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Genervt saß ich im Sekretariat vor der Tür des Schulleiters und wartete. Ich hasste es zu warten. Vor allem, wenn ich Mist gebaut hatte. Wieder hatte ich etwas Neues über mich gelernt. Das war wirklich etwas Neues für mich, denn normalerweise baute ich keinen Mist. Nie. Ganz ehrlich, ich war der Inbegriff eines braven Mädchens. Langweilig. Berechenbar.

Ich seufzte und verkniff mir ein Grinsen, als ich die Augen schloss und mir Muffelkopf Marzans Gesicht vor mein inneres Auge rief, wie es einen hübschen auberginenschalenfarbenen Ton annahm, als ich ihn ein Arschloch schimpfte. Das hatte so so so gut getan. Und da er mich sowieso niemals bestehen lassen würde, war es das wert gewesen.

Erschrocken öffnete ich die Augen, als der Locher krachend durch einen Stapel Papier fuhr. Mrs Schwartz, unsere Schulsekretärin und eine wirklich gute Seele, lächelte mich schon wieder aufmunternd an, was ich jedoch nur mit einem Seufzen quittierte. „Ach nu, Marian, so schlimm wird es schon nicht werden." Sie klang wie meine Oma und vermutlich war sie genauso alt. Tränen stiegen ungefragt nach oben und ließen meine Augen schwimmen. Nicht weil es Ärger geben würde - der war halb so wild, ich müsste vermutlich bloß Nachsitzen oder so was - sondern weil mir mit jedem Klopfen meines Herzens mehr und mehr bewusst wurde, dass ich die Schule ohne Abschluss verlassen müsste. Wegen Englisch. So eine Scheiße. Nicht blinzeln. Nur nicht blinzeln, sonst würden die heißen Tränen meine Wangen herablaufen und vermutlich nie wieder damit aufhören.

„Was kann ein Mädchen wie du schon angestellt haben?" Kurz riss Mrs Schwartz mich aus meiner Abwärtsspirale. Obwohl mir bewusst war, dass ihre Worte mich trösten sollten, verletzten sie mich auch. ‚Ein Mädchen wie ich.' Herzlichen Dank auch.

„Ich habe Mr Marzan mit einer unappetitlichen Körperöffnung verglichen." Ich verzog das Gesicht und wischte die Tränen fort. Sie verzog keine Miene, aber ich bildete mir ein den Schalk in ihren Augen blitzen zu sehen. Dann stand sie auf, griff sich eine Mappe und schenkte zwei Tassen Kaffee ein. „Ich werde mal sehen, wie die Stimmung da drinnen so ist."

Gern hätte ich ihr gesagt, dass sie es sich sparen könnte. Aber es war so lieb gemeint und ich war das Warten so leid. Sie lief um ihren Schreibtisch und die Theke herum und zwinkerte mir verschwörerisch zu. Dann klopfte sie und verschwand im Büro.

Bei dem was als Nächstes geschah, bin ich mir über Absicht und Zufall nicht im Klaren, aber die schwere Tür schloss nicht ganz und ich konnte hören, wie Mrs Schwartz den Herren Kaffee anbot und die Mappe entschuldigend an Mr Leonard reichte.

„Wieso wird die Hand über das Mädchen gehalten? Immer noch?", giftete Mr Marzan und ich konnte mir leider nur allzugut vorstellen, wie feiner Speichel die Worte wie ein widerlicher Sprühregen begleitete.

„Sie ist Annis Tochter." Mr Leonard klang ziemlich gelassen. Das war gut. Glaube ich. Ich wusste gar nicht, dass er Mum so gut kannte, dass er in so einem Gespräch ihren Vornamen nannte. Aber das erklärte vielleicht, wieso Mr Leonard diesen Stinkstiefel aufgefordert hatte mir noch eine Chance zu geben. Vielleicht hatten Leonard und Oma mal was miteinander gehabt und dem verdankte ich nun die Fürsorge. Ich musste sie unbedingt danach fragen.

„Und sie ist keine von uns. Wieso genießen sie und ihre Brut noch immer Schutz?" Ich hörte wie jemand auf und ablief. Kurz überlegte ich, ob sie das Thema gewechselt hatten und ich nicht mehr mitkam. Wer war kein Teil von wem oder was, der wen beschützte? Und meinte der mit ‚Brut' etwa mich?

Dann mischte sich Mrs Schwartz ein. „Wir waren mal viele, Tobias. Niemand von ihnen ist freiwillig gegangen. Und ohne Anni und Lucia wären wir noch sehr viel weniger. Und dabei haben sie den höchsten Preis gezahlt."

Ich hatte nicht den blassesten Schimmer worum es ging. Aber irgendwas schien hier gelaufen zu sein, von dem ich nichts wusste und sie alle Teil gewesen waren. „Verzeih, Martin. Ich weiß du sprichst nicht gern von Lucia." Martin. War das Mr Leonard? Und war Lucia seine Frau, seine Schwester? Ich wusste, dass Lauschen unanständig war, aber ich erwischte mich dabei, wie ich mich vorbeugte um durch den kleinen Spalt zu schauen.

„Leck mich doch, Clarice." Ich schlug mir die Hand vor den Mund. Der ewig mies gelaunte Marzan zeigte sich hier sein wahres Gesicht. Wie konnte er mit der lieben, kleinen, immer freundlichen graugelockten Mrs Schwartz so reden? Vielleicht sollte ich das mal ihrem Enkel stecken. Als ich den das letzte Mal gesehen habe, hat er die zwei Meter Marke geknackt und ordentlich an Muskelmasse zugelegt. Es wäre bestimmt ganz entzückend dabei zuzusehen, wie er dieses abgebrochenen Zwerg Marzan unangespitzt in den Boden rammte.

Ein Räuspern riss mich aus meinem wirklich schönen Tagtraum. Ertappt zuckte ich zusammen und drehte mich um.

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Wie schaut's aus? Wird Zeit für ein paar heiße Typen oder? 🙈🤣😉

An Alpha's BiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt