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Als ich aufstand, war es nicht nur dunkel, ich war auch unsicher welches Jahr wir hatten. Mittagsschläfchen waren manchmal eine wirklich gemeingefährliche Sache. Dazu diese verfluchten Kopfschmerzen. Marzan gehörte verklagt.

Falls es überhaupt noch möglich war, dröhnte mein Kopf jetzt noch schlimmer als vorher. Sehr sehr sehr viel schlimmer.

Kaum saß ich aufrecht, bäumte sich mein Oberkörper unwillkürlich auf. Verdammt, das auch noch. Ich schaffte es gerade noch zum Mülleimer unter meinem Schreibtisch, als sich widerlich heiß und brennend mein Frühstück den falschen Weg nach draußen suchte. Ich röchelte und würgte, bis nur noch ein bitterer Geschmack übrig blieb und die Schmerzen in meinem Kopf an der Grenze des Erträglichen angekommen waren. Hoffentlich ärgert Mum sich doppelt, weil ich ihren Pudding nicht nur gegessen, sondern ausgekotzt hatte.

Mühsam kroch ich zu meinem Bett zurück und tastete nach meinem Smartphone. Das gleißende Bildschirmlicht brachte mich fast um. Sterne explodierten vor meinen Augen. Vielleicht auch mittelgroße Planeten. Mindestens.

„Dad? Mir geht es gar nicht gut." Unsicher, ob mein Mund die Worte in meinem Kopf in auch nur halbwegs verständlicher Weise ausgebildet hatte, wartete ich nicht auf eine Antwort, sondern bettete meinen Kopf auf dem kühlen Holz des Zimmerbodens.

Als ich das nächste Mal - ich glaube es war das nächste Mal, mein Kopf fühlte sich schon wieder so wunderbar in Watte gepackt an - die Augen öffnete, lag ich wieder in meinem Bett. Mein Dad lag neben mir und ich sah ihm dabei zu wie seine Finger flink über die Tastatur seines Macs huschten.

„Dad?" Jetzt erst bemerkte ich den widerlichen Geschmack in meinem Mund. Beißend. Irgendwie so, als ob ich an Eisen geleckt hätte.

„Du bist wach, Spätzchen." Er lächelte mich an und strich mir über die Haare. Früher war er immer bei mir geblieben, wenn ich krank gewesen war. Er musste zwar viel arbeiten, aber das hatte er sich nie nehmen lassen. Ich kuschelte mich an seine Seite und fragte, was passiert sei.

„Du hast eine Gehirnerschütterung. Ich hab dir Paracetamol intravenös gegeben und was gegen die Übelkeit. Seitdem hast du geschlafen." Er sah auf die Uhr. „Also jetzt gute sechzehn Stunden." Mühsam hob ich den Kopf und sah ihn überrascht an.

„Wo ist Mum?"

Statt einer Antwort klappte er den Laptop zu und streckte sich. „Wie sieht es aus, möchtest du duschen und was essen? Du verhungerst doch bestimmt." Ich schüttelte den Kopf. Statt erneut zu explodieren, erinnerte der folgende Schmerz mich nur ganz vage an gestern. Dad schwang seine langen Beine aus dem Bett. „Ich würde mich angesichts deines Zustands und des Erlebten sogar dazu hinreißen lassen Pancakes, Rührei und Bacon zu servieren."

Ich grinste. Das Angebot würde ich mir nicht entgehen lassen. Dad kochte echt selten, aber wenn, dann war es köstlich. Und Bacon ging immer. „Was heißt ‚Zustand' und was hab ich ‚erlebt'?" Irritiert betonte ich beide Worte. Ich hatte im Büro von Mr Leonard eine Tür von Marzan gegen den Kopf getrümmert bekommen oder?

Kurz huschte Besorgnis über sein Gesicht. „Dad, schon gut, ich weiß, dass ich eine Gehirnerschütterung habe. Mit meinem Gedächtnis ist alles ok, die Kopfschmerzen sind weg und mir ist nicht mehr übel."

„Dann geh unter die Dusche und komm in die Küche, wenn du nicht mehr müffelst." Meine Reaktionszeit war definitiv noch eingeschränkt, denn Dad war schon aus meinem Zimmer raus, als ich nach einem Kissen gegriffen hatte, um es nach ihm zu werfen.

Das Kissen gab den Blick auf mein Smartphone preis.

2 Neue Nachrichten

Man sollte doch meinen, dass meine Freunde etwas besorgter wären, nachdem ich sechzehn Stunden nicht online gewesen bin. Aber ok.
In Erwartung je eine Nachricht von Yaron und Charlie zu haben, öffnete ich den Messenger. Schlagartig kam meine Übelkeit zurück, denn die 1 leuchtete hinter dem Namen, der mir die Laune jederzeit vermiesen würde: Jackson, mein Alptraum.

Mr Marzan sagte mir, dass du Nachhilfe bei mir angefragt hast. Morgen nach der Schule in der Bibliothek. Sei pünktlich, ich hab nicht ewig Zeit.
15:34 ✔️✔️

Obwohl ich die Nachricht mehrfach las, änderte sich der Wortlaut nicht. Was sollte das? Zum einen war die Nachricht erstaunlich nett - vielleicht wollte er aber auch keine schriftlichen Beweise seiner Tyrannei hinterlassen- , zum anderen hatte ich gar nichts angefragt. Glaubte ich.

Kopfschüttelnd überflog ich Yarons Nachricht, während ich aufstand und in Richtung des Bads lief. Er erkundigte sich nach mir und vor allem nach Ben. Es war anscheinend schon schulweit herumgetratscht worden, dass er mich nach Hause gebracht hatte. Keine Nachricht von Charlie. Hatte man ihr Handy konfisziert?

Schon im gesunden Zustand war ich nicht Multitasking fähig, aber jetzt sollte ich auf gar keinen Fall versuchen mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Das hätte ich mir gesagt, wenn ich ganz beisammen gewesen wäre. So rannte ich gegen meine umgekippte Tasche, und stolperte über den überall verteilten Inhalt. Mein dickes Biologiebuch gab mir schließlich den Rest - kleine Zehen hatten keinerlei Daseinsberechtigung, außer weh zu tun.
Jammernd setzte ich mich auf dem Boden und hielt mir besagten Zeh. Dann fiel mein Blick auf den gelben Zettel, der aus dem Vokabelheft ragte.

Zwei Zettel in zwei Tagen - Ben musste mich wirklich mögen. Ich stand ja eigentlich gar nicht auf Kitsch, aber irgendwie war das schon süß.

Ich zog an dem Papier und entfaltete es neugierig.

Ich freue mich auf Samstag.
Du dich auch?
O Ja
O Nein
O Vielleicht

Ich musste lachen. Vielleicht war Ben gar nicht so verkehrt.

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Oder vielleicht ist er es dooooooch. 😜 Also verkehrt. Apropos verkehrt - Auftritt Jackson 😇

An Alpha's BiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt