Y/N

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Liv und Toby schauten sich tief in die Augen. Ihre blauen trafen auf das tiefdunkle braun, in welches sie sich sofort unsterblich verliebt hatte. Bei Liv war es sofort Liebe auf den ersten Blick, Toby fühlte sich immer mehr und mehr zu seiner Schulkameradin hingezogen.', beendete ich den Absatz meiner Geschichte und klappte mein MacBook zu. Die Mittagspause war gleich zuende und ich musste unbedingt pünktlich meinen Laptop verstauen, sodass niemand auch nur auf die Idee kommen könnte zu fragen, was ich hier gerade mache. Ich schob mein MacBook gerade in seinen Platz in meiner Schultasche, als meine beste Freundin auf mich zu kam. Sie war es gewohnt, dass ich in meinen Pausen eigentlich immer am Laptop hing, was für mich auch einen guten Grund hatte. In den Unterrichtsstunden passierte so viel, was ich unbedingt in meine Geschichte einfließen lassen wollte. In der Geschichte, die ich gerade schrieb, ging es nicht um irgendwelche fiktiven Charaktere, nein. Es ging um Taehyung. Taehyung war wohl der schönste Mann, Junge, den ich je gesehen hatte. Ich habe mich sofort in ihn verliebt. Er kam irgendwann auf unsere schule, ab da an gehörte mein Herz ihm. Er weiß davon nichts, und das soll bitte auch so bleiben. Meine ganzen Gefühle, meine Leidenschaft, meine wünsche und mein Begehren stecke ich in die Geschichte, die ich immer am hinterletzten Tisch sitzend mit roten Wangen schreibe. Darüber schreiben macht absolut Spaß, aber schon bei der Vorstellung, ihm meine Gefühle zu Beichten, bekomme ich eine leichte herzinsuffizienz.
„Dass du die ganze Zeit die Unterrichtsstunden nachbearbeitest schadet auch nur ein kleines bisschen unserer Freundschaft", grinste sie. Ich weiß, dass sie sich wünschte, dass wir wieder einmal miteinander quatschen würden, sie ganz normale Freundinnen. Ich weiß, es ist ein wenig asozial, aber die Geschichte war mir gerade wichtiger. Ich lebte dadurch meine ‚beziehung' mit taehyung aus. Ich führte eine Beziehung, ohne je Angst vor Zurückweisung haben zu müssen. Oh, die süße macht der Vorstellungskraft.
„Tut mir leid. Ich muss den Unterricht gut nachbereiten, um in den Uni-zulassungstests gut abzuschneiden.", log ich. Und ohne viel darüber nachzudenken akzeptierte meine beste Freundin die wohl überlegte Ausrede.
„Ich hab gar keine Lust auf Koreanisch. Frau Oh ist so anstrengend", stöhnte meine beste Freundin. Sie hat sich nie wirklich für den Schulstoff interessiert und studiert nur, weil ihre Eltern es von ihr erwarten. Mit hingegen hat das lernen und die schule immer viel Spaß bereitet. Komisch, ich weiß.
„Sie möchte uns eben bestmöglich auf das Leben vorbereiten", nahm ich meine Lieblingslehrerin in Schutz.
„Ich weiß. Deine Gutmütigkeit steht meinem Schulhass im weg", grinste sie, als sie gerade die Tür zum Klassenraum öffnete. Wir setzten uns auf unsere angestammten Plätze in der zweiten Reihe, nach und nach setzten sich meine Klassenkameraden an ihre Tische und Frau Oh fing mit ihrer Unterrichtsstunde an. Ich hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, machte mir Notizen und ließ meinen Blick nur das eine oder andere mal zu taehyung gleiten, der den Kopf auf seiner linken Hand abgestützt hatte und seinen Kuli mit der anderen Hand um die eigene Achse drehte, immer und immer wieder. Ich war fixiert, wie gebannt. Der Kuli war wie eine Schlange, er war der Beschwörer, ich war hoffnungslos.

„Hey", buffte mich meine beste Freundin von der Seite an. Frau Oh stand mit einem Beutel vor mir und hielt ihn unter meine Nase. Sie blickte ein Mal in ihn hinein, nur um danach mich anzuschauen. Ich nahm mir schnell einen Zettel heraus. Eine große 4 stand darauf.
Als alle Schüler einen Zettel gezogen hatten wurde das Gemurmel unerträglich. Meine beste Freundin und ich hatten natürlich auch kurz abgeglichen, leider waren wir nicht in einer Gruppe.
„Ihr habt eure Zettel? Gut. Alle Schüler mit der eins treffen sich in der Ecke, die zweien gehen in den Nebenraum, die dreien nehmen den Tisch", sie zeigte auf einen großen Tisch an den Fenstern, „für die Vieren steht draußen ein Tisch bereit. Die Fünfen finden sicherlich auch noch einen Platz im Klassenraum, euch gebe ich dann die Unterlagen", erklärte Frau Oh weiter, die Meute setzte sich in Bewegung. Und leider bleib taehyung an seinem Platz am Fenster sitzen, während ich schon ein wenig enttäuscht nach draußen trottete. In meiner Gruppe waren neben mir noch vier andere Schülerinnen und Schüler, die ich aber bisher noch nicht gut kannte. Lediglich mit Haneul, einem etwas ruhigerem Mädchen, hatte ich mich bis jetzt unterhalten. Sie war wirklich in Ordnung, und ich lächelte sie freundlich an. Ein anderes Mädchen, zwei Jungs. Den einen kannte ich vom sehen. Er saß immer bei taehyung, Chinhae heißt er, wir haben noch nie miteinander gesprochen, und ich habe die leise Befürchtung, dass er unfreundlich sein könnte. Ich weiß, es ist unhöflich und unfair ihm gegenüber, aber ich habe bei beliebten oder attraktiven Menschen immer das Vorurteil, das sie eingebildet und fies sein würden, und leider hat sich dieses zu oft als wahr herausgestellt.
„Chinhae", streckt er mir jedoch sofort die Hand entgegen, die ich langsam schüttel. Sie ist weich und warm. Ich stell mich ebenfalls vor.
„Ich weiß", grinst er.
„Ich wollte mich nur offiziell vorstellen."
„Danke.", ich traue mich auch, ein wenig zu lächeln. Meine Haare fallen mir bei der kleinen Verbeugung ins Gesicht, ich schiebe sie mir schnell hinter die Ohren. Ich hatte mir die Geste irgendwie angewöhnt, obwohl sie in diesem Kontext unnötig war.
„Du brauchst dich nicht verbeugen", lacht er. Ein herzliches, gutes lachen.
„Ich weiß, sorry", entschuldige ich mich und unterdrücke den Impuls, mich erneut zu verbeugen, mit aller Macht.
Wir teilen noch schnell die Arbeitsschritte auf. Am Ende des Semesters müssen wir eine Präsentation vorstellen, die Art und Weise der Vorstellung können wir uns beinahe selbst aussuchen. Ich bin richtig aufgeregt und freue mich. Chinhae, Haneul und ich kümmern uns um einen Teil der Vorstellung, die beiden Jungs machen den anderen. Ich bin ziemlich zufrieden mit der Entscheidung. Wir haben die Unterrichtsstunde über viel miteinander gequatscht und ein wenig mehr über einander erfahren - die beiden sind wirklich lieb.
Chinhae, Haneul und ich wurden über den Zeitraum der Arbeitsaufgabe richtige Freunde. Wir trafen uns mittlerweile fast regelmäßig zum chillen bei einem von uns, aber dennoch war ich überrascht, als Chinhae mich zu einer Party bei ihm einlud. Ich bin kein Mädchen, was auf Partys geht. Während andere sich schick machen, Parfum auflegen und ihre Haare locken sitze ich im Bett und schaue stranger things auf Netflix. Jetzt stehe ich vor meinem Spiegel, das glätteisen in der Hand und versuche, mich nicht noch mehr zu verbrennen. Ein Pflaster klebt schon an meiner Hand und zeigt, wie häufig ich mir die Haare glätte. Wahrscheinlich ein Mal alle drei Jahre.
Es ist absolut surreal. Mich vor einem Monat hätte ich Chinhae nicht mit dem popo angeschaut, und jetzt ist er sowas wie mein bester Freund. Die arbeitsaufgabe haben wir auch schon erfolgreich abgegeben und eine solide zwei bekommen. Ich ziehe gerade meine Jeans hoch, die trotz der richtigen Größe durch der restnässe nach dem duschen an meinen Beinen klebt wie Pattex, als ich sehe, das mein Handydisplay aufleuchtet. Ein Anruf von Chinhae.
„Heeeey!", grölt er in sein Mikrofon. Er ist mindestens angetrunken.
„Chinhae", grinse ich, „Du hast doch versprochen, mit dem trinken zu warten, bis ihn dich beaufsichtigen kann." wir hatten bei der Einladung über seine trinkversuche gesprochen, die meistens damit endeten, dass er in irgendeiner Ecke lag und sich erbrach. Um dem vorzubeugen bot ich ihm an, auf ihn aufzupassen bei der nächsten Feier. Schon wurde ich als professionelle Chinhae-Aufpasserin angestellt.
„Taehyung und die Jungs haben mich gezwungen, kann nichts dafür", grinst er weiter. Ich muss auch grinsen. Ich bin mir sicher, dass keine große Überredungskunst nötig war.
„Ich bin gleich soweit, nur noch eine strähne", ich stelle mein Handy auf Lautsprecher und ziehe das glätteisen an meinen Haaren herunter.
„Beeil dich bitte", ruft er noch bevor er das Telefonat beendet.
Taehyung und die Jungs. Taehyung und die Jungs. Natürliche werden seine Kumpels da sein, und taehyung gehört auch dazu. Allein bei dem Gedanken macht mein Herz einen Satz, aber jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Jetzt muss ich die Zähne zusammenbeißen, meine manchmal komische Persönlichkeit hinten anstellen und durchziehen. Ohje, das kann ich gar nicht gut.
Die Sprühkur, die ich gerade auf meine Haare aufgetragen habe, riecht wunderbar und lassen sie glänzen. Ich schnappe mir meine Jacke, meine Tasche, meinen Papa und seinen Autoschlüssel und los gehts. Seit neustem habe ich meinen Führerschein, aber ich lasse mich einfach gerne aus Bequemlichkeit kutschieren. Außerdem bin ich absolut keine gute Autofahrerin. Ein beinahe-Unfall reicht mir erstmal.
Bei Chinhae sind lauter Menschen. Unheimlich viele, ich kenne nicht mal einen Bruchteil davon. Ich wusel mich nach hier und da, bis ich irgendwann den dunkelbraunen Haarschopf von Chinhae sehe. Die feiernde Masse steht überall im Weg, lacht, trinkt, grölt. Ein Mädchen aus meiner Klasse, mit der ich noch nicht mehr als drei Worte gewechselt habe kommt auf mich zu und schließt mich in eine herzliche Umarmung. Sie riecht nach einer Mischung aus dem Victoria's Secret Bodyspray und Zigaretten. Ich weiß, das alle Jungs sie begehren. Chinhae hatte mal so einen Witz gemacht, und auf Nachfrage zugegeben, das er und einige andere Jungs in sie verliebt seien. Ich habe die Befürchtung, das auch taehyung auf sie steht. Sie ist wunderschön, wirklich, beliebt, und wenn taehyung weiß, dass auch sie auf ihn stehen würde, wären die beiden das Traumpaar überhaupt.
Und mein Herz würde zerspringen.
Ich weiß, das hört sich jetzt sehr dramatisch an, aber doch, es ist so. Ich hätte nicht gedacht, das ich mich emotional so abhängig machen könnte von einem jungen, den ich nicht mal kenne. Und eigentlich weiß ich auch, wie dämlich das ist, aber ich kann mir nicht helfen.
„Schön, dass du da bist!", ihre Hände haben meine gefunden. In ihren Augen ist kein Funke Sarkasmus oder Falschheit zu finden, und ich hab wirklich danach gesucht.
„Danke", murmele ich. Bei Leuten, die ich nicht gut kenne, auch wenn es Klassenkameraden sind, bin ich immer vorsichtig und schüchtern. Das bekommt mir manchmal nicht gut. Haneul meinte auch, das sie dachte, ich wäre total eingebildet. Genau das Gegenteil ist der Fall, manchmal hilft es, in das Buch reinzulesen und nicht nur das Cover anzuschauen. Und mit dem Gedanken lasse ich mich grinsend an einen Tisch ziehen, wo schon ein paar weitere Klassenkameraden gemischt mit Leuten, die ich noch nie gesehen habe, sitzen, trinken und sich lachend unterhalten. Ich werde sofort auf ein bequemes Sofa gedrückt und freudig begrüßt. Sie geben sich alle beste Mühe, mich in ihr Gespräch einzubinden und unverständliche Sachen zu erklären, und ich fühle mich gleich wohl. „Deine Haare sehen richtig schön aus", lächelt mich eine Klassenkameradin an, schnappt sich eine Strähne und lässt sie langsam durch ihre Finger gleiten.
„Meinst du? Sie werden immer so schnell wellig", beklage ich mich seufzend. Obwohl ich meine Haare geglättet habe kommt die natürliche Struktur schon wieder hier und da durch. Ugh.
„Wenn du magst, leihe ich dir mal mein glätteisen, bei mir funktioniert das richtig gut", schlägt sie vor und ich nehme dankend an. Wir verabreden uns dazu, das ich an einem Tag nach der schule zu ihr kommen würde, ich das glätteisen abhole und wir ja gleich die Serie weiterschauen könnten, die wir überraschenderweise beide lieben.
„Du hast recht, die Haare stehen dir", werden wir in dem unheimlich interessanten Gespräch über die Paare in der Serie unterbrochen. Chinhae und taehyung stehen vor uns, ich war so vertieft, dass ich sie gar nicht bemerkt habe. Normalerweise habe ich so einen taehyung-Radar. Als würde ich seine Präsenz fühlen können, blicke und suche ich immer Instinktiv nach ihm und finde ihn in jeder Menge. Mein Radar muss wohl mal zum tüv.
„Meine Aufpasserin erfüllt nicht ihren Job! Kriegt kein gutes Arbeitszeugnis. Kein Empfehlungsschreiben!", wittert Chinhae. Ich schüttel resigniert meinen Kopf und sehe, dass meine Haare komplett gar nicht mehr geglättet sind. Eine Stunde für nichts und wieder nichts. Und komischerweise denke ich an meine Haare, als an taehyung. Chinhae zieht mich vom Sofa und zur Bar, wo er sich ein Getränk zubereitet und mir eine Cola in die Hand drückt.
„Jetzt kann ich wieder trinken", grinst er, nickt mit seinem Kopf in meine Richtung und nimmt einen großen Schluck aus seinem Glas.
„Chinhae darf nur wegen dir trinken?", fragt taehyung amüsiert an mich gewandt.
„Nein, nein", stotter ich. Ich muss erst mal überlegen, ob ich mich funktioniere. Seine Stimme katapultiert mich immer in höhere Gefilde. Er zieht eine Augenbraue hoch und ich wende meinen Blick von seinem wunderschönen Gesicht ab. Ich will nicht, aber ich kann ihn nicht anschauen. Mein Herz würde aus mit herauskrabbeln, an seinem Bein hochklettern, sich an ihn klammern und ihn nicht mehr los lassen.
„Er meinte, ich solle auf ihn aufpassen. Ich trinke nicht, und bin laut Chinhae sehr verantwortungsbewusst", Strecke ich meinen Zeigefinger nach oben. Mein Herz ist festgezurrt an mir, schreit, zappelt und will einfach nur zu taehyung, aber ich erlaube es ihm nicht. Zuhause, in der schule, überall lasse ich meinem Herz freie Bahn. Nicht mal an der Schleppleine. Nur hier, in taehyungs Anwesenheit kann ich das nicht kontrollieren. Ich darf das nicht riskieren.
„Das respektiere ich.", lächelt er. Total ehrlich.
„Respektierst du auch, dass ich trinke?", fragt er, als er sein Glas zum Mund führt.
„Natürlich", Murmel ich perplex viel zu laut. Ich muss meinen Blick unbedingt von seinem Mund lösen, in dem mehr und mehr der honigfarbenen Flüssigkeit verschwindet. Ein kleines Rinnsal läuft auf der rechten Seite heraus, bis zum Kinn, wo sich schon ein Tropfen bildet, bereit zum fallen, er ihn aber mit seiner Hand abwischt. Seiner wunderschönen Hand. Seinen langen Fingern. Den definierten Muskeln. Die weiche haut, die ich nie spüren werde, aber ich fühle mich so, als wären seine Hände auf mir.
Meine Wangen brennen.
Alles brennt.
Ich stehe in Flammen.
Wirklich, sehr, sehr verantwortungsbewusst.
