Beginn eines Fehlers?

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Felix' Sicht:

Petrit, du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!
Rewi kann jetzt alles mit mir machen - ALLES!
"Das magst du doch."

Natürlich versuchte ich die innere Stimme auszublenden, aber einen dominanten Rewi, der zudem provokant seine Lippen über jede nur erdenkliche Stelle gleiten ließ, konnte man nicht so leicht ignorieren.

"Rewi, jetzt nicht."

"Sei doch nicht so. Selbst Petrit hat uns alleine gelassen, weil er gesehen hat, wie nötig du es hast." Zur Bestätigung legte er seine Hand auf meinem Hosenstall ab. "Klein Felix will sicher mal 'ganz Großer' spielen."

Was ist nur aus dem verpeilten, lustigen und netten Sebastian geworden? Bis vor ein paar Tagen war doch alles in Ordnung.

Bestimmend drückte ich ihn von mir herunter, was nur durch einen großen  Kraftaufwand möglich war. Erleichtert atmete ich aus und rollte mich über das Bett. Ein Gefühl der Freiheit, da Rewi mich nicht mehr so bedrängte, machte sich in mir breit. Rewi fand es allerdings besser meinen Moment der Ruhe zu zerstören. "Felix..." Er machte eine denkwürdige Pause und ließ seine Hand an meine Taille wandern, wo sie augenblicklich ihre Besitzansprüche auslebte durch ein leichtes Drücken. "...liebst du mich?"

Mit großen Kulleraugen blickte ich ihn an. Vor genau dieser Frage hatte ich Angst. Wahnsinnige Angst.

Wie zum Fuck soll ich dir sagen, ob ich dich liebe, wenn ich nie diese "Liebe" gespürt habe, aber deine Anwesenheit einfach brauche?! Wie?

"Du musst mir nicht sofort antworten. Ich kann verstehen, wenn du Zeit brauchst." Er stand auf und ich konnte deutlich die Enttäuschung in seiner Stimme hören. Das hatte er nicht verdient.

Warum bin ich nur so dumm und egoistisch?! Ist das wirklich 'Liebe'?

"Basti, ich...!" Weiter kam ich nicht, da Rewi mir abermals das Wort abschnitt. "Denk' erst mal gründlich darüber nach. Aber nicht zu lange, sonst ist es vielleicht schon zu spät." Schnell ging er aus dem Zimmer und ich sah ihm vom Fenster aus zu wie er zittrig auf sein Longboard stieg und anschließend relativ schnell die Kurve kratze.

"Toll. Und was soll ich jetzt machen?", murmelte ich in den Raum. "Ich könnte darüber nachdenken, aber andererseits hat der Spast mich nicht ausreden lassen geschweige denn Zeit mit ihm zum Nachdenken gegeben..."

So fiel es mir leicht mich auf die Couch zu schmeißen und die Playstation 4 anzuschmeißen.

Scheiß auf alle Gefühlsfragen!

Rewis Sicht:

Was hab' ich nur wieder angestellt?

Als ich beim Youtube Haus ankam, schloss ich nicht wie jeder andere normale Mensch die Tür auf. Nein, ich rammte meinen Kopf gegen die Tür. Bei meinem Zittern wäre ich eh nicht in der Lage gewesen den Schlüssel ins richtige Loch zu stecken.

Wow, bei ner Gay Party wäre das der Brüller gewesen.
Konzentrier dich, Rewi!
Es war doch gut, ihm Zeit zu geben, oder?

"Welcher Hurensohn ballert denn so behindert gegen die Tür?!" Ein wütender Peterle stand vor mir, aber als er mich sah wurden seine Gesichtszüge weicher. "Rewi, warum machst du das denn?"
Ich schüttelte nur den Kopf als Zeichen, dass ich nun nicht darüber sprechen möchte und wollte die Treppe hochlaufen, doch Peterle hatte anscheinend eine bessere Idee. "Weißt du, ich denke du brauchst mal wieder einen ordentlichen Schluck und dicke Titten. Wir gehen feiern!"

Klar, Sex und Alkohol sind die besten Problemlöser...
Nicht, aber Ablenkung von meiner Dummheit ist bestimmt in Ordnung.

"Ich müsste noch ein Video machen für heute." Der letzte Versuch ein wenig Vernunft zu bewahren.
"Das kann auch warten oder du machst einen brutalen Saufvlog!" Mit erhobener Faust brüllte er seinen - aus seiner Sicht - grandiosen Vorschlag.
Ein paar Minuten später saß ich auch schon mit ihm, Palle, der sich spontan als feierlustig gemeldet hat, und Manuel im Taxi.

Fragt mich bitte nicht, was feierlustig sein soll. Es waren seine Worte. Bestimmt hat ihm dieser viel zu rote Apfel nicht gutgetan oder er hat es mit dem Proteinshake übertrieben.

Nun jedenfalls mimte ich für sie alle den normal 'behinderten' Rewi und versuchte mich ihrer ausgelassenen Feierlaune unauffällig anzuschließen.

Wie zu erwarten herrschte eine ausgelassene Stimmung im Club und Alkohol floss wie im Schlaraffenland über die Theke. Der stickige Raum war gefüllt mit schwitzenden, leicht bekleideten Leuten - darunter besonders viele junge Frauen. So jung, dass ich schon befürchtete, sie würden mich von Youtube wiedererkennen. Dem war allerdings nicht so, da sie alle stockbesoffen waren.

Sauft euch ruhig die Birne weg. So hat es der Vergewaltiger an der Ecke auf dem Nachhauseweg leichter - viel leichter...

"Na, checkt Rewi der Boss die Bräute aus?", fragte Peterle, der mit Palle in der Zwischenzeit reichlich an Getränken für uns gekauft hatte.
"Peter, Basti würde doch nicht mit diesem wahnsinnigen Blick eine Frau anflirten..." 

Was? Bin ich so leicht durchschaubar?
Nein, ich bin ein Genie der Tarnung und Verwirrung. Ich kann alles und jeden täuschen.
"Sebastian, was ist nur geworden?"
Felix? Warum höre ich dich in meinem Kopf?!

Er kam mir keine Antwort. Egal, wie lange ich stumm dort stand. Es musste sicher creepy wirken, dass ich mich nicht mehr in ihr Gespräch einklinkte sein, aber nun hatte ich etwas Besseres vor. Da drüben tanzte ein Jungen mit braunem flauschigen Haar und ebenso braunen Augen. Seine unbeholfenen Schritten glichen denen von Felix, als wir das letzte Mal feiern waren.
Ich ging an der Bar entlang, schnappte mir zwei Gläser, wies dem Barkeeper mit einem 100 Euroschein an eine kleine durchsichtige Kapsel in ein Glas fallen zu lassen und marschierte ohne weiter beachtet zu werden auf den Jungn zu. Erst als ich direkt vor ihm stand, sah er verwundert und leicht verschreckt zu mir auf.

Kleines Rehkitz. Der böse Jäger kommt und erschießt dich und das alles nur für den Fortbestand des Waldes...
"Basti, nein. Warum? Noch kannst du gehen. Geh doch bitte zu mir. Ich brauche dich. Bitte!"

Abermals ließ ich Felix' warnende und hilfesuchende Stimme unerhört.
"Bist du denn schon alt genug um hier feiern zu können?", fragte ich ihn.
Eifrig nickte er. "Aber sicher. Ich bin nämlich endlich 18 Jahre alt geworden."
"Alleine?"
Seine Miene wurde plötzlich traurig. "Meine 'Freunde' haben im Moment alle Hände voll zu tun. Sie sagten, sie würden mir eine unglaublich geile Fete zu Hause vorbereiten."

Ein dreckiges Grinsen stahl sich auf mein Gesicht.

Das arme Opfer Rehkitz wurde von allen verraten. Ich werde dich erlösen. Ich werde dich erlösen und auch mir etwas Gutes damit tun.

"Hier nimm, dass wird dir gut tun.", lächelnd übergab ich dem Jungen, dessen Name ich nicht kannte und der mich auch nicht interessierte, das Glas mit der schon aufgelösten Pille. Glücklich nahm er einen großen Schluck und grinste mich an, wobei er eine perfekte Reihe weißer Zähne preisgab.

It's Showtime...


Rewilz auf UmwegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt