Chinatown - bleachers

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„Johnny, in der Bar.", wiederhole ich seinen eben gesagten Satz extra langsam und deutlich.
„Im Fawns", spricht Johnny in sein Handy. Obwohl die Verbindung durch mein uraltes iPhone und die Lautstärke, die bei ihm herrscht, nicht gerade berauschend ist, höre ich, wie betrunken er ist.
„Im fawns. Ich hol dich ab."
„Komm! Macht mega Spaß", schreit er mich beinahe an.
Natürlich komme ich. Ich kenne Johnny gut genug. Wenn ich ihn nicht von alleine abholen würde, würde er mich um vier Uhr nachts anrufen, ich müsste aufstehen und ihn aus irgendeiner Bar abholen. Deswegen umgehe ich das altbekannte Problem und ergreife selber die Initiative. Das mache ich in letzter Zeit häufiger. Johnny verklickert mir mit beinahe zu religiöser Inbrunst neigender Leidenschaft ständig, dass ich auf mein Bauchgefühl hören soll, und einfach mal machen darf. Einfach mal machen.
Johnny ist schon ewig und drei Tage mein Freund. Wir sind nicht zusammen, und irgendwie ist dieses Thema auch nie aufgekommen. Schon in den Staaten sind wir gemeinsam zur schule gegangen, haben in einer Nachbarschaft gewohnt. Obwohl unsere Wege sich zunächst getrennt haben, haben wir uns nie aus den Augen verloren. Ich studiere nun in Seoul, und unsere Freundschaft war nie stärker.

„Zum fawns", erkläre ich den Taxifahrer, nachdem ich eingestiegen bin. Er nickt nur und innerhalb von kürzester Zeit kommen wir vor der unauffälligen, dunkelbraunen Tür an. Ein muskelbepackter, in einen schnieken Anzug gekleideter Mann steht vor der Tür, und schaut unheimlich grimmig.
„Heute wird das nichts", scannt er mich und fällt sein Urteil.
„Ich muss da aber rein", lamentier ich.
„Heute nicht, sorry", bleibt er stark. Ich bin fast soweit, dass ich mit meinem Fuß aufstampfe, kann den Impuls aber noch unterdrücken.
„Bitte, ich muss meinen besten Freund da raus holen", jammere ich.
Der Securityguard blickt mich einmal von oben bis unten an.
„Ich bin in fünf Minuten raus", lächel ich entschuldigend. Er verzieht keine Miene, ich schiebe mir eine haarsträhne hinter mein Ohr.
Ich bin gerade für keinen club eine gute Publicity. Was bei Männern absolut okay ist- eine graze Jogginghose und ein großer hoodie, den ich mir von zuhause aus den Staaten mitgebracht habe- ist für Frauen absolut nicht in Ordnung. Gerade in Korea, in einem Land, in welchem alle und jeder auf Style achten und das viel seriöser und konservativer als gedacht ist, bin ich der Inbegriff von underdressed.
Der Mann schnalzt mit seiner Zunge, tritt zur Seite und macht die Tür auf. Ich rufe ihn noch ein ‚Dankeschön' zu, als ich mich schon in einem stickigen Raum befinde. Die Lampen und Scheinwerfer tauchen die gesamte Fläche immer wieder in anderes Licht. Mal grün, mal pink, mal blau. Ein wenig verloren tummel ich mich zehn Minuten hier und da und suche den großen Mann.
„Hey!", grinst mich Johnny an, als er meinen Rücken umarmt.
„Hey", erwidere ich, drehe mich um und schaue ihn an. Er grinst selig, er ist sicherlich betrunken.
„Ich liebe den Pulli", meint er und zupft an meiner Kapuze, die er mir auf den Kopf schiebt.
„Ich auch", bleibe auch ich hart.
„Wenn du schon hier bist, dann komm, was trinken.", zieht er mich schon in Richtung Bar, doch ich bin mir sicher, dass definitiv der Türsteher kommen wird und much eigenhändig rausbugsiert, sollte ich nicht in den nächsten zwei Minuten mit Johnny im Schlepptau aus dem club raus gehen.
„Nein.", sage ich und stemme meine Beine und Füße so fest ich kann auf den Boden. Da er aber nie etwas tun würde, was ich nicht will, dreht er sich wieder um und schaut mich an.
„Okay.", meint er, und ich hatte mich eigentlich auf mehr Überredungskunst eingestellt.
„Aber ein Deal. Ein Lied. Ein neues Lied bleiben wir. Und dann komme ich mit ohne zu murren.", hält er seine Hand zu mir. Ich schlage ein. Normalerweise verbringe ich mit ihm locker eine Stunde in der Bar oder dem club, aus dem ich ihn abholen will, also strapaziere ich mein Glück nicht.
Er zieht mich auf die Tanzfläche, auf der gerade irgendein Lied mit starkem reggaeton-beat läuft, zu dem er glücklich tanzt. Auch ich versuche meine Füße zu bewegen, bei mir sieht das jedoch weitaus verlorener aus.
Als das Lied wechselt schaut er mich aus seinen dunkelbraunen Augen tief an, und ich weiß, dass ich ihm keinen Wunsch abschlagen kann.
„Ich liebe das Lied.", schwelgt er in seiner bubble.
„Ich kenn das gar nicht.", schüttel ich meinen Kopf.
„Komm, ich zeig's dir"
Er nimmt mich in den Arm, legt seine muskulösen Arme um meine Schultern, dreht mich einmal, und so führt er mich immer näher an die große Box, die genau neben dem DJ-Pult steht.
Er bewegt sich summend zu der Musik von der einen Seite auf die andere, und ich folge seinen Bewegungen. Ich bin eingebettet in seinen Geruch, den Geruch, den ich so gut kenne, der aber jetzt ganz anders wirkt.
„Das ist Chinatown. Von den bleachers", flüstert er mir ins Ohr.
„Es ist schön", flüstere ich zurück.
„Du bist auch schön.", flüstert er, mich immernoch umarmend.
„Was erzählst du.", grinse ich, und boxe ihm leicht gegen den Oberarm.
„Die Wahrheit", grinst er. Er dreht mich um, sein grinsen genau vor mir.
„Du erzählst Geschichten", stammel ich vor mich hin und schaue an mir herunter. Nein, schön bin ich nicht.
„Nein.", sagt er lediglich, nimmt mein Gesicht in seine Hände und zwingt mich, ihn anzuschauen.
„Nein.", sagt er, dieses mal weicher.
„Nein.", sagt er nochmal, dieses mal ganz nah an meinen Lippen.
Bei dem letzten „nein", was er mir lediglich zuhaucht, überbrückt er die letzte Distanz zwischen uns.

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