Ich reiße meinen Blick von seiner Hand, in dem sein Glas ruht, los, entschuldige mich mit der Begründung, Chinhae suchen zu müssen, flitze nach draußen und mache mich auf den Weg nachhause. Ich bin sicherlich drei Stunden gelaufen, und komme um ein Uhr nachts an. Meine Playlist hat mir beste Dienste erwiesen und mich weinend durch Seoul laufen lassen. Hier und da wurde ich schräg angeschaut, aber das ist okay. Ich bin jetzt nämlich in meinem Bett, klappe meinen Laptop auf und schreibe einen meinen Absatz für Toby und liv. Ich hab die ganze Nacht geschrieben und für die beiden das beste Ende der Welt inszeniert. Ich drücke nur noch auf den „Veröffentlichen"-Button, Klappe meinen Laptop zu und falle um halb sechs hundemüde in den Schlaf.
Am nächsten Montag bin ich komplett gerädert. Mein schlafrythmus am Wochenende wurde durch die Feier komplett auf den Kopf gestellt, keine Ahnung, wie lange ich am Samstag geschlafen hatte.
„Das blühende Leben", grinst Chinhae diabolisch, als er mich von der Bushaltestelle abholt. Er wohnt näher an der schule und geht immer zu Fuß, holt mich aber jeden Morgen ab.
Ich gebe nur ein missbilligendes Grunzen von mir. Ich habe mir eine Sonnenbrille aufgesetzt, die nicht nur gegen die Juni-Sonne gedacht ist. Trotz makeup sehe ich aus wie der durchgekaute Knochen meines Hundes.
„Hattest du am Freitag was mit irgendwem?", grinst er noch breiter.
„Nein!", fahre ich ihn flüsternd an.
„Sag sowas nicht, dumme Menschen glauben, du erzählst die Wahrheit", bitte ich ihn eindringlich. Er winkt nur grinsend ab.
„Ich hab Yeona geküsst", grinst er, sichtlich stolz.
„Nicht im Ernst", frage ich ihn. Yeona ist das Mädchen, mit dem ich mich verabredet habe. Unsere Klassenkameradin mit dem glätteisen. Ich hatte sie immer als unfreundlich abgestempelt, aber sie ist anscheinend nicht so, wie sie scheint. Macht ja Sinn, ich bin ja auch nicht so, wie ich scheine.
„Doch.", höre ich die tiefe Stimme, die mein Herz schon wieder dazu veranlasst, aus dem provisorischen Käfig, den ich um es erbaut habe, ausbrechen zu wollen.
„Es war wirklich nicht schön.", grinst er. Mein grinsen ist weg. Weg. Sterben gegangen.
Chinhae hat mittlerweile Yeona gesehen, sich neben sie gesellt und sie in den Arm genommen. Händchen haltend laufen sie Richtung Schulgebäude.
„Was ist los?", fragt er mich nachdem er seine Sonnenbrille in die Haare geschoben hat und mich mit einem besorgten Blick mustert.
„Ich bin müde."
„Hier.", hält er mir einen Becher unter die Nase.
„Trink."
„Kaffee?", frage ich ihn und zieh schon die Nase kraus. Kaffe ist unheimlich ekelig. Als ich jedoch den Geruch von heißer Schokolade einsauge bin ich sehr beruhigt.
„Ich bin doch kein Psychopath", grinst er. Ich nehme einen kleinen Schluck von der leckeren Flüssigkeit und muss mich sehr beherrschen, nicht aufzuseufzen.
Ich reiche ihm den Becher zurück. Er nimmt einen großen Schluck, seufzt einmal lustvoll auf, lässt meine Nerven einen Kurzschluss erleiden und reicht mir den Becher erneut. Ich nehme noch einen Schluck, dieses mal ein bisschen größer, und seufze ebenfalls auf. Er muss breit grinsen.
„Warum warst du eigentlich so plötzlich weg am Freitag?", fragt er, ich verschlucke mich fast an meiner Spucke.
„Ich musste am nächsten Tag früh raus", Lüge ich. Ich kann ihm ja kaum sagen, was in Wirklichkeit passiert ist. Dann kann ich ihm auch gleich „Circles" ausgedruckt geben, damit er sich das durchlesen kann. Nie im Leben.
