erwidert. »Und nun hole einmal tief Luft und sorge dafür, dass die Nervosität deinen Körper verlässt. Du musst dich auf das Ritual konzentrieren. Nichts zählt mehr als dieses Ritual, Marianne.«

Eure Linkszanne

Sonntag, der 24 April 2022

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