Deine Rache wird den Schmerz verringern.
-Ovid (eigentlich Publius Ovidius Naso, römischer Epiker)
Ich bin froh, wenn wir endlich fertig sind. Ich kann es kaum noch erwarten, meine Geduld ist langsam zu ende. Nicht, dass ich je viel Geduld hatte, damit war ich noch nie gesegnet. Aber es ist was anderes hier zu knien und ein passives Teil des Rituals zu sein. Bisher habe ich immer einen aktiven Part gehabt und jetzt? Jetzt erlebe ich das Ritual am eigenen Leib. Ein Ritual von dem ich nicht viel Ahnung habe. Obwohl ich viel vertrauen in die ältesten und Bluthexen habe, habe ich genauso viel Angst.
Angst davor, dass es schief geht.
Angst davor, dass es funktioniert.
Angst davor, dass es nicht funktioniert.
Angst davor, dass Eufrosinia doch die überhandnimmt.
Angst davor, was es bedeutet, dass Ellias Magie geladen ist.
Mir ist kalt. Die Nacht ist seit Stunden angebrochen und es ist kalt. Die kälte spüre bis in meine Knochen. Nicht einmal eine heiße dusche oder ein Bad würde diese Kälte vertreiben. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier auf den Knien sitze. Schon zu lange. Ich spüre weder meine Finger noch meine Zehe. Jedes Glied fühlt sich steif und kalt an. Zu kalt.
Es ist nicht die kälte der Nacht, die sich in meine Knochen geschlichen hat, sondern die Magie. Ich spüre, wie sie durch jede Faser meines Körpers ein brennendes Gefühl hinterlässt. Es ist nur die Reaktion meines Körpers, der mir diese Schmerzen bereitet. Ich weiß, dass es nur durch die zusammengezogenen Blutgefäße kommt, aber trotzdem verfluche ich die Magie, meine Magie. Verfluche Eufrosinia und ihre Besessenheit eine Geisterhexe zu finden, die ihr Gehör schenkt. Und diese dämliche Geisterhexe war ich.
Ich starre weiterhin auf den Boden. Ignoriere, die Gebete und die Zauber. Ignoriere die etlichen Aromen der Kräuter, so wohl von frischen als auch verbrannt oder eingelegt. Und dabei fange ich nicht bei dem Geruch vom Weihrauch an. Einfach nur ekelig. Ich habe Weihrauch schon immer gehasst und bin so dankbar, dass es nicht viele Rituale gibt, wo es verwendet wird. Obwohl ich eher die Rituale Meide bei denen es verwendet wird, da habe ich lieber mehr aufwand als Weihrauch.
Der schlimmste Part des Rituals kommt jetzt und dabei habe ich es, ohne zu schreien überlebt, dass die Reine Magie durch mich hindurch gezwungen wurde. Ich will nicht mal wissen, wie alle anderen sich dabei gefühlt haben. Diejenigen die keine Magie haben. Habe ich mich wirklich so von meiner Magie entfremdet? Ich habe nicht mal gespürt, wie Magie geladen Ellias ist. Mein eigener Gefährte. Hat sie mich so in ihren Bann gezogen? Hat Eufrosinia mich so sehr beeinflusst, dass ich alles um mich herum vergessen habe?
»Marianne, bist du bereit?«, ertönt Enzos Stimme aus weiterferne. »Marianne? Marianne geht es dir gut? Wir könnten eine kurze Pause einlegen. Jetzt wäre ein geeigneter Zeitpunkt, sobald wir mit dem nächsten Part angefangen, gibt es kein halten mehr.«
»Nein, es geht schon.«, bringe ich mit zitternder Stimme heraus. Ich hole einmal tief Luft, wobei ich die Augen schließe. Ich muss nur noch meinen Mut sammeln. »Ich bin bereit. Ich schaffe das.«
»Bist du dir sicher?«, fragt Elio wobei ich die Unsicherheit aus seiner Stimme heraushören kann. Genau die Zweifel die ich hege, in diesem Moment. »Wie wäre es, wenn du wenigstens noch einmal tief Luft holst und deine Gedanken sammelst.«
»Ich bin so weit.«, murmel ich nach einigen Sekunden und sehe die beiden auffordernd an. Der schwierigste Teil steht jetzt bevor und mein aktiver Part dieses Rituals. Ich habe Rituale noch nie so sehr gehasst. Trotzdem will ich es sofort hinter mir bringen. Je schneller wir fertig sind, desto weniger kann schief gehen.