„Einmal anlügen ist okay, vielleicht sagst du mir ja später den richtigen Grund", nickt er. Ich schaue ihn entschuldigend an und schüttel meinen Kopf.
Das wird irgendwie so unser Ding. Jeden Morgen holt er mich ab und wir teilen uns eine heiße schokolade. Quatschen, lachen, unterhalten uns über ernste Themen, sein Umzug aus Daegu und wie sehr er seine Großmutter vermisst, alles. Und ab und an muss ich mich wirklich zurückhalten, meine inneren Gefühle nicht nach außen zu kehren.
„Hier", hält mir taehyung die Schoki unter die Nase, ich nehme einen ausgiebigen schluck. Grinsend bedanke ich mich.
„Hast du schon gefrühstückt?", frage ich ihn. Er vergisst das manchmal, weil er lieber länger schläft als früher aufsteht um sich was vorzubereiten. Verschlafen schüttelt er mit dem Kopf. Seine dunkelbraunen, fast schwarzen Wellen sind so schön. Einmal habe ich seine Haare tatsächlich angefasst, als ich den frag dazu hatte. Wir haben in der schule während einer Pause gechillt, als er sagte, das er müde sei. Er hat seinen Kopf auf meinem Schoß abgelegt, die Augen geschlossen. Irgendwann habe ich dann einfach angefangen, in seinen Haaren rumzuspielen und ihn zu kraulen. Es hat ihn anscheinend nicht gestört. Als es geklingelt hat, sind wir einfach so wieder in die Klasse gegangen. Das Gefühl von taehyungs Haaren, diese weichen, seidigen, wunderschönen Strähnen, sein Gesicht so nah an mir, so friedlich, sein Geruch überall, die Wärme und das Gewicht von ihm auf mir, das werde ich nie vergessen. Und obwohl meine Geschichte von Toby und Liv schon fertig war, habe ich ihnen einen Epilog gegeben, in der ich die Szene als Inspiration genutzt habe.
„Hier", halte ich ihm eine brotdose hin. Er greift sofort zu und lächelt mich dankbar an.
„Du musst was essen, wenn du in Mathe Hunger bekommst kannst du dich nicht konzentrieren", erkläre ich ihm und fühle mich nur ein bisschen, als würde ich ihn bemuttern.
„Erinner mich bitte nicht an die Klausur", stöhnt er, und ich fühle mit ihm. Mathe kann ich wirklich nicht.
„Du packst das. Du kannst Mathe", ermutige ich ihn, während er in sein käsebrot beißt.
„Ich weiß", gibt er halbherzig von sich. Klausuren belasten ihn immer sehr.
„Auch wenn du es versemmelst, ist doch nicht schlimm! Dann wirst du halt Idol", Kicher ich, und auch er muss breit grinsen. Chinhae, Yeona, Haneul und ich meinen oft, das er aufgrund seines Aussehens das perfekte Idol wäre, er ist sich noch nicht so sicher. Ich hab ihn aber einmal singen gehört, als er total in Gedanken zu einem Lied mitgesungen hat. Wirklich, eine Engelsstimme.
Wir gehen in den Klassenraum herein, taehyung hat bereits sein erstes Brot aufgegessen, als sich schlagartig alle Blicke auf mich lenken. Sie versuchen, es nicht auffällig zu machen, blicken nach unten, aber so wird es nicht weniger schlimm. Eine Klassenkameradin, ich kenne sie auch nicht wirklich, kommt zu mir.
„Hey", grinst sie, ihre Augen kalt wie Eis. Sie erinnert mich an Cersei aus Game of Thrones.
„Hey", erwidere ich.
„Du, weißt du, ich mache mir ein wenig Gedanken wegen der Klausur."
„Ach, brauchst du nicht, du schaffst das schon", versuche ich sie aufzumuntern.
„Nicht wegen mir, nein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob du dich so gut vorbereitet haben kannst. Toby und Liv haben sicherlich viel Zeit in Anspruch genommen", grinst Cersei. Mein Kartenhaus bricht ein. Komplett. Ich hattest gar keine Gedanken darüber gemacht, das das je bekannt werden würde. Das jemand aus der schule das lesen würde. Ich sitze mit offenem Mund da, total verstört. Sie hat meine Geschichte gelesen. Sie weiß, wie ich über taehyung denke.

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