»Sehr gut, dann werden wir fortfahren.«, meint Elio bestimmend, während er sich umdreht und einige Schritte geht um, einen Eisernen Becher hochzuheben. Ich weiß so ungefähr was in dem reich verzierten Eiserenen Becher ist und mir dreht sich jetzt schon der Magen um. Es ist ein Gebräu das aus Blut, Kräutern und anderen Säften besteht.
»Marianne, voluntarie et sine externis influentiis hanc potionem debes accipere. Sciensquid de periculo tuo. Sciens quid tibi iam constiterit ac perseveret tibiconstaret. Fatum tuum est, praeteritum et futurum. Nemo nostrum te cogunt utillum mutem.«, flüstert Elio in die Stille Nacht hinein, während er zurück zu mir läuft mit diesem verfluchten Becher.
»Sponte hanc potionem accipio, ne quis me moveat. Sine sensu reus, sine praeterito vel futuro vale dicere. Hanc potionem lubens bibo, sciens praeteritam ac futuram mutaturam. Maleficae, larvae, vel quicumque alius, non possunt me fato commoveri.«, erwidere ich mit fester Stimme auf Elios Andeutung. Ich nehme ihm mit einem nicken den Becher ab. Obwohl es so kalt ist, ist der Becher warm. Ich verbrenne mir fast die Finger an dem Becher und trotzdem lasse ich nicht los.
Langsam setze ich den Becher an meine Lippen. Ich hätte mir eine Wäscheklammer auf die Nase setzen sollen. Vorsichtig lege ich meinen Kopf in den Nacken und schlucke das eklige, dickflüssige Gebräu hinunter.
»Nein! Das kannst du nicht machen!«, ertönt die hysterische Stimme von Eufrosinia. »Du hast es mir versprochen, Marianne Caomhnóir.«
Ich zögere. Nicht mal aus den Augenwinkeln kann ich sie sehen. Sie muss irgendwo hinter mir stehen.
»Marianne trink einfach weiter, beachte Eufrosinia nicht.«, flüstert Enzo mit seiner rauchigen Stimme, während er vor mir durch die knie gegangen ist. »Du musst sie ignorieren, du stehts über ihr. Es ist deine Entscheidung, ob du kontakt zu ihr haben möchtest oder nicht.«
Er hat recht, aber Ihretwegen habe ich mich überhaupt auf dem Weg zum Kriegsrudel gemacht und auch nur Ihretwegen habe ich meinen Gefährten gefunden. Sollte ich mich wirklich von ihr entsagen? Kann ich mich von ihr entsagen? Bin ich wirklich stark genug dafür?
»Hinterfragst du gerade deine Entscheidung?«, erkundigt Enzo sich bei mir. Zögernd trinke ich weiter. Habe ich Zweifel? Ja ich habe Zweifel. Ich habe mit Eufrosinia viele Stunden verbracht, sowohl lachend als auch schweigend. »Du kannst an deiner Entscheidung zweifeln, Marianne, aber denke darüber nach wieso du es machst. Denk nicht daran was wir von dir wollen, sondern was du willst und weswegen du dich für dieses Ritual entschieden hast.«
Er hat Recht. Ich habe mich für dieses Rituals entschieden. Es war allein meine Entscheidung. Weder Eufrosinia noch meine Eltern oder Ellias haben mir dareingeredet. Langsam trinke ich weiter, zwinge mich dazu weiter dieses eklige Gebräu zu schlucken.
»Das kannst du mir nicht antun! Marianne Caomhnóir das kannst du mir nicht antun!«, schreit Eufrosinia verzweifelt. Sie erscheint vor mir. »Ich habe dir vertraut! Ich habe dir alles erzählt und so hintergehst du mich!«
Ausnahmsweise scheint sie zu flackern und zieht dabei auch Magie aus der Erde. Ich kann sehen, wie die Magie um ihr herum knistert. Wie es kleine, rote funken von sich gibt.
Ich trinke weiter. Ignoriere den Geist, der vor mir steht und wirres zeug von sich gibt. Versuche vor den Magiefunken keine angst zu haben, was mir nicht gerade leichtfällt. Ich habe sie noch nie so sauer erlebt, ich habe noch nie einen Geist do sauer erlebt.
»Wenn du nicht hören willst, muss Ellias eben fühlen müssen!«, kreischt Eufrosinia während sie durch mich hindurch fährt und Besitz von Ellias Körper nimmt.
Eure Linkszanne
Donnerstag, der 19 Mai 2022
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Rudelgeheul
Hombres LoboSie will nur eine heile Welt, ohne Werwölfe an der Macht. Er ist durch ihr auftauchen verunsichert. Sie hat Angst, dass ihre Magie ihn verbrannt. Er hat keine Ahnung, wie er mit der Situation umzugehen hat. Beide arbeiten so sehr mit als gegen einan...